Brennende Batterien E-Autos ein Risiko für die Schifffahrt?
Ein Jahr nach einem schweren Schiffsunglück, das möglicherweise von einem in Brand geratenen E-Auto verursacht worden war, verschifft eine Reederei keine Elektrofahrzeuge mehr. Wie gefährlich ist ihr Transport auf hoher See?
Vor rund einem Jahr sank der Autofrachter "Felicity Ace" vor der Küste der Azoren. Geladen hatte er Tausende Luxusfahrzeuge, die auf dem Weg nach Amerika waren; darunter auch Elektrofahrzeuge. Nun liegen die Luxusautos auf dem Grund des Atlantik, statt über Amerikas Straßen zu fahren, weil vermutlich die Lithium-Ionen-Batterien der E-Autos an Bord Feuer fingen. Genau ermitteln ließ sich die Brandursache nicht.
Erste Reederei zieht Konsequenzen
Die norwegische Reederei Havila Kystruten hat aus dem Unglück nun dennoch Konsequenzen gezogen: Als vermutlich erste Reederei weltweit stoppt sie den Transport von E-Autos auf ihren Schiffen. Im FAQ der Reederei heißt es: "Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos sind an Bord verboten." Verbrenner werden von den Schiffen aber nach wie vor befördert.
Der Schiffsnachrichtendienst TradeWinds zitiert den Geschäftsführer der Havila Kystruten, Bent Martini, das Verbot sei das Ergebnis einer "Sicherheitsbewertung". Martini sagte dem Nachrichtendienst: "Ein möglicher Brand in Elektro-, Hybrid- oder Wasserstoffautos erfordert externe Rettungsmaßnahmen und kann Menschen an Bord und auf den Schiffen gefährden."
Der brennende Frachter "Felicity Ace". Das Schiff hatte 1100 Porsche, 186 Bentleys und weitere rund 2700 VW-Fahrzeugen an Bord.
Feuer an Bord zählt zu den gefährlichsten Ereignissen
Für Jochen Schäfer, ehrenamtlicher Fachberater für Elektromobilität des Deutschen Feuerwehrverbandes, ist die Entscheidung der Reederei nicht nachvollziehbar: "Es gibt Systeme, wie Brände von E-Autos und Batterien auch an Bord eines Schiffes gut in den Griff zu bekommen sind", sagt er gegenüber tagesschau.de.
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie sieht das allerdings skeptisch. Seeleute seien zwar für die Bekämpfung von Bränden an Bord ausgebildet, "aber eben keine Berufsfeuerwehrleute", so eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage von tagesschau.de. "Feuer an Bord zählt immer zu den gefährlichsten Vorkommnissen." Und Christian Bubenzer, Experte der Dienststelle Schiffssicherheit, ergänzt: "Außerdem können nicht wie an Land weitere Feuerwehrleute und zusätzliche Ausrüstung zum Brandort nachgeführt werden."
Hier gebe es noch viel Nachholbedarf, räumt Schäfer ein. Seeleute müssten dafür entsprechend ausgebildet sein. Doch dass es "daran hakt", hätten einige Reedereien bereits erkannt: "Wir arbeiten zum Beispiel mit der Meyer Werft zusammen, um die Brandbekämpfung speziell an Bord eines Schiffes zu erproben und Seeleute zu schulen."
Zeitaufwändige Löscharbeiten
Ein Hauptproblem: Das Löschen von Elektroauto-Bränden ist vor allem zeitaufwändig, auch an Land. Ende Dezember legte ein mit E-Autos beladener Lkw den Verkehr auf der A2 nahe Magdeburg stundenlang komplett lahm, nachdem er Feuer gefangen hatte. In der Nähe von Ulm brannte Mitte Januar ein Transporter, der Elektro- und Hybridfahrzeuge geladen hatte - eine Bundesstraße musste über mehrere Stunden voll gesperrt werden.
