Athen reicht Reformliste ein Tsipras will 53,5 Milliarden Euro
Sie ist da: Die lang erwartete Liste aus Athen liegt nun vor. Die Tsipras-Regierung erklärt sich zu umfassenden Steuerreformen bereit sowie zu weiteren Einschnitten bei der Rente. Im Gegenzug bittet sie um ein neues Hilfsprogramm im Umfang von 53,5 Milliarden Euro. Ob das den Gläubigern reicht?
Kurz vor Ablauf der Frist um Mitternacht hat die Regierung in Athen ihre Vorschlagsliste für Reformen bei der Eurozone eingereicht. Zu den griechischen Vorschlägen zählen nach Angaben der Regierung in Athen unter anderem eine Rentenreform, eine Anhebung der Mehrwertsteuer sowie Privatisierungen. Auch der öffentliche Dienst solle reformiert werden, heißt es in einem 13-seitigen Dokument, das in der Nacht veröffentlicht wurde.
Im Gegenzug zu den Reformen fordert Athen ein dreijähriges Hilfsprogramm und Schuldenerleichterungen zur Überwindung der akuten Finanzkrise. Das Hilfspaket hat einen Umfang von 53,5 Milliarden Euro. Athen wolle eine Lösung, um seine enormen Schulden zu "regeln", heißt es in der Vorschlagsliste. Die Staatsverschuldung hat mittlerweile rund 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht.
Weniger Frühverrentungen, höhere Unternehmenssteuern
Außerdem wirbt die Regierung in dem Papier um ein Investitionspaket für Griechenland im Umfang von 35 Milliarden Euro. Frühverrentungen sollen künftig erschwert und Rentner stärker an den Gesundheitskosten beteiligt werden. Unter anderem die Unternehmenssteuer und die Luxussteuer sollen erhöht, die Bekämpfung gegen Steuerflucht deutlich verstärkt werden.
Als Kürzung bei den Verteidigungsausgaben bietet Athen statt der geforderten 400 Millionen Euro für dieses Jahr 100 Millionen Euro und für das kommende weitere 200 Millionen Euro an.
Die Steuernachlässe für die griechischen Inseln sollen für die wohlhabendsten Inseln und diejenigen mit den meisten Touristen gestrichen werden und nicht - wie von den Gläubigern gefordert - für alle Inseln. Athen willigt zudem nun in den Verkauf der verbliebenen staatlichen Anteile an dem Telekommunikationskonzern OTE ein. Außerdem sollen verbindliche Fristen für Gebote für den Verkauf der Staatsanteile an den Häfen von Piräus und Thessaloniki bis spätestens Oktober aufgestellt werden.
Hilfe aus dem ESM-Stabilitätsmechanismus
Die neuen Reformen sind Voraussetzung für ein drittes Hilfspaket in Höhe von 53,5 Milliarden Euro, das Griechenland am Mittwoch beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) beantragt hatte.
Athens Vorschläge kommen den Forderungen nahe, die die internationalen Gläubiger vor dem Abbruch der Verhandlungen vergangenen Monat aufgestellt hatten. Doch dieses Angebot ist ausgelaufen. Diplomaten in Brüssel betonten, inzwischen seien zusätzliche Anstrengungen notwendig, unter anderem weil sich die Lage im Land angesichts geschlossener Banken und Kapitalverkehrskontrollen dramatisch verschlechtert habe.
Auch ein Schuldenschnitt, wie von Athen zuletzt gefordert, dürfte unter den Gläubigern nicht mehrheitsfähig sein. Unter anderem hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen "klassischen Haircut" am Donnerstag erneut abgelehnt.
Abstimmung am Nachmittag
Das griechische Parlament stimmt ab 14.00 Uhr darüber ab, ob die Tsipras-Regierung auf Grundlage der neuen Vorschlagsliste mit den Gläubigern neu verhandeln soll. Der Sprecher der Syriza-Parlamentsfraktion, Nikos Filis, äußert sich diesbezüglich zuversichtlich. Allerdings ist die Regierung nach Informationen von ARD-Korrespondent Mike Lingenfelser auf Stimmen der Opposition angewiesen. Bis zu zwölf Syriza-Abgeordnete wollten ihre Zustimmung verweigern.
Die Institutionen prüfen - und schweigen vorerst
Die Vorschläge aus Athen müssen außerdem von Vertretern von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) geprüft und anschließend den Euro-Finanzministern vorgelegt werden, die sich am Samstag treffen. Der Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Martin Selmayer, bestätigte über Twitter den Eingang der Liste: "Nun erhalten. Unterschrieben. Drei Institutionen werden nun prüfen." Auch der Sprecher von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem bestätigte den Eingang der Liste. Dijsselbloem wolle sich bis zur Auswertung nicht weiter zu den Vorschlägen äußern.
Geben die Experten der Institutionen sowie die Euro-Finanzminister grünes Licht, findet am Sonntag ein EU-Gipfel in Brüssel statt, an dem dann alle 28 EU-Staaten teilnehmen. Der Gipfel entscheidet darüber, ob Griechenland neue Kredite bekommt.