Modebranche Lockdown lässt Textillager überquellen
In den Mode- und Textillagern stapelt sich die nicht verkaufte Kleidung. Dabei müsste jetzt Platz geschaffen werden für die neue Kollektion. Händler sind ratlos.
Die Wollmütze oder doch das Käppi? Margarita Albanidou und ihre Mitarbeiterinnen überlegen, was besser passt. Die Schaufensterpuppe hat bereits ein modisch bedrucktes Hemd und die sehr weich aussehende Kaschmir-Jacke an - jetzt fehlt noch das I-Tüpfelchen.
Jede Woche dekorieren sie das Fenster im Modeladen Coccinella in Troidorf bei Bonn neu, erzählt Ladenbesitzerin Albanidou, obwohl ihr Geschäft wegen des Lockdowns geschlossen bleiben muss. "Ich möchte, dass eine vorbeigehende potenzielle Kundin einfach das Gefühl hat: Hier geht es weiter, hier ist noch Leben. Denn es kommt der Zeitpunkt, wo es weitergeht, und bis dahin möchte ich am Ball bleiben."
Und natürlich hofft sie auch, dass die ein oder andere Passantin sich so angesprochen fühlt, doch etwas zu kaufen - per Order. Telefonische Bestellung geht noch - und ab und an nehmen einzelne Kundinnen das Angebot auch war. Doch das entgangene Geschäft können diese Käufe nicht auffangen. Nur etwa fünf Prozent ihres normalen Umsatzes macht Albanidou derzeit auf diesem Weg. Die Folge: Im Lager stapelt sich die nicht verkaufte Winterkollektion. Ware, die mit jedem Tag schwerer zu verkaufen ist. Denn Mode ist nun mal Saison-Geschäft.
Überall in der Branche bleibt Ware liegen
"Die Ware, die man in einem Mode-Geschäft hat, ist der größte finanzielle Posten, den man hat. Und die Ware verdirbt, wenn man so will, da die Menschen zum Frühling hin diese Ware nun mal nicht mehr wollen", erklärt Albanidou. Normalerweise lautet die Rechnung: Die Ware wird ungefähr zum Dreifachen des Einkaufswerts verkauft, und damit werden Miete, Betriebskosten, Gehalt für die Mitarbeitenden und die Kosten für die Ware selbst wieder eingespielt.
Zum Lockdown hat der Staat zwar versprochen, bei den Fixkosten zu helfen, doch die Kosten für die Ware bleiben. So hat Modehändlerin Albanidou noch unverkaufte Kleider zum Einkaufswert von etwa 80.000 Euro im Lager - Kosten, auf denen sie vermutlich sitzen bleiben wird. Hinzu kommt der entgangene Umsatz. Insgesamt fehlen also mehr als 200.000 Euro. So wie ihr geht es vielen anderen Modehändlern.
300 Millionen unverkaufte Kleidungsstücke
Quer durch die Branche bleibt Ware liegen: bei den großen Ketten, den Mittelständlern mit wenigen Filialen und den kleinen, inhabergeführten Geschäften. Der Lockdown hat den gesamten Wirtschaftszweig schwer getroffen.
Allein seit Anfang Dezember sind etwa 300 Millionen Teile liegen geblieben, schätzt der Branchenverband BTE Textil. "Die Umsatzverluste des gesamten Winter-Lockdowns dürften sich bis Ende Januar auf rund zehn Milliarden Euro summieren", prognostiziert BTE Textil-Hauptgeschäftsführer Norbert Pangels.
Ein Problem, das sich noch potenzieren werde, denn die Modebranche arbeite mit Vorlaufzeiten von bis zu einem Jahr: "Da die Kosten und vor allem der Wareneinkauf durch die langen Vorlaufzeiten kaum angepasst werden konnten, stehen viele Geschäfte nunmehr vor dem endgültigen Aus."
Reduzieren, Stornieren, Verschieben
Im Januar kommen in der Regel die Frühjahrskollektionen - auch im Geschäft Coccinella dürfte es jetzt im Lager enger werden. Albanidou hat im Januar 2020 die Ware bestellt, die sie im Frühjahr 2021 verkaufen wollte - also lange bevor irgendwer über Coronaviren, Lockdowns oder Geschäftsschließungen nachgedacht hat.
Und dann steht auch schon der Sommer vor der Tür. Die Ware dafür hat sie im vergangenen Sommer bestellt, als es in Deutschland so aussah, als sei das Schlimmste vorbei. Einfach stornieren kann sie die Aufträge nicht - gerade teure Markenware wird oft auf Bestellung produziert. Jetzt haben Händler wie Abanidou volle Lager und wissen nicht wohin mit der Ware.
Da die Anmietung neuer Lagerflächen wegen der immensen Kosten nur für die ganz großen Ketten eine Option ist, hilft nur die Flucht nach vorn: Rabatte. Im Coccinella in Troisdorf kostet vieles nur noch die Hälfte des ursprünglichen Preises. Doch da der Laden keinen Online-Verkauf hat, sondern nur den etablierten Kundenstamm, der per Telefon bestellt, sind Abanidous Hoffnungen, recht klein.
So versucht sie ihre Lieferanten um Aufschub und Stornierung zu bitten, hängt deswegen immer wieder am Telefon. Manchmal hat sie Glück - kann neue Lieferungen immerhin um zwei, drei Wochen verschieben. Doch das verschafft nur kurzfristig Luft zum Atmen. Der finanzielle Verlust bleibt.