Der Grund für die lang andauernden Rettungsmaßnahmen: Auch nach dem Ablöschen können sich Batterien erneut entzünden, weshalb sie gekühlt werden müssen. "Bei Elektroautos empfehlen wir als Deutscher Feuerwehrverband, die Batterie auf 60 Grad Celsius herunterzukühlen", sagt Experte Schäfer.
Die Schwierigkeit sei hier, an diese Batterien heranzukommen. "Die Batterien von E-Autos sind fest verbaut, damit sie bei Unfällen nicht aus der Verankerung rutschen." Deswegen müsse hier ein spezielles Training erfolgen, wie man im Ernstfall effektiv die Batterien löschen und kühlen kann.
Brände können leicht übergreifen
Ein besonderes Risiko stellt ein Brand dar, der im Inneren eines Schiffes entsteht: "Bei Bränden von E-Autos werden hochgiftige und ätzende Gase, vor allem Flusssäure und Phosphorwasserstoff, freigesetzt, was gerade in geschlossenen Ladedecks von Fähren besonders gefährlich ist", sagt Experte Bubenzer von der Dienststelle Schiffssicherheit: "Und das Löschen von Batteriebränden kann bis zu 24 Stunden dauern." Das allerdings könne die Stabilität des Schiffes beeinträchtigen, wenn zu viel Löschwasser verwendet wird.
Hinzu kommt, dass die Fahrzeuge, die an Bord eines Schiffes transportiert werden, oft eng aneinander geparkt sind, um Platz zu sparen. "Das erschwert aber die Erreichbarkeit von E-Autos für die Brandbekämpfung", sagt Bubenzer. Und mache es zudem wahrscheinlich, dass der Brand auf umstehende Fahrzeuge übergreift.
Sicherheitsvorgaben für Batterien
Damit es aber gar nicht erst soweit kommt, arbeitet man bei der International Maritime Organization, kurz IMO, an Möglichkeiten, wie Brände auf Schiffen möglichst frühzeitig erkannt werden können: "Als Reaktion auf die zunehmende Zahl von Zwischenfällen mit Bränden, die auf die Beförderung von Fahrzeugen mit alternativen Energien zurückzuführen sind, hat der Schiffssicherheitsausschuss (MSC) im April 2022 einen Vorschlag zur Bewertung der Angemessenheit von Brandschutz-, Detektions- und Löschvorkehrungen in Fahrzeug-Räumen vorgelegt, um das Brandrisiko von Schiffen zu verringern." Vom kommenden Jahr an werde sich der Sicherheitsausschuss mit dem Thema beschäftigen, teilte eine Sprecherin auf Anfrage von tagesschau.de mit.
Um das Risiko beim Transport zu minimieren, gibt es bereits jetzt einige Sicherheitsvorgaben, erklärt Bubenzer: "Dazu gehören zum Beispiel gesonderte Stellplätze auf den Ladedecks für E-Autos." Außerdem gibt es laut Bubenzer im "International Maritime Code for Dangerous Goods" (IMDG-Code) "spezielle Sicherheitsvorgaben und Prüfstandards für Lithiumbatterien".
"Völlig falsches Signal"
Allerdings betont Fachmann Schäfer auch, dass der Transport von Lithium-Ionen-Batterien nicht riskanter sei als der Transport von Verbrennern. Darum hält er ein Transportverbot an Bord der Havila Reederei-Schiffe für das "völlig falsche Signal" - zumal die Kreuzer der Reederei selbst große Batterien an Bord haben, um emissionsfrei fahren zu können. Diese sind laut der Reederei in feuerfesten, isolierten Räumen verbaut.
Der bessere Weg, mit der potenziellen Gefahr brennender E-Autos umzugehen, ist laut Schäfer die richtige Ausbildung der Crew, damit die im Ernstfall gut agieren kann.
Bislang ist beim Verband Deutscher Reeder nicht bekannt, dass deutsche Reedereien ähnliche Pläne verfolgen wie die norwegische Havila Kystruten. Denn auch eine erhöhte Anzahl von Schiffsbränden, die durch E-Autos verursacht wurden, sind dem Verband nicht bekannt. Vielleicht bleibt die Havila Kystruten also die Ausnahme.