Demonstration im Kölner Ford-Werk.

Auch Ford streicht Stellen Die Elektroauto-Misere

Stand: 28.11.2024 08:13 Uhr

Fords Europa-Standort will in Köln jede vierte Stelle abbauen. Laut Experten kam die Elektromobilitäts-Wende bei dem Werk zu spät. Sie fordern eine europäische Batterie-Wertschöpfungskette.

Unter lautem Sirenengeheul, mit Ratschen und Tröten laufen etwa 100 Männer und Frauen in die riesige Ford-Halle, wo gleich die Betriebsversammlung stattfindet. Es sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Produktion. Normalerweise fertigen sie das neue Elektro-Modell von Ford, den Explorer, einen hochpreisigen SUV.

Heute tragen sie Plakate, auf denen geschrieben steht: "Wo ist die Pkw-Strategie?" Jede vierte Stelle bei Ford in Köln soll wegfallen. Die Schuld dafür geben sie dem Management. 

Ford-Elektro-Auto kaum nachgefragt

"Wir machen unsere Arbeit ordentlich", sagt Hüseyin Kirac überzeugt. Der 35-Jährige ist seit zehn Jahren bei Ford, hat sich über Zeitarbeit und Fortbildung bis zur Festanstellung hochgearbeitet. Er baut die Batterie für den Explorer zusammen, die Ford beim Wettbewerber VW einkauft.

Doch das Auto, das er Tag für Tag fertigt, wird kaum nachgefragt. Hunderte Exemplare stehen auf den Ford-eigenen Parkplätzen in Köln, und Kirac ist in Kurzarbeit. Seit Tagen schlafe er schlecht, sagt der zweifache Vater. "Früher haben wir 2.000 Fiestas am Tag gebaut. Jetzt sind wir bei etwa 600 Autos pro Tag, und wahrscheinlich werden die Zahlen noch weiter runtergehen." 

Markt schon gesättigt

Eigentlich wollte sich Ford Europa neu erfinden. Aus dem Werk in Köln, wo jahrzehntelang Autos mit Verbrennermotor produziert wurden, wurde ein "Electric Vehicle Center", bei der Eröffnung war Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, anwesend. Mehrere Milliarden Euro hat Ford in die Entwicklung von zwei Elektroauto-Modellen investiert.

Erst im Juni rollte der erste vollelektrische Explorer vom Band, gedacht für den europäischen Markt. Zu spät, konstatiert Helena Wisbert, Professorin an der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg, die zu Automobilwirtschaft forscht. "Ford trifft mit seiner Elektro-Mobilitätsoffensive einen Markt, der mit Angebot schon sehr stark gefüllt ist und wo gleichzeitig die Nachfrage sehr gedämpft ist", sagt Wisbert.

Die bisherigen Ford-Stammkunden waren preisgünstigere Kompakt- und Kleinwagen gewohnt, wie den Ford Fiesta. Diese Menschen würden sich vom neuen hochpreisigen Elektro-SUV nicht angesprochen fühlen. Gleichzeitig ist der Umweltbonus für Elektroautos Ende 2023 weggefallen. Damit sei die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland insgesamt stark gesunken.

Deutsche Elektroautos eingeschränkt wettbewerbsfähig

Ford wie auch andere deutsche Automobilhersteller, zum Beispiel VW, haben aus Sicht der Automobilwirtschaftsexpertin neben hohen Personalkosten vor allem einen massiven Wettbewerbsnachteil: Sie bauen keine eigenen Batterien und sind erst spät in die Batterie-Entwicklung eingestiegen.

Anders die USA oder China. In China gibt es seit 2005 eine massive Elektromobilitäts-Offensive der chinesischen Regierung, dort wurden unter anderem Batterieproduktionsstätten aufgebaut, gefördert vom Staat. Davon profitieren laut Wisbert die chinesischen Autobauer heute sehr stark.

"Die chinesischen Firmen haben den großen Kostenblock der Batterie inzwischen zu 100 Prozent unter Kontrolle und können sie in hohen Stückzahlen produzieren. Das führt zu Skaleneffekten, also Kostenvorteilen, die sie an die Kunden weitergeben können", sagt Wisbert.

Europäische Wertschöpfungskette

In Deutschland dagegen sind Forschungssubventionen weggefallen. Um mit den Wettbewerbern in den USA und in China mithalten zu können, sei es wichtig, nun eine europäische Wertschöpfungskette für Elektroauto-Batterien aufzubauen, sagt Wisbert.

Darauf hofft auch Uta Schröter, die seit 26 Jahren bei Ford in Köln als Entwicklungsingenieurin arbeitet. Doch nach der Betriebsversammlung, an der 8.000 Ford-Mitarbeitende teilgenommen haben, ist sie pessimistisch. "Die Geschäftsleitung hat keine Strategie, keine Ziele, keine Pläne vorgestellt. Gerade sieht es für mich so aus, als ob es gar keine Strategie gibt. Und das ist, was mir Angst und Sorge macht", sagt Schröter.

Von Ford selbst gibt es heute keine weiteren Ausführungen zu den Stellenabbau-Plänen. Der IG-Metall-Sprecher David Lüdtke dagegen spricht von einer Zerlegung des Standortes. Wenn Ford seinen Plan in Köln umsetzen würde, dann sei das für die Belegschaft ein "Sterben auf Raten".