Neuer Zwischenfall im März Boeing-Maschine hatte Problem beim Bremsen
Eine Boeing 737 Max ist vor einem Monat in Texas von der Landebahn abgekommen - nun liegt eine erster Untersuchungsbericht vor. Offenbar gab es Probleme beim Bremsvorgang. Ob ein menschliches Versagen die Unfallursache war, ist noch unklar.
Nach einem weiteren Zwischenfall mit einem Flugzeug des Typs Boeing 737 Max vor etwa einem Monat hat die US-Verkehrsbehörde National Transportation Safety Board (NTSB) nun einen vorläufigen Bericht vorgelegt. Demnach gab der Pilot an, dass die Bremsen weniger wirksam zu sein schienen als sonst und das Flugzeug und die Bremspedale heftig gezittert hätten, kurz bevor die United-Airlines-Maschine von der Landebahn schlitterte.
Am 8. März war die Maschine der US-Gesellschaft United Airlines auf dem Flughafen von Houston (Bundesstaat Texas) von einer Rollbahn auf eine Grasfläche gefahren. Dort fuhr sie mit 40 Kilometern pro Stunde gegen eine Betonstruktur - offenbar ein Kabelschacht - und wurde schwer beschädigt - das linke Hauptfahrwerk brach ab. In dem vorläufigen Bericht wurde keine Ursache für den Unfall genannt, bei dem niemand verletzt wurde. Das NTSB benötigt häufig ein Jahr oder länger, um zu Schlussfolgerungen über Unfälle zu gelangen.
In dem Bericht wird allerdings auf Wetterbedingungen eingegangen. Der Pilot gab demnach an, dass es so gewirkt habe, als sei die Landebahn trocken gewesen. Der meteorologische Lagebericht des Flughafens meldete jedoch eine nasse Landebahn.
Boeing zahlt 160 Millionen Dollar für Stilllegung
Boeing-Maschinen waren in den vergangenen Monaten wiederholt in Zwischenfälle verwickelt. Mitte März hatte die "New York Times" über Dutzende Produktionsprobleme bei der Boeing 737 Max berichtet. Bei umfangreichen Sicherheitsprüfungen der US-Luftfahrtbehörde FAA an der Maschine sei der Konzern bei mehr als einem Drittel der Tests durchgefallen. Zuletzt verlor eine Boeing Typ 737-800 auf einem Flug von San Francisco in den US-Bundesstaat Oregon ein Rumpfteil.
Im Januar war es bei einer Boeing 737 Max 9 der Fluggesellschaft Alaska Airlines zu einem Beinahe-Unglück gekommen. Kurz nach dem Start brach im Steigflug ein Rumpf-Fragment heraus. Die mehr als 170 Menschen an Bord kamen weitgehend mit dem Schrecken davon. Allerdings waren die beiden Sitze in der Nähe des Lochs im Rumpf nur durch einen glücklichen Zufall leer geblieben und das Flugzeug befand sich noch in relativ geringer Höhe.
Die wochenlange Stilllegung von Boeing-Maschinen des Typs verursacht bei dem Flugzeugbauer hohe Kosten. Als Wiedergutmachung zahlte Boeing der Fluggesellschaft Alaska Airlines im vergangenen Quartal rund 160 Millionen Dollar für entgangene Einnahmen und entstandene Mehrausgaben. Man rechne noch mit weiterer Entschädigung, Details dazu seien aber vertraulich, hieß es in einer heutigen Mitteilung von Alaska Airlines.
Vier Bolzen fehlten
Die Unfallermittlungsbehörde NTSB geht derweil nach ersten Untersuchungen davon aus, dass vier Befestigungsbolzen an dem Rumpfteil fehlten. Es gebe Hinweise darauf, dass das Fragment immer weiter hochgerutscht sei, bis es dann beim 154. Flug der Maschine herausbrach, sagte NTSB-Chefin Jennifer Homendy in einer Anhörung im US-Senat. Es ist bekannt, dass das Rumpf-Fragment im Boeing-Werk für Arbeiten herausgenommen und wieder eingesetzt wurde.
Der Flugzeugbauer konnte bisher jedoch keine Unterlagen dazu finden und den Ermittlern zur Verfügung stellen, wie kürzlich bekannt wurde. Boeing steht nach dem Vorfall unter verstärktem Druck, die Qualitätskontrollen zu verbessern. Für noch mehr Aufmerksamkeit sorgte der Tod von John Barnett. Der 62-jährige ehemalige Boeing-Manager beging nach Polizeiangaben vermutlich Selbstmord. Er hatte seinen alten Arbeitgeber immer wieder öffentlich kritisiert - wegen angeblicher Sicherheitsmängel.
Als Konsequenz aus der Affäre tauscht der Konzern mehrere Mitarbeiter in verantwortlicher Position aus: Konzernchef Dave Calhoun gebe den Posten Ende des Jahres ab, teilte der Flugzeughersteller Ende März mit. Auch Verwaltungsratschef Larry Kellner und der Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal, werden demnach gehen.
Hersteller erwägen Aufteilung ihres Zulieferers
Indes kann Boeing womöglich bald bei der Aufteilung des Zulieferers Spirit AeroSystems Erfolg vermelden. Insidern zufolge nähern sich Airbus und der Konzern einer Einigung. Die beiden größten Flugzeughersteller der Welt prüften, wie sie ihre jeweiligen Verbindungen zu Spirit entflechten können, sagten mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Bislang beabsichtigte Boeing, Spirit komplett zurückzukaufen und anschließend zu prüfen, wie die von Airbus benötigten Werke an den Rivalen verkauft werden könnten.
Boeing hatte zwei Jahrzehnte lang Teile seiner Fertigung ausgelagert. Das heutige Unternehmen Spirit wurde 2005 von Boeing abgespalten und gewann kurz darauf Airbus als inzwischen zweitgrößten Kunden hinter Boeing. Die Europäer liefern grob ein Fünftel des Umsatzes, während Boeing etwa 70 Prozent der Bauteile für den Verkaufsschlager 737 bei Spirit fertigen lässt. Damit die Amerikaner wieder eine größere Kontrolle über ihre Lieferkette erlangen können, müssen die Fertigungsprozesse der Europäer ausgegliedert werden.