Das Werk der Firma Aurubis in Hamburg.
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Hundert-Millionen-Schaden bei Aurubis Hatten es Kriminelle auf Gold abgesehen?

Stand: 01.09.2023 14:36 Uhr

Aurubis ist erneut Opfer von Kriminellen geworden. Diese sollen den Kupferkonzern auch um Edelmetalle wie Gold betrogen haben. Der Schaden liegt bei mehr als hundert Millionen Euro. Das sind die Hintergründe.

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Europas größte Kupferhütte Aurubis ist Kriminellen zum Opfer gefallen - schon wieder. Dabei ist das ganze Ausmaß des Schadens noch gar nicht bekannt. Nur so viel ließen die Hamburger verlauten: Das Unternehmen habe starke Indizien für einen Fehlbestand an Metallen. Derzeit könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Schaden im "niedrigen dreistelligen" Millionenbereich entstanden sei.

Einer der größten Goldproduzenten Europas

Doch dabei geht es offenbar nicht nur um Kupfer. "Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass auch Edelmetalle Teil des Betruges sind", erklärt Christoph Tesch, Leiter der Konzernkommunikation bei Aurubis, gegenüber tagesschau.de. Darauf weise allein schon die vermutete Höhe des Schadens hin: "Nur mit Kupfer wäre es schwer, auf einen solchen Betrag zu kommen", so Tesch.

Was viele nicht wissen: Bei der Kupferproduktion fallen Edelmetalle als Nebenprodukt an, Aurubis ist zudem im Recyclinggeschäft aktiv. Der Hamburger Konzern produziert also nicht nur Kupfer, sondern zahlreiche weitere Industriemetalle wie Zinn und Blei, aber auch Edelmetalle wie Gold und Silber. Mit 50 Tonnen Gold pro Jahr ist Aurubis nach eigenen Angaben sogar einer der größten Goldproduzenten Europas.

Aurubis-Sprecher: "Das Metall war nie da"

"Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass hier Diebe die Metalle vom Werksgelände getragen haben", betont Tesch im Gespräch mit tagesschau.de. "Das Metall wurde nicht aus dem Werk rausgetragen - es war nie da. Wir reden hier also von Betrug." Man habe einen Lieferanten bezahlt für Material, das nie im Hamburger Werk angekommen sei.

In der Praxis sieht das ganze Prozedere nämlich üblicherweise so aus: Aurubis zieht sich Proben von den vom Lieferanten angelieferten Materialien, untersucht diese und löst dann eine Zahlung an den Lieferanten aus - auf Basis des Metallgehalts, der in der Probe bestimmt wird. Dabei liegen im Produktionsprozess zwischen Probennahme und Ausbringung von Kupfer vier Wochen; bei Edelmetallen können es bis zu acht Wochen sein.

Zwei Fälle binnen weniger Monate

Aufgefallen war der Betrug bei der Überprüfung des Metallbestands, hierbei wurden "erhebliche Abweichungen vom Soll-Bestand sowie bei Sonderproben bestimmter Lieferungen von Einsatzmaterialien im Recyclingbereich Abweichungen festgestellt", wie es in der Börsenpflichtmitteilung heißt. Das Unternehmen gehe davon aus, erneut Gegenstand krimineller Handlungen geworden zu sein. Man habe das Landeskriminalamt eingeschaltet.

Erst im Juni war bekannt geworden, dass eine Diebesbande bei Aurubis über Jahre mehrere Tonnen edelmetallhaltige Nebenprodukte der Kupferproduktion vom Firmengelände gestohlen hat. Die Staatsanwaltschaft hatte damals Arbeitsplätze von Mitarbeitern sowie Fremdfirmen am Standort Hamburg durchsucht, konnte Vermögensgegenstände aus möglichen Straftaten im Wert von mehr als 20 Millionen Euro beschlagnahmen.

Gibt es eine Verbindung zwischen den Tätern damals und heute? "Es ist Teil der laufenden Untersuchung, ob die beiden Fälle zusammenhängen", erklärt Aurubis-Pressesprecher Tesch.

Aurubis-Aktie bricht zweistellig ein

Um das ganze Ausmaß des Schadens zu ermitteln, hat Aurubis nun eine außerordentliche Inventur der Metallbestände gestartet. Das Ergebnis soll bis Monatsende vorliegen. Eines ist aber jetzt schon klar: Aurubis wird sein Ziel eines operativen Vorsteuerergebnisses von 450 bis 500 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr 2022/2023 nicht halten können. Der Konzern hat seine Prognose einkassiert - und bringt damit auch den Stahlkonzern Salzgitter in Bedrängnis.

Denn die Salzgitter AG ist mit 30 Prozent an Aurubis beteiligt. Das SDAX-Unternehmen ist vor diesem Hintergrund ebenfalls gezwungen, seine Prognose zu streichen. Die Reaktion der Börse auf die neuen Entwicklungen bei Aurubis und Salzgitter fällt ebenso prompt wie heftig aus. Die im MDAX notierte Aurubis-Aktie bricht bis zu 18,3 Prozent auf 62,50 Euro ein - den tiefsten Stand seit vergangenem November.

Die Salzgitter-Aktie büßt bis zu 7,3 Prozent ein, kann ihre Verluste aber im Handelsverlauf begrenzen. Von den Schäden bei Aurubis gingen aber in jedem Fall auch Risiken für Salzgitter aus, warnt Analyst Moses Ola von der Bank JPMorgan.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 01. September 2023 um 12:00 Uhr.