EU will Subventionen erst 2018 beenden Längere Galgenfrist für die deutsche Kohleförderung

Stand: 08.12.2010 14:38 Uhr

Der Steinkohlebergbau in Deutschland kann wohl vier Jahre länger vom Staat bezuschusst werden. Die EU-Kommission einigte sich, die Steinkohlesubventionen erst 2018 verbieten zu wollen. Das sagte Wettbewerbskommissar Almunia. Damit kommt die Brüsseler Behörde der Bundesregierung entgegen.

Durchbruch im Streit um deutsche Kohlebeihilfen: Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass Deutschland seine Kohlezechen noch bis 2018 fördern kann. Voraussetzung ist aber, dass Deutschland seine Milliardensubventionen zügiger als geplant reduziert. "Die Beihilfen müssen linear abgebaut werden", sagte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia in Brüssel. Mit dem geänderten Beschluss kommt die Behörde der Bundesregierung entgegen, die in ihrem Kohlekompromiss 2018 als Ausstiegsdatum genannt hatte. Noch im Sommer hatte die EU-Kommission 2014 als Endjahr der Subventionen genannt.

Dem nun diskutierten EU-Vorschlag zufolge müssen die Subventionen zügiger als geplant zurückgefahren werden. In diesem Kompromissvorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft sind vier Schritte vorgesehen: Minus 25 Prozent bis 2013, minus 40 Prozent 2014, minus 60 Prozent 2016 und minus 75 Prozent bis 2017. Im deutschen Ausstiegsgesetz von 2007 war festgeschrieben worden, dass die deutschen Subventionen bis Ende 2017 um 71,5 Prozent schrumpfen sollen.

Dem Vorschlag der Kommission muss der EU-Ministerrat noch zustimmen, der an diesem Freitag tagt. Dort zeichnet sich bereits eine Mehrheit ab. Auch das Europaparlament, das allerdings kein Mitspracherecht hat, sprach sich zuvor für 2018 aus.

Erleichterung und Dank in Berlin

Die Bundesregierung rechne mit einer klaren Mehrheit der 27 EU-Staaten für den nun gefundenen Kohlekompromiss, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Regierung hob die gute Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), den Ländern und der RAG-Kohlestiftung hervor. "Zu guter Letzt schulden wir auch der belgischen EU-Ratspräsidentschaft Dank", sagte Seibert. Belgien hatte hinter den Kulissen den Deutschen maßgeblich geholfen, die nötige Mehrheit für 2018 zu sichern.

Es geht um 25.000 Arbeitsplätze

Wären die Milliardenbeihilfen für den Bergbau tatsächlich 2014 ausgelaufen, hätte Tausenden die Arbeitslosigkeit gedroht. Bundesweit arbeiten noch rund 25.000 Bergleute in fünf Zechen. Drei der Bergwerke, die auf Beihilfen angewiesen sind, liegen im Ruhrgebiet, eines bei Osnabrück, eines an der Saar. Bis Ende 2012 sollen zwei weitere Bergwerke schließen, bis 2018 die letzten drei.

Im vergangenen Jahr subventionierte Deutschland die Kohleförderung hierzulande mit 1,9 Milliarden Euro. Mehr als 40 Prozent des deutschen Stroms kommt aus Kohle, etwa die Hälfte davon aus Steinkohle.

Stichwort

In Europa ist die Förderung von Steinkohle in den letzten dreißig Jahren stark rückläufig. War der europäische Anteil an der Weltförderquote in den 70er-Jahren noch zweistellig, sank er 2008 auf 2,5 Prozent. Mehr als die Hälfte der in Europa benötigten Kohle wird derzeit importiert - vor allem aus Russland, Kolumbien, Südafrika und den USA. Der größte europäische Steinkohleförderer ist Polen. Von hier stammt mehr als die Hälfte der Steinkohle, die in Europa abgebaut wird. Danach folgen Deutschland, Großbritannien, die Tschechische Republik und Spanien als Förderländer.

Steinkohle wird in Europa vor allem zur Erzeugung von Strom verwandt. Über 40 Prozent des deutschen Stroms stammen aus diesem Energieträger. In anderen EU-Ländern ist der Kohleanteil an der Stromerzeugung deutlich niedriger. In Spanien beispielsweise liegt er bei 25 Prozent.

Katrin Brand, K. Brand, WDR Brüssel, 08.12.2010 14:29 Uhr

Kritik von Greenpeace

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die EU-Entscheidung. Nach ihren Berechnungen hat die Bundesregierung 2008 jeden Job in den unprofitablen Zechen mit 235.000 Euro subventioniert. "Warum unterstützt Deutschland diese alte Industrie, wenn man viel mehr Arbeitsplätze in sauberen erneuerbaren Industrien schaffen könnte?", sagte Greenpeace-Energieexpertin Frauke Thies der Nachrichtenagentur dpa in Brüssel.

Freude bei der Gewerkschaft

Die IG BCE bezeichnete dagegen den Kohlebeschluss der EU-Kommission als Durchbruch für die Bergleute. "Jetzt sind wir fast am Ziel", sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis. "Nun sind alle Voraussetzungen geschaffen, dass es auch in Zukunft keine Entlassungen in unserem Steinkohlenbergbau geben wird", sagte Vassiliadis. Mit dem neuen Vorschlag sei es möglich, die Sozialverträglichkeit bei einer schrittweisen Reduzierung der Beihilfen zu gewährleisten.