Aktie springt hoch "Stranger Things" rettet Netflix
Das Worst-Case-Szenario bei Netflix ist ausgeblieben. Der Videostreaming-Dienst hat weniger Abonnenten verloren als befürchtet. Das dürfte auch dem Erfolg einer beliebten Serie geschuldet sein.
Farah-Fawcett-Frisuren, Walkie-Talkie-Funksprüche, Ghostbusters-Verkleidungen und Monster, die aussehen, als wären sie direkt den gemeinsamen Fantasien von James Cameron, Ridley Scott und Steven Spielberg entsprungen: Die Serie "Stranger Things" ist voller Hommagen an das Kino der 1980er-Jahre.
Es ist nicht zuletzt der schon seit Jahren grassierenden 1980er-Jahre-Nostalgie zu verdanken, dass die Mystery-Horror-Serie, die just in diesem Jahrzehnt in dem fiktiven Ort Hawkins in Indiana spielt, solch einen Kultstatus erreicht hat.
Netflix kann mit "Stranger Things" punkten
Der Hype um die Serie dürfte den Video-Streaming-Dienst Netflix im abgelaufenen Quartal dabei vor dem Schlimmsten bewahrt haben. Die vierte Staffel der Serie war die beliebteste, die der Streaming-Dienst nach eigenen Angaben je ausgestrahlt hat - zumindest in englischer Sprache. "Stranger Things" dürfte damit maßgeblich dazu beigetragen haben, den Kundenschwund bei Netflix abzumildern.
Tatsächlich hat der Videostreaming-Dienst im abgelaufenen Quartal nicht einmal halb so viele Abonnenten verloren wie vom Management befürchtet. Von April bis Juni sei die Zahl um 970.000 gesunken, teilte der US-Konzern gestern nach Börsenschluss mit.
Netflix-Aktie nach Zahlen gefragt
Im April hatte Netflix noch gewarnt, in dem Quartal würden wohl zwei Millionen Kunden verloren gehen. Das hatte Fragen zu den langfristigen Wachstumsaussichten aufgeworfen. Anleger reagierten daher mit großer Erleichterung auf die Zahlenvorlage. Die Netflix-Aktie legte nachbörslich knapp zehn Prozent zu.
Das Papier, das einst zu den großen Pandemie-Gewinnern gehört hatte, wurde an der Börse zuletzt nach unten durchgereicht. Im laufenden Jahr büßte die Netflix-Aktie fast zwei Drittel ihres Werts ein.
Starker Dollar als Belastungsfaktor
Der Ausblick bleibt jedoch verhalten. Für das laufende Vierteljahr rechnet Netflix lediglich mit rund einer Million neuen Nutzern. Hier hatten Analysten mit 1,84 Millionen deutlich mehr erwartet. Unterm Strich verdiente Netflix im abgelaufenen Quartal 1,44 Milliarden Dollar; vor einem Jahr waren es 1,35 Milliarden gewesen.
Zum abgelaufenen Quartal erklärte Netflix zudem, der Umsatz sei um neun Prozent auf 8,0 Milliarden Dollar gestiegen. Ohne den starken Dollar hätte das Plus 13 Prozent betragen, hieß es. Netflix ist allerdings nicht der einzige US-Konzern, der unter dem starken "Greenback" zu leiden hat. Zuletzt hatten auch IBM und Johnson & Johnson über negative Deviseneffekte geklagt.
Netflix plant Werbevariante
Die Belastungen und Herausforderungen für den Konzern, der sich zunehmender Konkurrenz durch Walt Disney, Warner Bros Discovery und Apple gegenübersieht, sind damit nicht kleiner geworden. Nach dem schwachen ersten Halbjahr steht bei Netflix vieles auf dem Prüfstand, auch langjährigen Traditionen. So brachte der Video-Dienst bei den jüngsten Staffeln seiner Hit-Serien "Stranger Things" und "Ozark" nicht mehr wie früher üblich alle Folgen auf einmal heraus.
Auch bei einem noch größeren Tabu hat Konzernchef Reed Hastings bereits klein beigegeben: Angesichts der schwachen Entwicklung der Nutzerzahlen wird Netflix eine günstigere Version seines Streaming-Dienstes mit Werbeclips anbieten. Damit bricht Netflix mit seiner Unternehmens-DNA, war der Konzern doch auch damit großgeworden, Werbung komplett aus seinem Angebot zu verbannen.
Um den Kundenschwund abzubremsen, kann Netflix derweil nur noch einmal auf "Stranger Things" hoffen. Denn schon jetzt ist klar: Es wird eine fünfte Staffel geben - doch sie wird die letzte sein.