Immer mehr Schließungen Apotheken in Personalnot
Bundesweit suchen Apotheken nach Mitarbeitenden und finden häufig keine. Auch deshalb müssen immer wieder Apotheken schließen. Für die Personalnot gibt es viele Gründe.
Mehr Aufgaben, kaum Personal: So lässt sich die Situation von Apothekerin Sigrid Klein, Inhaberin der Löwen-Apotheke in Gersheim, zusammenfassen. Zwei angestellte Apotheker hat sie binnen eines halben Jahres verloren. "55-Stunden-Wochen sind nun die Regel, manchmal sogar mehr", erzählt Klein. Seit einem Jahr sucht sie nach neuen Mitarbeitern - erfolglos. Das hat Folgen. Früher hat sie auch selbst ausgebildet - das geht heute nicht mehr. Ihr fehlen schlichtweg die Kapazitäten. Auch Zusatzleistungen wie Grippeimpfungen bietet sie nicht mehr an.
Bundesweit suchen Apotheken nach Mitarbeitern
Die Löwen-Apotheke ist damit nicht allein. Die Stellenangebote auf der Seite der saarländischen Apothekerkammer sind zahlreich. 50 Apotheken mussten landesweit in den vergangenen zehn Jahren schließen.
Dieser Trend ist nicht nur im Saarland zu beobachten, sondern auch bundesweit. Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) liegt die Apothekendichte hierzulande nur noch bei 22 Apotheken pro 100.000 Einwohner - und damit unter dem Durchschnittswert der Europäischen Union mit 32. Die Zahl der Apotheken sei auf einen neuen Tiefstand von 18.461 gesunken. Ein grundsätzliches Apothekensterben sieht Jürgen Wasem, Professor für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen, aber nicht. Auch die Medikamentenversorgung sei weiter sichergestellt.
Nachwuchsmangel als Herausforderung
Die Gründe für die rückläufige Zahl der Apotheken und die Personalnot liegen zum einen am Nachwuchsmangel. Ausbildungsplätze für die Pharmazeutisch-Technischen Assistenten (PTA) sind begrenzt und rar gesät. So gibt es im Saarland nur eine Schule, selbst in Nordrhein-Westfalen sind es nur sechs. Gerade bei den Rahmenbedingungen für PTA sieht Wasem Verbesserungsbedarf: "Eine PTA muss besser bezahlt werden. Auch die Ausbildung, die bisher noch unbezahlt ist, sollte vergütet werden. Das wäre eine Aufgabe für den Gesetzgeber."
Auch die Studienplätze seien knapp, sagt die ABDA. Auf einen Platz kämen zwei Bewerber. Auch deshalb fordert die Präsidentin Gabriele Regina Overwiening mehr Studienplätze und Standorte in Deutschland. Außerdem stünden den Absolventen und Absolventinnen viele Türen offen: Neben öffentlichen Apotheken gibt es auch Stellen in Krankenhäusern oder der Industrie.
Apotheken beklagen Überregulierung
Außerdem beklagen die Apotheken eine zunehmende Bürokratisierung. Apothekerin Klein hat inzwischen einen ganzen Raum voll mit dicken Ordnern. "Ja, die Regulierung hat zugenommen", bestätigt Experte Wasem. "Zu viel ist es bei der Retaxierung von Rezepten durch Krankenkassen. Wenn Sie beispielsweise den Vornamen des verordnenden Arztes eines Rezeptes falsch schreiben, ist das für Krankenkassen schon ein Grund für eine Retaxierung." Das bedeutet, dass dann Krankenkassen der Apotheke die Erstattung eines Arzneimittels verweigern.
Konkurrenz durch Online-Apotheken
Nachwuchsmangel, zunehmende Bürokratie - und dazu die Konkurrenz durch Online-Apotheken. Klein muss sich mit Problemen herumschlagen, die Online-Apotheken nicht haben - etwa bei Blutdruckmessgeräten. "Nach zwei Jahren gibt die mir der Kunde zurück, weil wir überprüfen müssen, ob das Gerät noch richtig misst." Oder bei Pflegehilfsmitteln. Die stellt die Apothekerin individuell zusammen. Der Internetversandhandel dagegen habe sein festes Paket. Für Klein ist das teurer und aufwändiger, sie macht weniger Gewinn.
Wasem sieht dagegen genau darin den Vorteil von Vor-Ort-Apotheken: Sie könnten sich auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden einstellen.
Rückhalt durch die Politik
Mit dem 2020 verabschiedeten "Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz" wollte der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Apotheken entlasten. Danach bekommen sie mehr Geld für Dienstleistungen. "Am Ende kann die Politik hier aber nur bedingt eingreifen. Wenn die Apotheke sich in Zukunft durchsetzen will, muss sie im Angebot und in der Beratung profilierter werden", erklärt Wasem.
Auch für die tägliche Arbeit von Apothekerin Klein habe das Gesetz keine große Auswirkung gehabt. Mehr Mitarbeiter und weniger Bürokratie - das würde sie sich wünschen. Die Löwen-Apotheke in Gersheim ist wichtig für ihre Kunden auf dem Land, und das bedeutet Klein viel. Trotz der schwierigen Umstände hat sie deshalb nie ans Aufhören gedacht.