Standard & Poor's stuft Italien herunter Verheerendes Zeugnis für Berlusconi-Regierung
Die Berlusconi-Regierung hat die Herabstufung der italienischen Kreditwürdigkeit durch Standard & Poor's kritisiert. Doch die politische Entwicklung gibt der Ratingagentur Recht: Seit rund zehn Jahren stagniert das Land - ohne dass politische Maßnahmen etwas daran ändern konnten.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Mit diesem Urteil musste man rechnen. Bei mehr als 1,9 Billionen Staatsschulden. Trotzdem kam es für die italienische Regierung offenbar überraschend. "Die Herabstufung Italiens durch Standard & Poor's spiegelt nicht die Realität wider", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme von Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Der mutmaßt: Die Ratingagentur habe sich wohl von schlechten Medienberichten und politischen Erwägungen beeinflussen lassen.
Ähnlich sieht das Maurizio Gasparri, Fraktionsvorsitzender der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" im italienischen Senat: "Diese Bewertungen sind auch sehr politisch. Die Rolle, die die Ratingagenturen spielen, muss diskutiert werden - also ob sie in einer so schwierigen Situation nicht selbst zum Krisenfaktor werden."
Agentur sieht maßgebliche Schuld bei der Regierung
Standard & Poor’s stellt in seiner Begründung der italienischen Regierung ein verheerendes Zeugnis aus: Da ist von einer instabilen Regierungskoalition die Rede, der man nicht mehr zutraue die richtigen Antworten auf die Krise zu finden. Fragwürdig sei, ob das angepeilte Sparziel von 54 Milliarden überhaupt erreicht werde.
Damit wird das Urteil über die Kreditwürdigkeit Italiens zu einem Urteil über die Regierung Berlusconi, sagt der Ökonom Luigi Paganetto: "Diese Ratingagenturen haben eine angelsächsische Kultur. Da hat der Gedanke einer präzisen Marschrichtung sehr viel mehr Gewicht als bei uns. Dieses Sparpaket ist ja mit Stopp and Go entstanden." Es hätte ständige Richtungswechsel gegeben, Entscheidungen wurden gefällt und dann wieder verworfen. "Das vermittelt den Eindruck der Unsicherheit."
Druck auf Berlusconi wächst
Seit Wochen fordert die Opposition gebetsmühlenartig Berlusconis Rücktritt. Das schlechte Zeugnis der Ratingagentur verstärkt den Druck auf den Ministerpräsidenten, meint Oppositionsführer Pierluigi Bersani: "Wenn wir so weitermachen, wenn auch nur für wenige Wochen, bringen wir uns eine gefährliche Lage, gefährlich für die internationale Glaubwürdigkeit unseres Landes, für die Märkte - das Misstrauen wird ausufern."
Seit zehn Jahren kein Wirtschaftswachstum
Italiens Hauptproblem ist das mangelnde Wachstum. Seit etwa zehn Jahren stagniert das Land. Berlusconi hat heute kurz- bis mittelfristig weitere Maßnahmen angekündigt, um die Wirtschaft im Land anzukurbeln. Eigentlich ist es dafür schon zu spät, sagt die Präsidentin des Unternehmerverbandes Confindustria, Emma Marcegaglia: "Jetzt ist es das Wichtigste, einen Plan für das Wachstum aufzustellen - das dürfen aber keine kleinen Schritte sein, sondern große Reformen, die bei den Pensionen anfangen. Dann die Steuerreform, die Steuern für Arbeitnehmer und für Unternehmen müssen gesenkt werden und die Besitzsteuer muss erhöht werden. Wir sind dazu bereit."
Italien hat in diesem Sommer bereits zwei große Sparpakete verabschiedet. Doch die Italiener müssen sich wohl darauf einstellen, dass es jetzt erst richtig losgeht mit dem Sparen.