Mehr Umsatz, mehr Insolvenzen Gedrückte Stimmung in der Modebranche
Die Geschäfte laufen wieder besser bei deutschen Modeketten. Doch die Branche hat mit der gedämpften Kauflaune zu kämpfen. Einige große Unternehmen sind zuletzt in die Pleite gerutscht.
Corona hat den Modeunternehmen stark zugesetzt: Steigende Preise, Rohstoffmangel, Lieferketten, die nicht mehr funktionieren. Doch nun scheint es eine Trendwende zu geben. Im vergangenen Jahr hätten sich einige ungünstige Entwicklungen wieder beruhigt, berichtet der Präsident des Deutschen Modeverbands GermanFashion, Gerd Oliver Seidensticker. Die Umsätze seien gestiegen.
Seidensticker spricht von einem Plus in Höhe von 10,8 Prozent. "Sowohl die Logistikkosten als auch die Rohstoffpreise sind auf ein erträgliches Maß gesunken", so Seidensticker. Dadurch seien auch wieder Investitionen möglich. Personal sei eingestellt worden. Nach Auswertungen des Statistischen Bundesamts ist die Zahl der Beschäftigten um knapp vier Prozent gestiegen.
Eher trübe Aussichten
Diese Zahlen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche vor großen Herausforderungen steht. Insgesamt geht es nach einem schwierigen 2023 auch in diesem Jahr beschwerlich in der Modebranche weiter. Große Ketten wie Peek & Cloppenburg, Bree, Gerry Weber, Hallhuber und auch Galeria Karstadt Kaufhof mussten in den vergangenen Wochen und Monaten Insolvenz anmelden. Jüngst traf es auch die Modekette Sør, deren Hauptsitz in Mönchengladbach ist. Sør nennt die Energiekrise und die verminderte Kaufkraft bei Konsumenten als Hauptgründe.
"Das Umsatzplus und das Erreichen des Vor-Pandemie-Niveaus ist zwar grundsätzlich ein gutes Zeichen, doch ist die Stimmung aufgrund der wirtschaftlichen Lage gedrückt", so Seidensticker: "Eine repräsentative Umfrage unter unseren Mitgliedern zeigt eine stagnierende Umsatzerwartung für 2024 bei gleichzeitiger negativer Entwicklung des Ertrages. Insgesamt fällt die Beurteilung der wirtschaftlichen Perspektive für 2024 schlechter aus als Anfang letzten Jahres."
Flexiblere Lieferketten
Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten. So will die niederländisch-deutsche Modekette C&A ihr Filialnetz in Deutschland ausbauen. Derzeit betreibt der Textilhändler bundesweit nach eigenen Angaben 388 Filialen, schon bald sollen es mehr als 400 sein. Zudem sei das Ziel, bei der Beschaffung der Ware flexibler zu werden. "Wir wollen weniger abhängig von Asien werden", so C&A-Europe-Chefin, Giny Boer.
Grund dafür ist die Anfälligkeit der Lieferketten. "Wie fragil sie sind, haben wir zuletzt öfter erlebt: In der Pandemie, wegen der Blockade des Suezkanals und jetzt aufgrund der Angriffe im Roten Meer", so die C&A-Chefin: "Um flexibler reagieren zu können, wollen wir künftig unsere Ware aus einer größeren Auswahl von Ländern beziehen." Zudem habe C&A sein Sortiment um 30 Prozent verringert.
Starke Konkurrenz aus Asien
Bezüglich der Lieferketten müssen sich die westlichen Unternehmen auch auf eine ganz neue Form der Konkurrenz aus Asien einstellen. Der rasante Aufstieg von chinesischen Onlinetextilhändlern wie etwa Shein setzt die hiesigen Modeketten zunehmend unter Druck.
Shein, wie auch andere chinesische Wettbewerber, nehmen entgegen der üblichen Vorgehensweise zuerst kleine Erstaufträge an, die dann je nach Nachfrage aufgestockt werden. Mit dieser flexiblen Lieferkette können sie ein komplett anderes Geschäftsmodell umsetzen als die Modehändler aus Europa. Denn diese versuchen vorherzusehen, was besonders stark im Trend liegen wird, und richten ihre Produktion im Vorfeld darauf aus.
Die Herausforderungen sind in den verschiedenen Segmenten ganz unterschiedlich. So musste die Krawattenindustrie jüngst einen dramatischen Einbruch vermelden, weil sich die Menschen in den Büros immer lockerer kleiden. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts, die der Modeverband GermanFashion zur Verfügung gestellt hat, sind in den Jahren von 2014 bis 2023 die Importe nach Deutschland um zwei Drittel geschrumpft.
Exporte steigen wieder
Insgesamt laufen die Exporte für die Hersteller von Bekleidung aber wieder besser. Aufgrund der Erschließung neuer Märkte und einer Intensivierung der Exporte auf bewährte Märkte sei ein Plus von knapp elf Prozent erzielt worden, teilt GermanFashion mit. Der Export macht nach Aussagen von Hauptgeschäftsführer Thomas Lange mit 43 Prozent fast die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. "Damit wird deutlich, wie exportlastig die Bekleidungsbranche ist", so Lange.
Die wichtigsten Exportländer für Deutschland sind Polen, die Schweiz, Österreich, die Niederlande, Frankreich und Italien. Importiert wurde hingegen weniger. Grund dafür sei, dass 2021 und 2022 sehr viel Ware produziert worden sei. 2023 seien deshalb viele Lagerbestände in die Läden geliefert worden. Betroffen von diesem Minus sind vor allem die wichtigsten Produktionsländer in der Branche, das sind vor allem China, Bangladesch, Türkei, Vietnam und Italien.