Studie zu Gerechtigkeit in der EU Der Nachwuchs verliert den Anschluss
Die wirtschaftliche Lage in Europa erholt sich, die junge Generation aber profitiert nach einer Studie davon nicht. Die wirtschaftliche Kluft zwischen Alt und Jung wird immer größer - auch in Deutschland, obwohl die Ausgangslage hier im EU-Vergleich besser ist.
26 Millionen Kinder und Jugendliche sind nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung in der Europäischen Union besonders von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Sie sind die großen Verlierer der europäischen Wirtschafts- und Schuldenkrisen der vergangenen Jahre. Mehr als ein Viertel aller unter 18-Jährigen ist betroffen, weit über fünf Millionen der Jungen haben sogar nur geringe Zukunftsperspektiven, da sie weder Ausbildungsplatz noch Arbeit finden.
Die Studie zur sozialen Gerechtigkeit (Social Justice Index) der Bertelsmann Stiftung beleuchtet zum zweiten Mal nach 2014 die Entwicklung in allen 28 EU-Staaten anhand von 35 Kriterien. Dabei werden sechs verschiedene Bereiche betrachtet: Armut, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Generationengerechtigkeit sowie gesellschaftlicher Zusammenhalt und Nicht-Diskriminierung.
Weiterhin deutliches Nord-Süd-Gefälle
Neben einer wachsenden wirtschaftlichen Kluft zwischen Alt und Jung gibt es in der EU danach auch weiterhin ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. So ist Schweden auch in diesem Jahr Spitzenreiter, Griechenland beispielsweise fällt gegenüber dem Vorjahr weiter zurück.
"Wir können uns eine verlorene Generation in Europa weder sozial noch ökonomisch leisten. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen besondere Anstrengungen unternehmen, um die Chancen junger Menschen nachhaltig zu verbessern", sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, zum Ergebnis der Studie. Daniel Schraad-Tischer, Experte der Bertelsmann-Stiftung, mahnt bei den Staaten im Süden Europas mit hoher Jugendarbeitslosigkeit weitere Strukturreformen an. "Dort kommen viele Hochqualifizierte nicht auf dem Arbeitsmarkt an. Der Übergang von der Bildung in den Job funktioniert nicht", sagte er.
Trotz Vollzeitjob von Armut bedroht
Deutschland belegt wie bereits bei der ersten Studie trotz großer volkswirtschaftlicher Kraft nur den siebten Platz. Für Deutschland spricht die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit (7,7 Prozent) im EU-Vergleich und hinter Schweden der zweithöchsten Beschäftigungsquote von 73,8 Prozent. Die Forscher bemängeln allerdings einen zu großen Anteil von atypischen Beschäftigten in Deutschland: Er liegt nach der Studie bei 40 Prozent. Diese Menschen sind trotz Vollzeitjob von Armut bedroht - wegen befristeten Verträgen und niedrigen Lohns.
Bei der Generationengerechtigkeit hat sich die Bundesrepublik im Vergleich zu 2014 von Rang 10 auf 15 verschlechtert. So müssen bei den unter 18-Jährigen etwa 5 Prozent mit schweren materiellen Entbehrungen leben. Bei den über 65 Jahren alten Bundesbürgern sind es nur 3,2 Prozent. Auch beim Bildungszugang beklagt die Bertelsmann-Stiftung in Deutschland einen zu starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg.