Massiver Personalmangel Bahn plant 25.000 Neueinstellungen
Die Deutsche Bahn hat dem "Spiegel" zufolge Probleme, ihre Stellwerke zu besetzen. Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, will der Konzern in diesem Jahr 25.000 neue Mitarbeiter einstellen.
Personalmangel und Krankmeldungen bei der Deutschen Bahn haben in den vergangenen Wochen und Monaten zu massenhaft Verspätungen und Zugausfällen geführt. Weil der Bahn Weichensteller fehlen, kam es laut einem Zeitungsbericht allein von Januar bis Oktober zu Verspätungen von 375.000 Minuten. Im Sommer soll es bundesweit einen sprunghaften Anstieg gegeben haben, weil kein oder zu wenig Personal in den Stellwerken vorhanden war, berichtet der "Spiegel" heute mit Verweis auf interne Dokumente der DB Netz AG.
100 Verspätungen pro Tag im Raum Frankfurt
Besonders dramatisch sei die Lage in der Mitte Deutschlands gewesen. Allein rund um Frankfurt kam es täglich zu 100 Verspätungen, heißt es in dem Bericht weiter. Häufig soll die Planung in den Stellwerken knapp gewesen sein. Zudem seien diese oft notorisch unterbesetzt. Dort sei "keine vollständige Deckung des leistungswirksamen Personalbedarfs beim Stellwerkspersonal" vorhanden, um den Betrieb überhaupt zu gewährleisten.
Auch aus diesem Grund plant die Deutsche Bahn für dieses Jahr erneut mit rund 25.000 Neueinstellungen. "Wir brauchen zigtausende neue Kolleg:innen, um die Herausforderungen bei der Bahn zu stemmen", teilte Konzern-Personalvorstand Martin Seiler mit. Insbesondere im operativen Bereich werde deshalb auch in diesem Jahr "auf Rekordniveau" in neue Beschäftigte investiert.
Bereits 2022 hatte die Bahn eigenen Angaben zufolge rund 28.000 neue Beschäftigte eingestellt. Dennoch erreichten die Pünktlichkeitsquoten ein historisches Tief. Im Fernverkehr waren von Januar bis November nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP im Schnitt nur 65,6 Prozent der Züge pünktlich - in den Sommermonaten Juli bis August lag die Quote sogar jeweils bei unter 60 Prozent.
Bahn setzt auf eigene Qualifizierung
Aktuell arbeiten bei der DB in Deutschland rund 200.000 Menschen. Unter dem Strich kommen nun circa 9000 neue Jobs hinzu, hieß es vom Staatskonzern. Ziel sei unter anderem, die betriebliche Qualität zu verbessern, die Fahrgastzahlen zu verdoppeln sowie die teilweise marode Infrastruktur zu generalsanieren. Von den 25.000 Neueinstellungen sollen 5500 Nachwuchskräfte sein - laut Seiler ein neuer Rekord.
Die Bahn setze "noch mehr als bisher auf eigene Qualifizierung". Dafür würden auch Ausbildungsstätten erweitert und modernisiert. Neben den Auszubildenden und Dual Studierenden will DB 2023 etwa 4200 Fachkräfte für die Instandhaltung von Schienen und Schienenfahrzeugen für sich gewinnen, dazu 3000 Personen für Bauprojekte und Bauüberwachung. Auch sollen 2100 Lokführerinnen und Lokführer dazukommen sowie 1600 Fahrdienstleitende, 2200 Beschäftigte im Zugservice und 2000 IT-Fachleute.
Wegen des Fachkräftemangels sei die Zielmarke beim Personal jedoch herausfordernd, sagte Seiler. "Der Arbeitsmarkt ist enger und umkämpfter geworden." Mit einer Kampagne nach der Devise "Was ist dir wichtig" will die Bahn deshalb als Arbeitgeber punkten. Darüber hinaus sollen auch verstärkt Fachkräfte aus dem Ausland angelockt werden. Hier ist die Bahn nach eigenen Angaben in rund zehn Staaten aktiv - etwa in Südeuropa, vielen Balkanländern und der Türkei. Englisch als Arbeitssprache sei auf dem Vormarsch, besonders im IT-Bereich, so Seiler.
Hoher Krankenstand bei Verkehrsunternehmen
Um die Fluktuation niedrig zu halten, will der Konzern aber auch seine aktuelle Belegschaft halten. Dafür will die Bahn Anreize setzen und gestattet nun bis zu 30 Arbeitstage pro Jahr mobiles Arbeiten im europäischen Ausland. Verbessert werden sollen zudem Schichtsysteme und Comeback-Programme für Rückkehrende nach einer Auszeit. Die beim Personal beliebten Fahrvergünstigungen gelten ab Frühjahr auch für nicht-eheliche Partner von Mitarbeitenden.
Langfristig, also auf zehn oder zwanzig Jahre gerechnet, müsse der Personalbedarf jedoch auch reduziert werden, betonte der Vorstand. Deshalb arbeite man daran, Flexibilität und Produktivität zu erhöhen sowie Standardisierung und Digitalisierung voranzutreiben. "Es gehen durch den demografischen Wandel fast doppelt so viele Menschen aus dem Arbeitsmarkt heraus wie hinein, diese Rechnung kann nicht aufgehen", so Seiler.
Neben dem Personalmangel sorgt auch ein hoher Krankenstand für Probleme bei sämtlichen Verkehrsunternehmen auf der Schiene. "Zu der Jahreszeit sind Erkältungswellen nicht ungewöhnlich und doch sind Krankenstände von tageweise über 20 Prozent ein Novum in den letzten Jahrzehnten", sagte der Personalausschussvorsitzende des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, Harald Kraus, jüngst den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Unternehmen in Stadt und Land überlegten oder seien bereits gezwungen, den Fahrplan teilweise einzuschränken.