Fertigstellung der neuen Halle zur U-Boot-Produktion bei ThyssenKrupp Marine Systems GmbH.
analyse

Bund erwägt Einstieg bei TKMS Entsteht ein deutscher Marine-Champion?

Stand: 12.09.2023 17:51 Uhr

Es tut sich was im deutschen Marineschiffbau. Der Ukraine-Krieg und der angestrebte Verkauf der Thyssenkrupp-Tochter TKMS machen eine Konsolidierung der Branche wahrscheinlich.

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Dieser Besuch hatte hohe Symbolkraft: Schon bevor Verteidigungsminister Boris Pistorius zum offiziellen Baubeginn einer neuen U-Boot-Serie in Kiel eintraf, hatten sich die Spekulationen um eine Konsolidierung im deutschen Marineschiffbau verdichtet. Vor Ort bei Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) bestätigte der SPD-Politiker dann das Interesse des Bundes, bei der Marine-Tochter des Konzerns einzusteigen.

"Dass wir wollen, steht außer Frage", sagte Pistorius. Die Überlegungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen, und eine Entscheidung werde mindestens bis Ende des Jahres dauern. Zuvor hatte das "Handelsblatt" von Erwägungen des Bundes berichtet, einen Anteil von 20 Prozent oder mehr an der Marinewerft zu erwerben.

Auch die Arbeitnehmerseite hatte sich zuletzt für einen Staatseinstieg stark gemacht. "Wir brauchen den Staat als Ankerinvestor und als starken Kunden", hatte der Chef der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, vergangene Woche gefordert.

Branchenprimus steht zum Verkauf

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz im Zuge des Ukraine-Krieges ausgerufene "Zeitenwende" scheint nun also auch im deutschen Marineschiffbau anzukommen.

TKMS, an dessen Eigenständigkeit die Konzernmutter schon seit einiger Zeit arbeitet, gilt als Kern einer Konsolidierung der Branche. "Eine verselbstständigte Marine Systems ist ein besserer Weg nach vorne: für Thyssenkrupp, TKMS, für unsere Kunden, für Berlin und damit für Deutschland", erklärte jüngst Unternehmenschef Oliver Burkhard.

Der Branchenprimus ist nach eigenen Angaben weltweit führend beim Bau konventioneller U-Boote. TKMS baut aber auch Fregatten, Korvetten und Anlagen zur Bergung alter Munition und hat mit rund 6.500 Beschäftigten zuletzt rund 1,8 Milliarden Euro umgesetzt. Der kleinere Konkurrent Naval Vessels Lürssen (NVL) der Bremer Lürssen-Gruppe kommt mit rund 1.800 Beschäftigten auf etwa 900 Millionen Euro Umsatz. Die dritte deutsche Marinewerft ist die Kieler German Naval Yards, die zu einer europäischen Unternehmensgruppe gehört.

Ein deutscher "Marineschiff-Champion"?

Wie könnte die schon seit Jahren diskutierte Konsolidierung der Branche aussehen? Im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im August hatte der Co-Chef der Lürssen-Gruppe Peter Lürßen einen Zusammenschluss der beiden großen Wettbewerber und schließlich die Einbringung von German Naval Yards im Lauf der kommenden fünf Jahre skizziert.

Als strategisch sinnvoll wird von den Branchenvertretern auch ein Börsengang von TKMS vor oder nach der Konsolidierung von NVL eingeschätzt. Zuvor aber müsste die Thyssenkrupp-Tochter noch börsenfähig gemacht werden. Die dafür notwendige Expertise sucht man offenbar bei einem Finanzinvestor, der die dringend notwendige Umstrukturierung begleiten könnte. Laut "Handelsblatt" gilt der US-Private-Equity-Fonds Carlyle als wahrscheinlichster Käufer eines Mehrheitsanteils, nachdem es zuvor schon Gespräche mit weiteren Branchengrößen wie KKR, Advent und Triton gegeben habe.

Mit einem Börsengang könnte der Finanzinvestor seinen Anteil dann wieder - voraussichtlich mit ordentlichem Gewinn - weiterreichen. TKMS würde damit hinter Rheinmetall zum zweitgrößten deutschen Rüstungskonzern am Kapitalmarkt.

Konsolidierung könnte noch weiter gehen

Im derzeitigen geopolitischen Umfeld dürfte der Bund an der strategischen Vision eines deutschen "Marineschiff-Champions" Gefallen finden. Perspektivisch wird aber auch bereits eine europäische Lösung diskutiert, die sich an die Konsolidierung nationaler Verbünde anschließen könnte.

Dahinter steht auch eine strategische Logik. Während etwa die USA ihre Verteidigung auf eine Handvoll größerer Waffensysteme stützen, ist der europäische Rüstungsmarkt vergleichsweise zersplittert, und die nationalen Armeen setzen auf eine ganze Reihe verschiedener Plattformen und Systeme.

Im Marinebereich könnten erste Schritte zu einer Konsolidierung also kurz bevorstehen. Die Gelegenheit ist jedenfalls da.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR 1 Welle Nord - Nachrichten für Schleswig-Holstein am 12. September 2023 um 14:00 Uhr.