Teuerung im Einzelhandel Großkonzerne wie Nestlé steigern Umsatz
Die Lebensmittelpreise steigen spürbar und damit auch die Umsätze der Unternehmen. Denn die Konzerne geben ihre gestiegenen Kosten zumindest teilweise an die Kunden weiter.
Wegen hoher Inflation und Lieferkettenproblemen steigen weltweit die Einkaufs- und Rohstoffpreise: Neben Energie und Transport werden auch Verpackungen und Nahrungsmittel wie Getreide, Milch oder Kaffee teurer. Besonders spürbar sind die steigenden Lebensmittelpreise. Denn die Hersteller geben die höheren Kosten zumindest teilweise an die Kundschaft weiter. Der britische Konzern Unilever etwa hat die Preise im ersten Halbjahr 2022 um 9,8 Prozent angehoben, der wohl bekannteste Lebensmittel-Multi Nestlé im weltweiten Durchschnitt um 6,5 Prozent.
"Der gesamte Lebensmittelsektor sieht sich mit Kostensteigerungen konfrontiert", so ein Nestlé-Sprecher am Firmensitz in Vevey am Genfer See: "Dies schließt Landwirte und mittelständische Unternehmen ein, die uns beliefern und darauf angewiesen sind, ihre Kosten zu decken." Darum schließt der Branchenriese weitere Preiserhöhungen nicht aus, denn die Preise würden sich den gestiegenen Kosten anpassen. "Unsere Teams in den Märkten haben in verantwortungsvoller Weise Preisanpassungen umgesetzt", wird CEO Mark Schneider in der Pressemitteilung zum Halbjahresbericht zitiert.
Fast zehn Prozent mehr Umsatz
Ob Nescafé, Kitkat-Schokoriegel, Maggi-Suppe oder Vittel-Mineralwasser: Nestlé verkauft Lebensmittel in fast jedem Land der Welt. Und trotz der steigenden Preise sind Markenprodukte weiter begehrt, und so stieg Nestlés Umsatz im ersten Halbjahr 2022 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 9,2 Prozent.
Auf die Frage, ob die Verbraucher in aller Welt noch stärkere Preiserhöhungen akzeptieren werden, antwortet der Sprecher: "Priorität ist und bleibt es sicherzustellen, dass unsere Produkte und Marken weiterhin zu erschwinglichen Preisen erworben werden können. Unserer deutlich reduzierten Bruttomarge können Sie zudem entnehmen, dass wir die beispiellose Kosteninflation nicht in Gänze an unsere Verbraucher weitergegeben haben." Der Konzern setze alles daran, weitere Kostensteigerungen für seine Kunden abzumildern: "Etwa durch die weitere Harmonisierung von Rezepturen und Verpackungen oder den Einsatz neuer Technologien in der Produktion."
"Preiserhöhungen sind generell gerechtfertigt"
Josianne Walpen, Leiterin Ernährung bei der Schweizer Stiftung für Konsumentenschutz, sagt, für die Kunden sei es schwierig zu beurteilen, welche Preiserhöhungen gerechtfertigt sind: "Einkaufspreise, Lieferverträge und Margen sind nicht transparent. Ob lediglich gestiegene Kosten weitergegebenen werden oder einfach die Marge erhöht wird, lässt sich deshalb beim alltäglichen Einkauf kaum abschätzen." Die Stiftung befürchtet, dass die Situation mancherorts auch genutzt wird, um die Margen zu erhalten oder gar zu erhöhen.
Stefan Michel, Professor für Strategie und Marketing an der IMD Business School in Lausanne, ordnet das Beispiel Nestlé so ein: "Nestlé zeigt im Halbjahresbericht, dass der Umsatz auch wegen Preiserhöhungen gestiegen ist, dabei sind die Margen gesunken. Einerseits wurden nach Angaben des Konzerns nicht alle Kostenerhöhungen weitergegeben, andererseits erfolgen Preisanpassungen häufig zeitverzögert. Ohne jedes Produkt einzeln studiert zu haben: Die Preiserhöhungen sind im Jahr 2022 generell gerechtfertigt."
Euro hat an Wert verloren
Auch auf eine Schweizer Besonderheit im Kundenverhalten geht der Handelsexperte Michel ein: "Man würde vermuten, dass die Schweizer nach Corona wieder vermehrt im nahen Ausland einkaufen, gerade weil der Euro gegenüber dem Schweizer Franken weiter an Wert verloren hat. Allerdings ist die Teuerung in Deutschland etwa doppelt so hoch wie in der Schweiz, was die Attraktivität von Einkaufsfahrten bei hohen Benzinpreisen mindert."
Die Nachfrage nach Lebensmitteln werde auch bei weiter steigenden Preisen nicht deutlich sinken, so Verbraucherschützerin Walpen: "Denkbar sind jedoch Verschiebungen in der Nachfrage hin zu preiswerteren Lebensmitteln." Ob dieser Trend sich durchsetzt, hänge aber auch davon ab, wie sich die Preise in Bereichen wie Energie und anderen Konsumgütern zukünftig entwickeln.