Vorwürfe gegen Facebook Politiker fordern strengere Regulierung
Europäische Politiker sehen sich durch die Vorwürfe der Whistleblowerin Haugen gegen Facebook bestätigt: Onlinenetzwerke müssten besser kontrolliert werden, fordern sie. Techkonzerne stecken sehr viel Geld in Lobbyarbeit, um das zu verhindern.
Nachdem die Whistleblowerin Frances Haugen schwere Vorwürfe gegen ihren früheren Arbeitgeber Facebook erhoben hat, fordern Politiker in Europa, das Netzwerk stärker zu regulieren. Es sei nun "wirklich dringend", die schon geplanten Gesetzesvorhaben dazu umzusetzen und "nicht abzuschwächen", sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
Haugen hatte Facebook vor dem US-Kongress vorgeworfen, Profite vor die Sicherheit und das Wohlbefinden der Menschen zu stellen: "Die Unternehmensführung weiß, wie Facebook und Instagram sicherer gemacht werden können. Sie nimmt aber nicht die notwendigen Änderungen vor, weil sie ihre astronomischen Profite über die Menschen gestellt hat." Das habe Folgen für Menschen, Demokratie und Gesellschaft.
Der Konzern soll zum Beispiel Filter gegen Falschinformationen nach dem US-Wahlkampf abgeschaltet haben, um mehr Nutzer anzulocken. EU-Kommissar Breton sagte, das dürfe in Europa nicht passieren.
Die Ex-Facebook-Managerin Haugen belastet das soziale Netzwerk in einem Interview.
Teure Lobbyarbeit
Dem Europaparlament und dem Europäischen Rat liegen derzeit zwei Gesetzesvorhaben vor: der Digital Services Act und der Digital Markets Act. Sie sollen das Internet regulieren, beispielsweise bei personalisierter Werbung und illegalen Inhalten.
Allerdings stecken die Techkonzerne viel Geld in Lobbyarbeit bei der EU, um solche Gesetze zu verhindern oder abzuschwächen. Laut LobbyControl und Corporate Europe Observatory sind sie mit jährlich mehr als 97 Millionen Euro und mehr als 140 Lobbyisten inzwischen die am stärksten vertretene Branche in Brüssel - vor der Pharmaindustrie und der Finanzbranche.
Breton betonte, man solle der Lobbyarbeit nicht nachgeben und die Gesetzesvorhaben aufweichen. Nach einem Gespräch mit Haugen habe er "ihre Perspektive, insbesondere in Fragen von Transparenz, Daten und Algorithmen" verstanden.
Lambrecht: Selbstregulierung reicht nicht
Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will die sozialen Netzwerke zukünftig stärker regulieren. "Die jüngsten Enthüllungen um Facebook belegen, wie dringend wir in Europa eine starke und wirkungsvolle Regulierung sozialer Netzwerke brauchen", so Lambrecht. "In einem geeinten Europa betrifft es uns alle, wenn soziale Netzwerke mit ihren Algorithmen Hass und Hetze verstärken sowie politische und gesellschaftliche Fehlentwicklungen fördern."
Profitinteressen würden im Zweifel über gesellschaftliche Verantwortung gestellt. Deshalb reichten Apelle an Verantwortungsbewusstsein und Selbstregulierung nicht aus.
Grütters: Marktmacht eingrenzen
Berlins Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will die Marktmacht großer Plattformen eingrenzen. "Der Ausfall mehrerer Facebook-Dienste am vergangenen Montag, aber auch die Äußerungen der ehemaligen Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen haben einmal mehr gezeigt, wie abhängig viele Menschen weltweit von diesen Diensten sind - sowohl technisch als auch inhaltlich und kommunikativ", so Grütters. Deshalb müsse die mit Hochdruck an Digital Services Act und Digital Markets Act weiterarbeiten.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte die Vorwürfe gegen sein Unternehmen zurückgewiesen. Was Haugen schilderte, sei "einfach nicht wahr" und "zutiefst unlogisch". Er kenne keinen Tech-Konzern, der Produkte herstelle, die Menschen wütend oder depressiv machten.