Regierung legt Reformideen vor Briefe könnten künftig später ankommen
Die Koalition will die Regeln für den Briefmarkt überarbeiten. Das Wirtschaftsministerium hat erste Pläne vorgelegt, die der Post eine spätere Zustellung erlauben. Im Gegenzug sollen andere Anforderungen verschärft werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein Eckpunktepapier zur Reform des Briefmarkts in Deutschland vorgelegt. Die aus Sicht vieler Kunden wichtigste Änderung betrifft die mögliche Verlängerung der Laufzeiten. Derzeit müssen mindestens 80 Prozent der Briefsendungen in Deutschland am folgenden Werktag ausgeliefert werden, 95 Prozent müssen nach zwei Werktagen beim Empfänger ankommen.
"Die aktuellen Laufzeitvorgaben sind wenig aussagekräftig und sollen angepasst werden", schreibt das Ministerium in den Eckpunkten. "Stattdessen könnten Vorgaben mit längeren Laufzeiten und höherer Verbindlichkeit den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer in höherem Maße entsprechen."
Die Samstagszustellung soll bleiben
Einerseits wäre eine solche Anpassung eine Erleichterung für den Marktführer Deutsche Post, weil er dann weniger Zeitdruck beim Transport hätte. Allerdings könnte der Verzicht auf die 80-Prozent-Marke für die Zustellung am Folgetag mit einer höheren Anforderung für die Zustellung am zweiten oder einer hohe Pflichtquote für den dritten Tag kombiniert werden.
In jedem Fall ginge eine Verlängerung der Laufzeiten mit dem Ziel einher, im Gegenzug sicherzustellen, dass Sendungen zuverlässig beim Empfänger ankommen. Dabei könne etwa eine "effektive Sendungsverfolgung" helfen, so das Ministerium. Die aktuellen Regelungen, nach denen Briefe an allen Werktagen - und damit auch an Samstagen - zugestellt werden müssen, tastete das Ministerium in den Eckpunkten nicht an.
Schnelle Beförderung dürfte mehr kosten
Denkbar wären auf Basis der Vorschläge künftig auch Portomodelle, bei denen Verbraucher für eine garantiert schnelle Zustellung am nächsten Tag mehr zahlen. Solche Modelle hatte die Deutsche Post bereits ins Spiel gebracht. "Ein wettbewerblich geprägtes Umfeld bildet den geeigneten Rahmen für eine erfolgreiche Transformation der Postmärkte", heißt es in den Eckpunkten des Ministeriums.
Ein Ziel der Reformpläne besteht darin, den Wettbewerb zu verstärken. Um die künftigen Qualitätsregeln für den Brief- und Paketmarkt wirkungsvoller durchsetzen zu können, soll die Bundesnetzagentur nun "wirksame Anordnungs- und Sanktionsbefugnisse" erhalten. Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller erklärte in einer ersten Reaktion, seine Behörde begrüße "die Vorschläge für klarere Durchsetzungsregeln".
Das Dokument enthält eine Reihe weiterer Überlegungen zur anstehenden Gesetzesreform, die im als gemeinsames Projekt bereits im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP angekündigt worden war. So könnten Automaten - anders als im Moment - künftig eine Rolle spielen, um Filialnetz-Pflichten zu erfüllen. Die Post unterhält sogenannte Poststationen, bei denen man Pakete abholen und aufgeben sowie Briefmarken kaufen kann. Solche Automaten dürften gemeint sein.
Gesetzentwurf frühestens im Sommer
Das nun vorgelegte Eckpunktepapier ist eine Diskussionsgrundlage, um das Gesetzgebungsverfahren anzuschieben. Ein erster Gesetzentwurf könnte im Sommer vorgelegt werden. Wie die gesetzlichen Regeln am Ende aussehen werden, ist noch offen.
Das Postgesetz wurde zuletzt 1999 grundlegend überarbeitet - zu einer Zeit, als Briefe noch viel wichtiger waren als heute und Pakete nur eine Nebenrolle spielten. Insbesondere mit den Vorschlägen zur Verlängerung der Laufzeiten reagiert das Bundeswirtschaftsministerium auf die Entwicklung, dass der Zeitfaktor bei der Briefzustellung häufig keine große Rolle mehr spielt. Viele Menschen setzen bei dringenden schriftlichen Angelegenheiten eher auf Mails oder Chat-Nachrichten. "Die Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer an die verschiedenen Postdienstleistungen haben sich im Laufe der Zeit verändert", heißt es in dem Papier. "Beim Brief stehen heute Verlässlichkeit und Verbindlichkeit im Vordergrund, beim Paket Geschwindigkeit und Planbarkeit."
Post reagiert zurückhaltend
Die Post hatte angesichts rückläufiger Sendungsmengen und steigender Kosten immer wieder Änderungen an dem geltenden Gesetzeswerk angemahnt. "Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Bundesregierung die Anforderungen an die flächendeckende Postversorgung in Deutschland und den entsprechenden Rechtsrahmen neu regeln möchte", teilte sie mit. "Gerade in Hinblick auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausrichtung auf mehr soziale und ökologische Nachhaltigkeit bleibt das vorgelegte Papier weit hinter den Erfordernissen zurück und schafft zusätzliche Bürokratie", kritisierte der Konzern die Vorschläge aus dem Ministerium von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die Deutsche Post, deren größter Einzelaktionär der Bund ist, wolle nun im weiteren Gesetzgebungsprozess ihre Anregungen einbringen.
Der Verband BIEK, in dem Wettbewerber der Post wie etwa UPS organisiert sind, unterstrich, dass eine "wettbewerbsfördernde Modernisierung" der Regelungen zwingend geboten sei. "Im Eckpunktepapier werden grundsätzlich die richtigen Themen adressiert", erklärte der Verband. Quersubventionierungen bei der Post zwischen Brief- und Paketgeschäft müssten ausgeschlossen werden.
Der Bundesverband Briefdienste (BBD), in dem sich eher kleine Konkurrenten der Post zusammengeschlossen haben, wertete das Papier positiv. "Die Instrumente der Bundesnetzagentur werden wesentlich geschärft und damit der Wettstreit um die besten Leistungen und die günstigsten Preise auf eine faire Grundlage gestellt", sagte der Verbandsvorsitzende Walther Otremba.