Klinikinsolvenzen Wie krank sind unsere Krankenhäuser?
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt vor zahlreichen Insolvenzen. Die Pleitewelle bei Krankenhäusern liegt auch an Inflation und Energiekrise. Vor allem kleinere Häuser auf dem Land sind akut bedroht.
Wer bei Schmerzen schon jetzt auf dem Dorf keinen Hausarzt findet, dem bleibt nur die Notaufnahme im nächsten Krankenhaus. Und dafür muss man demnächst vielleicht noch weiter fahren als ohnehin schon. Viele Kliniken stehen vor der Insolvenz oder stecken schon mitten drin. Sie machen Verluste, obwohl sie gebraucht werden. "Diese kleinen Krankenhäuser in der Region sind wichtig. Die sind da deutlich flexibler und schneller", sagt Jeanette Birkmeier in Linnich. Die Patientin hatte hier eine Hüftoperation. Sie schätzt die kleine Klinik in ihrer Nähe sehr und hofft, dass die Klinik gerettet wird.
Kleine Häuser sind chancenlos
Doch die katholischen Nordkreis-Kliniken Linnich und Jülich mussten im November 2022 Insolvenz anmelden - wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Nun soll der Betrieb saniert werden. "Würde man in die Kölner oder Wuppertaler Umgebung gehen, ist da zwar auch die Versorgung gewährleistet. Aber da wartet man sehr lange auf Termine, und die Abläufe sind sehr kompliziert. Das ist mit sehr viel Bürokratie und Anfahrt verbunden", sagt Birkmeier. Nur 196 Betten hat das Haus in Linnich, 70 Prozent davon sind im Schnitt belegt.
Linnich und Jülich sind zwei Beispiele für den Zustand des Gesundheitswesens - zwei Grundversorger, die seit Jahren Verluste machen. Das wollte der Träger nicht mehr auffangen. Kleine Häuser ohne Spezialisierung seien in diesem System der Krankenhausfinanzierung chancenlos, sagt Mark Boddenberg. Der Insolvenzverwalter kümmert sich um den Fall. "Grund- und Regelversorger mit weniger als 250 Betten können Sie in diesem System nicht wirtschaftlich betreiben. Es funktioniert einfach nicht", sagt Boddenberg. "Wenn dann Rahmenbedingungen wie Energie- und Corona-Krise die Abläufe erschweren und teurer machen, dann ist das wie ein Brandbeschleuniger. Genau so war es hier auch."
Die Löhne und Gehälter der insgesamt 680 Beschäftigten beider Kliniken sind über das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit gesichert. Beide Krankenhäuser haben als kleinere Krankenhäuser mit geringerem medizinischen Leistungsspektrum im Vergleich zu den größeren Mitbewerbern erhebliche Wettbewerbsnachteile. Boddenberg mahnt Eile bei den politischen Reformen an.
Sinkende Einnahmen
Während politisch um Zukunftskonzepte gerungen wird, spitzt sich die Notlage vieler Kliniken zu. Nach einer aktuellen Umfrage erwartet mehr als die Hälfte der Kliniken bundesweit eine Verschlechterung ihrer Lage. Nur 17 Prozent gehen davon aus, dass es besser wird.
Das liegt laut Gesundheitsökonom Boris Augurzky nicht nur an der Kostenexplosion, sondern auch an sinkenden Einnahmen. Es sei davon auszugehen, dass 2023 ein schwieriges Jahr für Krankenhäuser werde, da Hilfsprogramme aus der Corona-Zeit auslaufen, sagt der Gesundheitsökonom vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. "Das mag überraschend klingen, aber wir haben im Moment weniger Krankenhausfälle", sagt Augurzky. "Das liegt auch am Personalengpass, weil wir nicht mehr so viele Menschen behandeln können. Damit haben Krankenhäuser auch weniger Erlös. Das macht bei vielen doch große Probleme."
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt vor einer Pleitewelle schon in der zweiten Jahreshälfte 2023. "Wir laufen Gefahr, dass dann zehn bis 20 Prozent der Krankenhäuser Insolvenz anmelden müssen", heißt es von der Gesellschaft. Danach würden Inflation und gesunkene Fallzahlen zu einem strukturellen Defizit von 15 Milliarden Euro bis Jahresende führen. Und auch der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser rechnet allein für 2023 mit bis zu 100 Krankenhausinsolvenzen.
Brandbrief an Politik
Ärztevertreter haben deshalb einen Brandbrief an die Politik geschrieben. Kurzfristige Hilfen seien nötig, trotz der geplanten langfristigen Krankenhaus-Reformen. "Die Krankenhäuser werden umbauen und umstrukturieren müssen", sagt Hans-Albert Gehle, erster Vorsitzender des Marburger Bundes NRW.
"Die Krankenhäuser brauchen Geld, um das zu tun. Die haben aber häufig Schulden und keine positiven Finanzergebnisse mehr. Woher soll das Geld kommen?" Ob und wie es beim Krankenhaus in Linnich weitergeht, ist noch völlig offen. Auch die Sanierung wird Geld kosten. Da ist das Land gefragt. Aber auch hier fehlen noch immer konkrete Zusagen.