Millionengeschäft mit Nike Was der DFB-Ausrüsterwechsel für Adidas bedeutet
Statt drei Streifen trägt die deutsche Nationalmannschaft künftig den "Swoosh" des US-Herstellers Nike auf der Brust. Kurzfristig hat das wohl wenig Folgen für Adidas - langfristig könnte es dem Konzern schaden.
Mit dem Ausrüsterwechsel beim Deutschen Fußball Bund (DFB) endet eine mehr als 70-jährige Partnerschaft mit Adidas. Ab 2027 wird Konkurrent Nike alle deutschen Nationalteams ausstatten. Die Zusammenarbeit mit dem US-Sportartikelhersteller ist zunächst bis 2034 angelegt. Was bedeutet das Ende der Kooperation nun für Adidas?
DFB nennt finanzielle Gründe
Ausrüsterwechsel sind in der Sportwelt an der Tagesordnung - zumal dann, wenn sie hin zum Branchenprimus Nike erfolgen. Doch die Allianz zwischen Adidas und dem DFB ist etwas Besonderes. Bei allen vier WM-Titeln und den drei EM-Titeln der Männer war Adidas Ausrüster. Die Frauen trugen bei ihren beiden WM-Titeln und den acht EM-Trophäen drei Streifen.
Der DFB hatte gestern betont, dass finanzielle Gründe ausschlaggebend für den Abschied gewesen seien. Der langjährige Partner, der noch bis Ende 2026 alle Nationalmannschaften ausrüstet, soll bislang rund 50 Millionen Euro jährlich an den DFB für das Sponsoring überweisen. Nach Angaben des "Handelsblatts" legt Nike künftig mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr auf den Tisch - das wäre also doppelt so viel wie Adidas.
Der klamme DFB sprach lediglich vom "mit Abstand besten wirtschaftlichen Angebot". Wegen der schwachen sportlichen Ergebnisse der Nationalmannschaft kassierte der Verband bei den vergangenen großen Turnieren insgesamt nur 27 Millionen Euro an Prämien - das ist weniger als die Hälfte der Einnahmen aus den drei großen WM- und EM-Turnieren zwischen 2010 und 2014.
Der Zeitpunkt provoziert
Adidas wurde nach eigener Darstellung überrumpelt von der Entscheidung und erst informiert, als der Deal schon unterschrieben war. Dass Nike jetzt - kurz vor Beginn der Fußball-EM in Deutschland - einen solchen Coup landet, stößt in Herzogenaurach sauer auf.
Erst am 12. März hatte Adidas-Konzernchef Björn Gulden noch stolz die bis dato geheim gehaltenen neuen Turnier-Trikots der deutschen Fußballer gezeigt, tags darauf wurden sie offiziell präsentiert. Wiederum nur ein paar Tage später reiste schließlich Nike-Chef John Donahoe nach Deutschland, um den offenbar längst ausgehandelten Deal zu unterschreiben.
Das wirft etwa im Netz Fragen in Sachen Timing und Stil auf. Und auch in der Politik und an den Finanzmärkten ist die Entrüstung groß - zum Teil jedenfalls.
Nike im Fußball zuletzt eher weniger aktiv
Kapitalmarktstratege und Ex-Fußballprofi Jürgen Molnar sagt, er sei mit Adidas groß geworden und habe die Nachricht einerseits mit einem weinenden Auge vernommen. Andererseits müsse auch beim DFB Geld verdient werden, betont er gegenüber der ARD-Finanzredaktion. "Nike hat Puma und Adidas meilenweit abgehängt. Die sind vom Umsatz her doppelt so groß und können es sich einfach erlauben."
Nike macht jährlich umgerechnet 47 Milliarden Euro Umsatz, doppelt so viel wie Adidas. Puma folgt mit 8,5 Milliarden Euro abgeschlagen auf Rang drei. Im Fußballgeschäft ist Adidas jedoch Weltmarktführer. Die Franken rüsten etwa die für den riesigen nordamerikanischen Markt wichtige Nationalmannschaft Mexikos aus und alle 30 Teams der stark wachsenden Major League Soccer (MLS), darunter auch Inter Miami mit Lionel Messi.
