Angeschlagener Energiekonzern Aktionäre stimmen für Verstaatlichung
Die Anteilseigner von Uniper haben für den Rettungsplan durch den Bund gestimmt. Damit steht der Verstaatlichung des schwer angeschlagenen Gasversorgers nichts mehr im Weg. Wirtschaftsminister Habeck rechnet noch vor Weihnachten mit EU-Auflagen für den Schritt.
Der finanziell in Schieflage geratene Energiekonzern Uniper SE wird wie erwartet verstaatlicht. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung haben die Aktionärinnen und Aktionäre dem Vorhaben ihre Zustimmung erteilt. Es galt bereits als sicher, dass die eingereichten Anträge eine Mehrheit finden. "Diese Situation schmerzt, aber es gibt nun einmal keine anderen Optionen", sagte Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach.
Zuvor hatten die Bundesregierung und Uniper einen Rahmenvertrag zur Konkretisierung der am 21. September 2022 vereinbarten Maßnahmen zur Stabilisierung des Unternehmens geschlossen, wie Uniper am Morgen mitteilte. Die Rettungsaktion von Deutschlands größtem Gasversorger kostet den Bund viele Milliarden Euro: Im Einzelnen sieht das Paket unter anderem eine Kapitalerhöhung über acht Milliarden Euro sowie den Erwerb der Uniper-Anteile des bisherigen Mehrheitsaktionärs Fortum vor. Bis zu 25 Milliarden Euro sollen zudem durch die Ausgabe neuer Aktien hereinkommen.
Rekordverlust durch Stopp russischer Gaslieferungen
99,46 Prozent der vertretenen Aktionärsstimmen stimmten bei der virtuellen Versammlung für die milliardenschwere Kapitalerhöhung. 99,55 Prozent der anwesenden Stimmen gaben zudem ihr Go für das genehmigte Kapital von bis zu 25 Milliarden Euro. Auf dem Aktionärstreffen waren mehr als 82 Prozent des Kapitals vertreten.
Uniper will das Geld nutzen, um die roten Zahlen 2022, 2023 und 2024 auszugleichen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres fuhr das Unternehmen wegen der erst reduzierten und Ende August dann komplett gestoppten russischen Gaslieferungen einen Nettoverlust von 40 Milliarden Euro ein und wurde zu einem Symbol für die Gaspreiskrise. Der Fehlbetrag ist der höchste eines deutschen börsennotierten Unternehmens seit Bestehen der Bundesrepublik.
Der Grund: Der Konzern muss die Stadtwerke und Industrieunternehmen weiter beliefern und sich dafür am teuren Spotmarkt Ersatz für die ausbleibenden Importe aus Russland beschaffen. Die hohen Kosten kann Uniper wegen langfristiger Verträge allerdings nicht an seine rund 1000 Kunden weitergeben. Täglich ergibt sich so ein Mehraufwand in zweistelliger Millionenhöhe bis sogar mehr als 200 Millionen Euro. Uniper will deshalb vor einem internationalen Schiedsgericht Schadenersatz von Gazprom erstreiten.
"Wahl zwischen Pest und Cholera"
Uniper-Chef Maubach hatte schon am Wochenende in einer vorab veröffentlichten Rede die Aktionäre gebeten, den mit der Bundesregierung vereinbarten Stabilisierungsmaßnahmen zuzustimmen. Sie seien für die Zukunft des Unternehmens unerlässlich. Denn die "außerordentlichen finanziellen Belastungen" hätten dazu geführt, dass Uniper mehr als die Hälfte seines Grundkapitals verloren hat, so Maubach.
Die Anteilseigner - darunter der finnische Mehrheitsaktionär Fortum - erhalten einen Stückpreis von 1,70 Euro pro Aktie. "Die Aktionäre haben die Wahl zwischen Pest und Cholera", betonte Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) am Vormittag im Update Wirtschaft der ARD-Finanzredaktion. Im Falle einer Insolvenz hätten sie gar nichts von ihrem Geld wiedergesehen, nun bekämen sie immerhin einen kleinen Teil.
Auch Uniper selbst ließ keinen Zweifel daran, was dem Düsseldorfer Versorger ohne die Verstaatlichung drohe. "Eine eventuelle Insolvenz würde aus Sicht des Vorstands zum vollständigen Verlust für die Aktionäre führen", sagte Maubach.
Bund erhält Mitsprache- und Kontrollrechte
Der Bund besitzt künftig etwa 98,5 Prozent der Anteile an Uniper. Verantwortlich für die Beteiligung wird das Bundesfinanzministerium sein. Das Bundeswirtschaftsministerium kündigte den Vollzug "voraussichtlich noch in dieser Woche" an. Uniper sei eine "zentrale Säule der deutschen Energieversorgung". Durch die mehrheitliche Übernahme bekommt der Bund wesentliche Mitsprache- und Kontrollrechte bei dem Unternehmen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland sicherstellen zu können.
Gemeinsames Ziel sei es außerdem, "die Energieversorgung in Deutschland nachhaltig aufzustellen und damit auch dem Unternehmen und seinen Beschäftigten eine Zukunftsperspektive zu geben", hieß es von Uniper. Wie genau diese Zukunft nach dem Staatseintritt aussehen wird, ist noch unklar.
Der Kapitalmarkt stelle sich in solchen Fällen immer mehrere Fragen, sagte Aktionärsschützer Nieding. "Die erste Frage ist, wann und wie der Staat wieder rausgehen will. Die zweite Frage ist, ob er seinen politischen Einfluss auf das Unternehmen ausüben wird." Uniper verdiene sein Geld neben dem Gasgeschäft auch als Betreiber von Kohlekraftwerken und habe zudem eine Beteiligung an einem Atomkraftwerk in Schweden.
Auflagen noch unklar
"Das sind gerade die Energieträger, die diese Regierung eigentlich gar nicht unterstützt", so der DSW-Experte. Der Staat müsse jetzt klar machen, wo die Reise hingehe. Heute teilte der Energiekonzern mit, dass er vorerst an seinen Atomkraftwerks-Beteiligungen in Schweden festhalte. Es bestünden derzeit von Uniper keine Absichten, das Kernenergiegeschäft, die Wasserkraftwerke in Schweden oder Teile davon zu verkaufen.
Offen ist darüber hinaus ebenfalls, unter welchen Auflagen die Übernahme stattfindet. Die EU-Kommission hatte die Verstaatlichung des Konzerns aus wettbewerbsrechtlichen Gründen am Freitag zwar genehmigt, die beihilferechtlichen Details aber nicht bekanntgegeben. Beobachter gehen davon aus, dass Uniper Teile seines Geschäfts abgeben muss.
Habeck rechnet mit schnellen EU-Auflagen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rechnet nach eigenen Worten noch vor Weihnachten mit Auflagen der EU-Kommission für die Verstaatlichung. Zudem sagte der Grünen-Politiker: "Ich rechne damit, dass die Kommission einer Logik folgt, die sagt: Wenn der Staat mit Steuergeld ein Unternehmen stützt, dann muss der Marktanteil in irgendeiner Form beschränkt werden."
Dies diene dazu, dass der Wettbewerb durch die Staatshilfe nicht verzerrt werde. Er rechne zudem bei den Auflagen mit fairen Bedingungen.