Immobilienkonzern im Umbruch Hat Adler seine Anleger getäuscht?
Hat der Wohnungskonzern Adler seine Bilanz aufgebläht und damit seine Aktionäre getäuscht? Über diesen Vorwurf eines Investors ist ein heftiger Streit zwischen ihm und dem Unternehmen entbrannt. Der Ausgang ist offen.
Für die Aktionäre des erst im vergangenen Jahr durch Zusammenschlüsse und Übernahmen entstandenen Wohnungsunternehmens Adler Group kommt es knüppeldick. Nachdem die Papiere in den vergangenen drei Jahren bereits über die Hälfte ihres Wertes eingebüßt hatten, haben nun die Vorwürfe eines britischen Investors für einen zusätzlichen Kurssturz um ein Drittel gesorgt. Der Investor Fraser Perring beschuldigt den Immobilienkonzern des Betrugs, der Manipulation und Täuschung seiner Geldgeber - und hat gleichzeitig auf den Fall der Aktie gewettet.
An den Aktienmärkten ist Fraser Perring kein Unbekannter. Der Leerverkäufer war einer der Ersten, der bereits 2016 Zweifel am Geschäftsmodell von Wirecard geäußert hatte und dem einstigen Zahlungsdienstleister betrügerische Machenschaften und Bilanzfälschung vorwarf.
Im aktuellen Fall beschuldigt Perrings Firma Viceroy Research die Adler Group unter anderem, die Bilanz künstlich aufgeblasen zu haben. Zugleich kritisiert Perring stillstehende Baustellen wie den Steglitzer Kreisel, ein 120 Meter hohes ehemaliges Bürogebäude, das zu einem Wohnturm umgebaut werden sollte, aber seit Jahren unfertig als entkerntes Betongerippe in den Himmel über Berlin ragt. Außerdem ziehe das Management Geld aus übernommenen Firmen ab.
Als Profiteure dieser Machenschaften hat Perring eine Gruppe aus Gesellschaftern und Managern bei Adler und im Umfeld des Konzerns ausgemacht. Diese gehörten zu einem Netzwerk um den Unternehmer Cevdet Caner, der den Immobilienkonzern angeblich aus dem Hintergrund wie ein Schatten-CEO kontrolliere. Perring wirft dem Kreis aus "Friends & Family" verdeckte Insidergeschäfte vor - auf Kosten der Aktionäre und Anleihegläubiger.
Anschuldigungen zurückgewiesen
Adler wies die Anschuldigungen "auf das Schärfste" zurück und sprach von Unterstellungen. Dass Adler in ihren Bilanzen angesetzte Immobilienwerte überhöht habe, "ist nachweislich falsch", so das Unternehmen. Die angesetzten Immobilienwerte seien von unabhängigen Experten ermittelt und von finanzierenden Banken überprüft worden. Anders als von dem Investor dargestellt, habe Adler in den vergangenen zwölf Monaten mehrere Immobilien an Großinvestoren verkauft, und zwar zu einem über dem von Adler ausgewiesenen Bilanzwert. Auch sei Adler, wie bereits mitgeteilt, von mehreren Interessenten angesprochen worden, die einen Großteil seiner 70.000 Wohnungen erwerben möchten. Die Anfragen würden derzeit geprüft.
Der Anwalt des Unternehmers Caner wies die Vorwürfe auf Nachfrage vollumfänglich zurück. "Herr Caner kontrolliert nicht die Adler und agiert auch nicht als Strippenzieher im Hintergrund", teilte der Anwalt mit. Es existiere auch kein System, das unter Einbindung von Familienmitgliedern darauf angelegt sei, besser kapitalisierte Unternehmen zu übernehmen oder sich an diesen zu beteiligen, um sie mit Schulden zu belasten. "Die Adler Group SE werde allein durch ihre unabhängigen Organe geführt und kontrolliert", so der Jurist.
Adler ist hoch verschuldet
Fakt ist, dass die im vergangenen Jahr aus dem Zusammenschluss von ADO Properties, Adler Real Estate und Consus Real Estate hervorgegangene Adler Group hoch verschuldet ist. Dadurch ist die für den Schuldenstand von Immobilienkonzernen wichtige Beleihungsquote LTV im ersten Halbjahr auf 54,7 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Beim größeren Konkurrenten Vonovia lag sie zum gleichen Zeitpunkt bei 40,5 Prozent. Priorität habe deshalb die Entschuldung, verkündeten bereits am Montag die beiden Vorstandschefs Maximilian Rienecker und Thierry Beaudemoulin im Gespräch mit der Agentur Reuters.
Ein Verkauf könne Zehntausende der rund 70.000 Wohnungen umfassen: "Wenn wir 50.000 Einheiten zu einem attraktiven Premium verkaufen, schaffen wir Werte, um uns signifikant zu entschulden", sagte Rienecker: "Das gilt aber auch für 40.000 oder 60.000 Einheiten." Auch eine Trennung von der Tochter Westgrund mit ihren rund 17.000 Einheiten steht im Raum. Das Unternehmen hatte mitgeteilt, "eine grundlegende Überprüfung seiner strategischen Handlungsmöglichkeiten einzuleiten".
Marktbeobachter bleiben skeptisch
Wie deutlich die Verschuldung sinke, werde davon abhängen, wie viele Wohnungen verkauft würden. Ziel sei es, "den LTV schnell und signifikant unter 50 Prozent zu drücken", so Rienecker. Die Adler Group werde "durch eine signifikante Entschuldung mit dem verbliebenen Portfolio gut aufgestellt sein", kündigte er an.
Marktbeobachter bleiben dennoch skeptisch. Analyst Sander Bunck von der britischen Investmentbank Barclays sieht auch nach dem Kursrutsch infolge der Vorwürfe durch Fraser Perring "erhebliche Risiken". Er sorgt sich insbesondere um die Verschuldungslage und Liquidität des Unternehmens. Auch dass die Finanzaufsicht BaFin sich eingeschaltet habe, sei nicht positiv zu werten. Für die Aktie sei vorerst noch kein Boden in Sicht, auch wenn das im SDAX notierte Papier heute wieder zulegen kann.
Kritiker monieren zudem die undurchsichtige Eigentümerstruktur des Unternehmens, sprechen von einem komplexen Geflecht aus Firmen und Ankeraktionären in Luxemburg, Israel und Deutschland. Auch sind die Vorgängerfirmen Adler Real Estate und Consus Real Estate noch immer börsennotiert. Aufschluss über die tatsächliche Lage von Adler Group könnte eine ausführliche Stellungnahme bringen, die das Unternehmen für die nächsten Tage versprochen hat.