BASF und die Zukunft der Chemieindustrie Chemieriese zwischen Profit und Moral
Der weltgrößte Chemiekonzern BASF steht unter Druck. Umsatz und Gewinn brachen zuletzt ein, am Hauptsitz Ludwigshafen werden ganze Anlagen geschlossen. Gleichzeitig investiert das Unternehmen Milliarden in China.
"Man kann sich nicht vorstellen, dass dieses Werk sich plötzlich teilweise zurückbaut, teilweise schließt, anstatt zu expandieren. Es hat immer expandiert", sagt Fritz Hofmann, ehemaliger BASF-Betriebsrat in Ludwigshafen. Für viele Kollegen sei das ein Schock. Hofmann weiß, was für die Belegschaft auf dem Spiel steht. Mehr als 30 Jahre hat er im Stammwerk in Ludwigshafen gearbeitet. Zum Jahreswechsel waren dort etwa 38.700 Menschen beschäftigt - 430 weniger als im Jahr zuvor.
Viele Beschäftigte verunsichert der harte Sparkurs des Konzerns, sie bangen um ihre Jobs: "Man hat natürlich schon das Gefühl, dass alles nach China kommen soll oder kommen wird, und dass hier immer mehr vielleicht abgebaut wird", erzählt ein BASF-Beschäftigter, der sich fragt, wie es mit seinem Arbeitsplatz künftig weitergehen soll.
Die BASF erklärt schriftlich, dass man "weiter in Erhalt, Modernisierung und Ausbau des Standorts Ludwigshafen investieren" wolle. Doch zunächst werden elf Produktionsanlagen geschlossen, darunter auch eine recht neue sogenannte TDI-Anlage für die Herstellung von Schaumstoffen. Der Verlust: rund eine Milliarde Euro. Die Anlagen am Heimatstandort seien nicht mehr profitabel, so BASF. Man gehe aber davon aus, den Großteil der betroffenen Mitarbeiter auf andere Stellen in Produktion und Technik vermitteln zu können.
Anfang vom Ende der deutschen Chemieindustrie?
Der Chemiekonzern hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr überall Gewinn gemacht, nur nicht in Deutschland. Zu hohe Energiekosten, zu viel Bürokratie und Überregulierung, klagt der Vorstand. Dies sei mitverantwortlich dafür, dass der Standort Deutschland immer unattraktiver werde. Die Folge: BASF spart und baut hierzulande Arbeitsplätze ab. Gleichzeitig investiert das Unternehmen massiv in China - ein Land, das droht, in Taiwan einzumarschieren.
Allein in den Bau eins neuen Mega-Werks im Süden von China fließen zehn Milliarden Euro. In Zhanjiang entsteht auf einer vor der Küste liegenden Insel eine Fabrik für chemische Grundstoffe, die später in Hunderten Konsumgütern landen werden. 2030 soll das Riesenwerk fertig sein. Viele in der Region erhoffen sich dadurch Chancen, die Arbeitslosigkeit in China ist unter jungen Leuten groß.
Umweltschutz versus Wirtschaftsinteressen
Schon jetzt qualmen neben der BASF-Baustelle zahlreiche Schornsteine von Fabriken. Die Luft ist ein einziger Smog, doch über Umweltverschmutzung traut sich kaum jemand offen zu sprechen. Vor Jahren gab es in China immer wieder heftige Proteste gegen die Ansiedlung von Chemiefabriken - meist vergeblich. Heute sind die Proteste weitgehend verstummt. Wirtschaftswachstum geht vor Umweltschutz. Doch Anwohner erzählen, die Luft sei sehr schlecht geworden und sorgen sich, dass Gewässer in der Region durch Chemikalien verunreinigt werden.
Chinesische Forscher haben bei Messungen vor Ort Schadstoffe gefunden, die laut einer Umweltstudie negative Auswirkungen auf Ökosysteme und die menschliche Gesundheit haben. Auch die neue BASF-Fabrik wird in der Studie erwähnt. Durch die große Menge an Schadstoffen, die durch die Ansiedlung von Chemieunternehmen verursacht würde, sei zu befürchten, dass sich die Luftqualität in Zhanjiang stark verschlechtern wird. In einer Stellungnahme schreibt der Konzern dazu: "BASF hält sich an die gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Länder, in denen sie tätig ist."
Bereits seit Jahren betreibt BASF in Nanjing ein großes Verbundwerk, angesiedelt in einem großen Chemie-Park. Welche Schadstoffe dort freigesetzt werden, ist schwer festzustellen. Anders als in der EU gibt es in China kein Register, in dem Freisetzungen von gefährlichen Chemikalien gemeldet und veröffentlicht werden müssen. Die Umweltbestimmungen in China sollen zwar strenger werden, heißt es offiziell, aber Umsetzung und Kontrollen bleiben weitgehend im Dunkeln.
Kritik an Chinageschäft wird lauter
Umweltverbände fordern immer wieder, dass Chemiekonzerne selbst für die Entsorgung und Beseitigung von Umweltschäden sorgen. Es brauche verbindliche Regeln, um Risiken und Gefahren, die durch die Produktion von Chemikalien entstehen, einzudämmen. Die Weltklimakonferenz bei den Vereinten Nationen im Herbst 2023 endete jedoch ohne verbindliches Regelwerk. Beim Beschluss neuer Nachhaltigkeitsziele machen Länder wie China oder Russland nicht mit.
Auch die Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der Menschenrechte in China sind höchst umstritten. In Xinjiang, einer Provinz, in der die BASF bereits länger Geschäfte macht, wird seit Jahren die muslimische Minderheit der Uiguren unterdrückt. Auch ein chinesisches Partnerunternehmen soll dabei mitgeholfen haben, Uiguren zu verfolgen.
Nachdem die öffentliche Kritik daran größer wurde, hat BASF angekündigt, sich von dem umstrittenen Joint-Venture zu trennen und sich aus der Uiguren-Provinz zurückzuziehen. Andere Geschäfte in China gehen weiter.
Konzern verteidigt Strategie
"Wir wissen eigentlich zu wenig, was da wirklich abgeht und was auch umweltmäßig dort passiert", kritisiert Fritz Hofmann die Geschäfte der BASF in China. Der Ex-Betriebsrat aus Ludwigshafen fordert von seinem ehemaligen Arbeitgeber daher mehr Transparenz. Auch einen offenen Austausch zwischen deutschen BASF-Mitarbeitenden und ihren Kolleginnen und Kollegen in China fände er gut - so wie das an anderen Standorten früher möglich war.
Doch das sei in China unerwünscht, und unabhängige Gewerkschaften seien dort verboten. Für seinen Heimatstandort Ludwigshafen hofft er, dass dort umweltverträgliche und sinnvolle Produkte produziert und Arbeitsplätze erhalten werden - auch für kommende Generationen.
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende, Martin Brudermüller, der von 2018 bis April 2024 an der Spitze des Chemieriesen stand, verteidigte bis zuletzt den Sparkurs und die Asienstrategie des Konzerns. Auf der letzten Hauptversammlung im April sprach er mit Blick auf die wirtschaftliche Lage von "stürmischen Zeiten" für die Chemie. Die Investitionen in Ländern wie China seien daher wichtig, um Marktchancen zu steigern und im globalen Wettbewerb bestehen zu können.