Musiker gegen Streamingdienste "Es geht um die Wertschätzung"
Wer Musik hören will, kauft meist keine CDs mehr, sondern nutzt Streamingdienste wie Spotify oder YouTube. Für viele Künstler hat das große Nachteile - nicht nur finanziell.
"Musik verbindet": Mit diesem Titel versucht der Sänger Dennis Ebbe, eine Eintrittskarte in die Schlagerwelt zu lösen. Eigentlich läuft es ganz gut. Die Zugriffszahlen steigen, in der "dj-hitparade" des ehemaligen Hitparaden-Moderators Uwe Hübner hat er es in die Top 150 geschafft.
Der Sänger kennt die Branche, denn unter seinem richtigen Namen Dennis Ebbecke ist er unter anderem als Musikredakteur und Herausgeber eines Schlagermagazins tätig. Somit ist er realistisch: Verdienen wird er mit seinem Lied bei den Streamingdiensten wohl so gut wie nichts. Durchschnittlich zahlt Spotify zwischen 0,0025 und 0,0042 Euro pro abgespieltem Song - also weniger als einen Cent.
"Eigentlich dienen die Portale nur dazu, den Bekanntheitsgrad aufzubauen", so Ebbecke. "Wenn du bei Spotify eine hohe monatliche Hörerzahl hast, dann ist das eine Plattform, um gesehen zu werden, um an Auftritte zu kommen." Mit den Auftritten gebe es dann die Möglichkeit, Geld zu verdienen.
Marktanteil der Streamingdienste bei 80 Prozent
CDs werden heutzutage kaum noch verkauft. "Streaming ist das Nummer-Eins-Nutzungstool der Musikbranche. Aktuell beläuft sich der Marktanteil am deutschen Musikmarkt schon auf 80 Prozent und wird sich laut Prognosen in den nächsten drei Jahren noch bis auf 90 Prozent steigern", berichtet Manfred Rolef, der jahrelang an der Spitze von EMI Music und Sony Music stand und nun selbstständig Musiker berät und managt.
Er kritisiert, dass die Streamingportale die Gelder ungerecht verteilen. "An Künstler, die eh schon erfolgreich streamen, wird überproportional viel abgerechnet. Hinzu kommt, dass die schon erfolgreichen Musikgattungen stärker durch die Playlist-Kuratoren der Dienste unterstützt werden", so Rolef. Sprich: Die Portale bedienen den Massengeschmack. Für viele Sub-Genres wie beispielsweise Adult-Pop/Rock oder Jazz gebe es kaum Aufmerksamkeit.
Spotify und auch andere Streamingdienste verdienen so viel Geld wie noch nie. 2020 war das erfolgreichste Jahr in der Geschichte des Unternehmens. Der Dienst will in über 80 weitere Länder expandieren. Die Musikschaffenden profitieren davon kaum.
Proteste gegen Spotify
In weltweit 30 Städten haben Kreative gegen den Streamingdienst Spotify protestiert. Aufgerufen hatte dazu die "Union of musicians and allied workers". Die Gewerkschaft fordert eine gerechte Bezahlung. Die Vergütung für einen einzelnen Stream solle auf einen Cent angehoben werden. Gleichzeitig fordern sie, die Verteilung der Gelder anders zu organisieren. Momentan gibt es ein undurchsichtiges Pro-Rata-System. Die Auszahlung erfolgt demnach nicht per Stream, sondern orientiert sich am Marktanteil. Davon profitieren dann vor allem die bekannten Superstars.
Der Leverkusener Liedermacher Arthur Horváth hat seinen Protest in einem Lied zum Ausdruck gebracht. Im Text des Songs "Geschichten" heißt es: "Haselnuss-Latte für vier Euro 50, 9,95 um zu Mäckes zu gehen. Keine zwei Cent für dieses Lied, wann genau ist das geschehen?" Er kritisiert, dass Kunst und Musik kaum noch Wertschätzung erfahren.
Horváth ist gut im Geschäft, weil er sich schon vor langer Zeit gegen die Streamingdienste aufgestellt hat. In den vergangenen Jahren habe er 50.000 CDs verkauft. "Bei Konzerten habe ich immer Namen und Adressen von den Menschen gesammelt, die eine CD gekauft haben. Inzwischen sind Zehntausende Adressen zusammengekommen", erzählt der Liedermacher. Es seien richtige Fans, die seine Musik schätzen, sagt er. In den Streamingdiensten würden viele Nutzer gar nicht mehr bemerken, wessen Musik sie gerade hören.
"Es gibt immer einen, der es noch billiger macht"
Horváth macht die schlechte Bezahlung wütend. Es gehe dabei nicht nur ums Geld. "Es geht einfach um die Wertschätzung für Dinge, die andere Menschen schaffen. Der Wert von Dingen spielt für uns alle keine Rolle mehr." Aber auch an seine Kolleginnen und Kollegen hat er eine eindringliche Botschaft: "Die Musiker verkaufen sich oft zu billig. Es gibt immer einen, der es noch billiger macht. Musiker müssen sich selbst mehr wertschätzen."
Es gibt aber noch andere Probleme bei den Portalen: "Die Streamingplattformen sind nach wie vor manipulierbar durch sogenannte Server-Farmen oder Bots. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich ein ganzer Branchenzweig darauf spezialisiert, durch 'Song-Abspielen im 30 Sekunden Takt auf Repeat-Modus' die Streaming-Zahlen zum Beispiel im Rap- und Hip-Hop-Genre künstlich in die Höhe zu treiben", sagt der Musik-Manager Rolef. Damit wird auch die Bezahlung manipuliert.
Das alles mache die Musik kaputt, sagt Musiker Horváth. Er befürchtet, dass es irgendwann nicht mehr diese Vielfalt geben werde. In seinem Lied singt er: "Was sind wir ohne Geschichten, was sind wir ohne Lieder, was sind wir ohne die, die für uns singen und spielen. Immer und immer wieder?"