Kritik am geplanten Warnstreik Bevölkerung "nicht in Geiselhaft" nehmen
Die Kritik am geplanten Warnstreik im Verkehr am Montag ist groß - und kommt von vielen Seiten. Der Bundesverband Güterverkehr warnte vor Chaos und brachte sogar eine Aufhebung des Lkw-Fahrverbots für diesen Sonntag ins Spiel.
Angesichts des von den Gewerkschaften geplanten Großstreiks am Montag warnt der Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL) vor einem Versorgungschaos. Die Gewerkschaften handelten "gegen den Willen von Millionen Bundesbürgern", sagte Verbandspräsident Dirk Engelhardt der "Bild"-Zeitung
Der Streik werde viele Lkw-Fahrer und -Fahrten "massiv treffen". Es drohe ein Versorgungschaos und Schaden von zig Millionen Euro, wenn Waren nicht rechtzeitig geliefert werden können, sagte Engelhardt. "Es wäre daher sinnvoll, wenn Verkehrsminister Wissing das Fahrverbot für Lkw an diesem Sonntag aufheben würde."
Das sieht der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, ähnlich. Zwar seien die Auswirkungen des anstehenden Streiks eine "verkraftbare Herausforderung", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Einzelhandel und Logistik würden das "gemeinsam gut hinbekommen". Trotzdem wäre es sinnvoll, das Lkw-Sonntagsfahrverbot für das Wochenende aufzuheben und der Logistik so zumindest die Möglichkeit zu geben, einige Transporte vorzuziehen.
Bevölkerung "nicht in Geiselhaft nehmen"
Auch der Mittelstand blickt besorgt auf Montag: Unternehmen und Bevölkerung dürften "nicht in Geiselhaft genommen werden für Forderungen, die in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht zielführend sind", sagte der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger, der dpa.
Die Forderungen der Gewerkschaft ver.di und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dürften keine Signalwirkung für die mittelständische Wirtschaft haben, sagte Jerger. Das wäre gerade für viele kleine und mittelständische Unternehmen existenzbedrohend. Diese litten bereits unter Lieferkettenproblemen, steigenden Energie- und Rohstoffpreisen sowie mangelnder Verfügbarkeit von Arbeits- und Fachkräften.
Arbeitgeber warnen: "Nicht radikalisieren"
Auch Deutschlands Arbeitgeber warfen den Gewerkschaften überzogenes Handeln vor. "Wer so handelt, handelt unverhältnismäßig und gefährdet die Akzeptanz für das Streikrecht", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, der dpa. Er mahnte, der Kampf um Mitglieder dürfe die Tarifautonomie in Deutschland nicht radikalisieren.
Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, findet den Ausstand "nicht okay". Die Gewerkschaften "sollten aufpassen, dass sie nicht überziehen", sagte sie.
Ver.di-Chef verteidigt Warnstreiks
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Werneke, hat den Streik indes verteidigt. "Ein Arbeitskampf, der keine Wirkung erzielt, ist ein zahnloser Arbeitskampf", sagte Werneke im Fernsehsender Phoenix.
Er räumte ein, dass der gemeinsame Streik mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG zur Belastung für viele Menschen werde, "aber besser ein Tag Belastung mit der Perspektive, zu einem Tarifabschluss zu kommen, als ein wochenlanger Arbeitskampf". Denn davon wären nicht nur die Verkehrsbereiche betroffen, "sondern auch Krankenhäuser, Abfallwirtschaftsunternehmen und Kitas", sagte Werneke. Er sieht die Arbeitgeber in der Verantwortung, sich in den Tarifverhandlungen zu bewegen.
Fluglinien-Verband: Vorgehen "verantwortungslos"
Der Airline-Verband Barig, dem neben internationalen auch die meisten deutschen Anbieter angehören, kritisierte das Vorgehen der Gewerkschaften als "verantwortungslos". Die "unverhältnismäßig massiv" eingeschränkte Mobilität erschwere die Verkehrsströme, den Warentransport sowie "wichtige humanitäre Hilfslieferungen und das gesellschaftliche Zusammenleben allgemein", sagte Barig-Chef Michael Hoppe.
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler hatte die EVG bereits am Vortag zur unverzüglichen Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert.
Lufthansa-Ausfälle bereits am Sonntag
Mit dem großangelegten bundesweiten Warnstreik wollen die EVG und ver.di am Montag weite Teile des öffentlichen Verkehrs lahmlegen. Betroffen sind der Fern- und Regionalverkehr auf der Schiene, auf Wasserstraßen, an Häfen und Autobahnen.
Auch nahezu sämtliche deutsche Flughäfen sollen bestreikt werden. Lufthansa-Passagiere müssen sich bereits am Sonntag auf erhebliche Ausfälle einstellen. Am Flughafen München finden bereits dann - abgesehen von humanitären Flügen - keine Lufthansa-Flüge mehr statt, wie die Airline mitteilte. Die Lufthansa gehe aber davon aus, dass bereits am Dienstag der Flugbetrieb wieder weitestgehend normal durchgeführt werden könne.
Tuifly ist zuversichtlich, die Auswirkungen zu begrenzen
Bei der Tui-Airline Tuifly laufen die Vorbereitungen für mögliche Umbuchungen und Verschiebungen von Urlaubsflügen. "Wir schauen, was umzubuchen ist, was an Ausweichflughäfen dargestellt werden kann oder was auch an einem Tag später denkbar wäre", hieß es von der konzerneigenen Fluggesellschaft des größten europäischen Reiseanbieters. Man sei guten Mutes, die Auswirkungen auf die Kunden begrenzen zu können - dies sei schon beim Airport-Ausstand von ver.di im Februar so gewesen. Auf Sonntag vorgezogene Flüge seien aber eher kein Thema. "Das würde ja bedeuten, dass manche Gäste ihren Urlaub früher beenden müssten als geplant", teilte Tuifly mit.
Bahn will versorgungsrelevante Züge priorisieren
Auch auf der Schiene wird es zu massiven Ausfällen kommen. Die Bahn will im Güterverkehr versorgungsrelevanten Zügen Priorität einräumen. "Ich denke da vor allem an die Energietransporte in die Kraftwerke", sagte ein Konzernsprecher. "Versprechen können wir das aber noch nicht." Die Bahn sei mit den Kunden im Güterverkehr in Kontakt, "ob nicht doch die Möglichkeit besteht, einzelne Züge zu fahren".
Betroffen ist auch der Bahnverkehr nach Österreich. Es werde keine grenzüberschreitenden Nah- und Fernverkehrszüge geben, teilten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) mit. In der Regel endeten sie vor der Grenze. Auch Nachtzüge mit deutschen Streckenabschnitten, die am Sonntag und Montag starten, seien betroffen.
Die EVG fordert mindestens 650 Euro mehr Lohn. Bei den höheren Entgelten strebt sie eine Steigerung um zwölf Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten an. Ver.di fordert gemeinsam mit dem Beamtenbund dbb für den öffentlichen Dienst 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn.