Berufsausbildung Deutschland gehen die Azubis aus
Mehr als ein Drittel aller Betriebe konnte laut DIHK im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen - so viel wie noch nie. Der Bewerbermangel ist auch eine Folge von Corona.
Die Suche nach geeigneten Auszubildenden gestaltet sich für deutsche Unternehmen offenbar so schwierig wie noch nie. Im vergangenen Jahr wuchs der Anteil der Firmen, die nicht alle offenen Lehrstellen besetzen konnten, auf 42 Prozent, wie eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages unter rund 15.000 Unternehmen zeigt.
Beim Azubi-Mangel gebe es "ein Allzeithoch", kommentierte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. "Nie war es schwieriger für die Betriebe, Azubis zu finden." Dies zeige, wie sehr die Corona-Pandemie die Lage am Ausbildungsmarkt nochmals verschärft habe.
Für Dienstleister läuft es besser
Zum Vergleich: Im Jahr 2018 hatte der Anteil der Firmen noch bei 32 Prozent gelegen. Die Industrie verzeichnete ohne die Bauindustrie einen besonders starken Zuwachs der Leerstellen von 33 auf 50 Prozent. Aber auch im Gastgewerbe (56 auf 67 Prozent) sowie in Transport und Logistik (40 auf 54 Prozent) bleiben immer mehr Lehrstellen frei. Lediglich bei den unternehmensorientierten Dienstleistungen ist die Lage im Vergleich zu 2018 zumindest unverändert geblieben (jeweils 26 Prozent). "Der Bedarf an beruflich Qualifizierten ist inzwischen höher als bei den Akademikern", sagte der DIHK-Experte.
Der Grund für die unbesetzten Ausbildungsplätze sei vor allem, dass es immer häufiger gar keine Bewerbungen gibt. Das galt im vergangenen Jahr für 36 Prozent der Fälle, 2018 waren es 30 Prozent.
Folgen werden für Unternehmen zum Problem
Dass sich die Schere zwischen Ausbildungsangeboten und nachfragenden Jugendlichen noch weiter geöffnet hat, führt Dercks aber auch auf die Corona-bedingten Einschränkungen zurück: Denn dadurch seien Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsplatzsuche deutlich schwerer geworden. Die Berufsberater der Arbeitsagenturen kamen nicht mehr in die Schulen, Ausbildungsmessen und Betriebspraktika mussten komplett abgesagt werden. "Das hat bei vielen Jugendlichen die Orientierungslosigkeit verstärkt", sagte Dercks.
Den Unternehmen sei der hohe Stellenwert der Berufsorientierung bewusst. Sie und die Kammern hätten bereits während der Pandemie neue digitale Formate entwickelt, um die fehlenden Angebote von Schulen und Arbeitsagenturen bestmöglich abzufedern.
Die Folgen des Azubimangels seien für viele Unternehmen schwerwiegend: Öffnungszeiten müssten reduziert, Aufträge abgelehnt und Leistungen ausgelagert werden. Es werde versucht, dem Nachwuchsmangel mit einer zunehmenden Digitalisierung Herr zu werden. Zudem spricht sich der DIHK angesichts der schwierigen Lage für eine leichtere Zuwanderung ein.
Genug Nachwuchs für die Deutsche Bahn
Ein Unternehmen kann aber nicht über zu wenig Azubis klagen: Die Deutschen Bahn. So viele junge Menschen wie nie haben sich dort für das neue Ausbildungsjahr ab 1. September beworben. 115.000 Bewerbungen seien eingegangen und damit 15 Prozent mehr als vor zwei Jahren, sagte DB-Personalchef Martin Seiler: "Insgesamt 5200 Nachwuchskräfte sollen in diesem Jahr im DB-Konzern mit ihrer Ausbildung, ihrem Studium oder einer Qualifizierung beginnen. Das ist ein Rekord."
Seiler sagte, verantwortlich für die gute Bilanz bei den Bewerbungen seien das "positive Arbeitgeberimage" der Bahn und eine "innovative und kreative Personalgewinnung". Die DB habe etwa bereits 2018 Anschreiben für Ausbildungsplätze abgeschafft, um die Bewerbung einfacher zu machen. Die Bahn bietet rund 50 Ausbildungsberufe und 25 duale Studiengänge an.