Dahinter folgt dann Nike. Der Konzern hatte sich zuletzt auf dem Fußballmarkt eher defensiv verhalten - Borussia Dortmund wechselte genauso wie Manchester City zu Puma, auch der FC Barcelona ging den Amerikanern von der Fahne, RB Leipzig ebenso.
Adidas profitiert von anstehenden Turnieren
Wirtschaftlich hat der Wechsel zunächst einmal kaum Bedeutung für Adidas. Der deutsche Markt ist für das Unternehmen, gemessen an den Einnahmen, nicht von herausragendem Rang. Deutlich über 90 Prozent der Umsätze werden nach Adidas-Angaben im Ausland erzielt. Und die DFB-Trikots mit den drei Streifen - zum Preis von teils über 100 Euro pro Stück derzeit ein Verkaufsschlager - werden noch bis Ende 2026 produziert und verkauft.
Während der Europameisterschaft, den Olympischen Spielen, an denen die DFB-Frauen teilnehmen, und der nächsten Fußball-WM in den USA, Mexiko und Kanada kann der Konzern noch auf auf die Einnahmen setzen. "Durch Wettbewerbe wie die Fußball-EM erwartet Adidas ungefähr 400 Millionen Umsatz", so der Aktienanalyst Christian Salis, der bei Hauck Aufhäuser Investment Banking unter anderem die Entwicklung von Adidas beobachtet.
Direkte Refinanzierung der Sponsoring-Gelder gibt es ohnehin nicht. Der Trikotverkauf spielt nur einen Teil der Ausgaben von jährlich 50 Millionen Euro - übrigens der bis dato teuerste Ausrüstervertrag für einen Sportverband weltweit - wieder rein.
Leidet die Marke?
Längerfristig ist für den deutschen Konzern Adidas die Nachricht, mit der eigenen Nationalmannschaft ein wichtiges Aushängeschilder zu verlieren, ein Schlag ins Kontor. Denn ein großes Sponsoring zahle sich gleich in mehrfacher Hinsicht aus, sagt Salis.
Neben den Einnahmen über Trikotverkäufe habe es Signalwirkung für die Markenbildung und Sichtbarkeit. "Auch für andere Produkte im Lifestyle-Bereich, wie beispielsweise die Sneaker. Da ist die Frage, wie Adidas das in Zukunft ersetzen möchte", so der Experte.
Nike will Fußballer zu "globalen Helden" machen
Am Aktienmarkt gab es zunächst keine starken Bewegungen nach der Nachricht. Analyst Salis erklärt das so: "Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens ist es noch eine Weile hin. Bis 2027 ist Adidas noch der Ausrüster." Zweitens seien die Investoren gerade grundsätzlich sehr positiv gestimmt, was Adidas und die Aktie angeht. "Was daran liegt, dass viele ein sehr großes Vertrauen in den CEO Gulden haben."
Gulden dürfte es nach der angekündigten Trennung vom DFB aber nun zusätzlich schwer haben, den Konzern aus der Krise zu holen. Das Unternehmen, das er vor gut einem Jahr übernommen hat, ist wegen des schwächelnden China-Geschäfts und vor allem durch Experimente im Lifestyle-Bereich in Schieflage geraten. 2023 stand unter dem Strich erstmals seit über 30 Jahren sogar ein kleiner Verlust. Gulden will bei Adidas nach den Erfahrungen mit den Produkten des Rappers Kanye West wieder mehr Sport - und vor allem Fußball.
Auch Nike musste zuletzt herbe Einbußen an der Börse verkraften - und konnte nur eine durchwachsene Prognose für das laufende Jahr vorstellen. Der wirtschaftlich unter Druck stehende Konzernchef Donahoe will jetzt die deutschen Fußballer angeblich zu "globalen Helden" machen - und damit auch die Investoren wieder überzeugen.
Mit Informationen von Bianca von der Au, ARD-Finanzredaktion.