Volkswirt zur Bankenkrise "Spanien-Krise dauert noch mindestens fünf Jahre"
Die Banken sind nicht das einzige Problem Spaniens. Parallel zum Finanzsektor, der durch den Euro-Rettungsschirm gestützt wird, müsse das Land den Arbeitsmarkt reformieren, fordert Volkswirt Michael Bräuninger im tagesschau.de-Interview. Spanien werde die Krise frühestens in fünf Jahren überwinden.
tagesschau.de: Aus dem Rettungsschirm sollen spanische Banken bis zu 100 Milliarden Euro bekommen. Reicht das, um der Krise Herr zu werden?
Michael Bräuninger: Wir haben in der Vergangenheit gesehen, wie schwierig die Einschätzung einer solchen Lage ist. Da haben sich viele geirrt. Ich glaube aber, dass dieses Geld erst mal reicht, um die aktuelle Bankenkrise in den Griff zu bekommen. Was die Zahl 100 Milliarden angeht denke ich, dass EZB und IWF hier die Lage geprüft haben. Ich halte ihre Schätzung für das bestmögliche, was momentan möglich ist. Für mich ist es praktisch unmöglich, eine seriöse Schätzung vorzunehmen.
Prof. Dr. Michael Bräuninger ist Forschungsdirektor am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Sein Forschungsbereich umfasst konjunkturelle und langfristige wirtschaftliche Analysen.
tagesschau.de: Warum sind die Reaktionen von Börse und Politik auf den spanischen Hilferuf so positiv?
Bräuninger: Es ging darum, eine Abwärtsspirale zu unterbrechen, durch die die Banken in immer größere Probleme gekommen sind. Offensichtlich gehen die Märkte davon aus, dass das Ganze jetzt wieder in stabilere Bahnen geleitet wird.
tagesschau.de: Eine Arbeitslosigkeit von fast 25 Prozent, dazu ein geringes Wirtschaftswachstum. Die Banken sind nicht das einzige Problem in Spanien...
Bräuninger: Neben der Bankenkrise hat Spanien auch eine Strukturkrise. Die muss parallel gelöst werden. Strukturprobleme lassen sich nicht durch Geldspritzen lösen. Sie müssen durch Reformen und Anpassungsmaßnahmen am Arbeitsmarkt gelöst werden. Da ist Spanien aber auf einem guten Weg.
Schwung für die spanische Wirtschaft
tagesschau.de: Hilft das Geld aus dem Rettungsschirm auch der spanischen Wirtschaft?
Bräuninger: Es besteht Hoffnung, dass durch die neuen Kredite nun wieder mehr Schwung in die spanische Wirtschaft kommt und so langfristig zusätzliche Beschäftigung entsteht. So könnte auch die Wirtschaft von den Hilfen aus dem Rettungsschirm profitieren. Hätte sich die Bankenkrise weiter verschärft, hätte Spanien auch eine Liquiditätskrise bekommen und die Probleme in der Wirtschaft hätten sich nochmal vergrößert.
tagesschau.de: Gibt es Parallelen zu Griechenland, Irland und Portugal, die bisher unter den Rettungsschirm geschlüpft sind?
Bräuninger: Ich glaube, die Probleme in Spanien sind andere. Wir reden hier nicht über eine Überschuldung des Staates, sondern die Konsequenzen aus einer geplatzten Immobilienblase mit verschuldeten Haushalten. Über lange Zeit sind in der Bauwirtschaft massive Investitionen vorgenommen worden, so ist letztlich die Bankenkrise entstanden. Grundsätzlich hat Spanien aber eine Industrie, die durchaus wieder wettbewerbsfähig werden kann.
"Hoheitliche Rechte teilweise abgeben"
tagesschau.de: Wie schätzen Sie die Perspektive für Spanien ein?
Bräuninger: Spanien muss wie die anderen drei Rettungsschirm-Länder einen langen Anpassungsprozess durchmachen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sie in einem Jahr alle Probleme los sein werden. Wir müssen uns darauf einstellen, dass dies mehrere Jahre dauert. Spanien hat aber das Potential, aus dieser Krise herauszuwachsen.
tagesschau.de: Über wie viele Jahre reden wir dabei?
Bräuninger: Mit Sicherheit fünf Jahre. Solange wird es bestimmt dauern, bis die schwerste Krise überstanden ist. Nach drei bis vier Jahren sollten wir eine Trendwende erkennen. Solange wird es aber dauern, bis man eine deutliche Verbesserung sieht.
tagesschau.de: Mit Spanien sind nun vier Länder unter dem Rettungsschirm. Kommt Europa langsam an Grenzen mit der Hilfe?
Bräuninger: Der Rettungsfonds ist groß genug für diese vier Länder und im Augenblick sehe ich auch keine anderen Staaten, die sich unter den Rettungsschirm flüchten müssten. Wenn durch einen Euro-Austritt Griechenlands aber das Vertrauen in die Währung abnimmt, könnte es sein, dass auch Italien Probleme bekommt. Dann würde es sehr schwer, nur mit dem bestehenden Rettungsfonds auszukommen. Dann müssen aus meiner Sicht politische Reaktionen in Richtung einer gemeinsamen Haushaltspolitik erfolgen. Aus meiner Sicht wäre es dann notwendig, dass Länder die auf Hilfen angewiesen sind, Teile ihrer hoheitlichen Rechte abgeben und teilweise einer europäischen Regierung unterordnen müssen.
Die Fragen stellte Florian Pretz, tagesschau.de