Weiterer "Wednesday"-Rekord Tanzt sich Netflix wieder nach oben?
Streaming-Aktien wie Netflix und Disney haben ein brutales Börsenjahr 2022 hinter sich. Doch 2023 könnte Netflix wieder zum Sprung nach oben ansetzen - nicht nur dank des Serienerfolgs "Wednesday".
Der Netflix-Streaming-Hit "Wednesday" darf einen weiteren Rekord sein Eigen nennen: Mit 103,96 Millionen angesehenen Stunden zwischen Weihnachten und Neujahr hat die Mystery-Comedy-Serie dem US-Konzern zufolge jetzt in sechs aufeinanderfolgenden Wochen jeweils mehr als 100 Millionen gestreamte Stunden eingesammelt. Das habe es bisher noch nie gegeben.
#wednesdaydance ist Kult
Die Serie "Wednesday" dreht sich um die gleichnamige Tochter der verschrobenen Gruselfamilie Addams. Zum Kult entwickelte sich dabei vor allem ein Tanz der Hauptdarstellerin Jenna Ortega, der in Netzwerken wie TikTok viral ging (#wednesdaydance). Für ihre Choreographie ließ sich die 20-Jährige von tanzenden Teenagern aus der Gothic-Szene, aber auch von Sängerinnen wie Siouxsie Sioux, Lene Lovich und Nina Hagen inspirieren.
Der extreme Erfolg der "Wednesday"-Serie könnte nun wiederum die Netflix-Anleger inspirieren. Weckt der Platzhirsch damit doch Hoffnungen, dass die großen Streaming-Konzerne ihre besten Zeiten womöglich doch noch nicht hinter sich haben.
Netflix-Aktie war 2022 ein Kapitalvernichter
Einen Hoffnungsschimmer können die geplagten Netflix-Aktionäre auf alle Fälle gut gebrauchen, war 2022 für sie doch ein Jahr zum Abhaken. Die Marktkapitalisierung des einstigen Anlegerlieblings brach im Jahresverlauf von über 300 Milliarden US-Dollar auf zeitweise unter 100 Milliarden US-Dollar ein.
Im April sorgte die Meldung, dass der Konzern im ersten Quartal 200.000 Abo-Mitglieder verloren hatte, für einen veritablen Kurssturz: Binnen nur zwei Tagen wurden 55 Milliarden US-Dollar Börsenwert vernichtet. Von diesem Schock konnte sich die Aktie im Jahresverlauf nur ganz allmählich und auch nur teilweise wieder erholen. Am Ende stand immer noch ein dickes Kursminus von 58 Prozent für das abgelaufene Jahr.
Hohe Inflation lässt Streaming-Kunden zaudern
Der desaströse Chartverlauf der Netflix-Aktie spiegelt die tieferliegenden Probleme des Konzerns und des gesamten Sektors wider. So erreichte der Wettbewerb in der Streaming-Branche im vergangenen Jahr ein Rekordhoch. Angesichts weltweit hoher Inflationsraten schnallten zudem Verbraucher die Gürtel enger und wurden auch bei der Auswahl ihrer Streaming-Abos wählerischer.
Das bekamen nicht nur Netflix, sondern auch Konkurrenten wie Disney+, HBO und Apple TV+ zu spüren. Einige Branchenexperten rechnen vor diesem Hintergrund bereits mit einer Konsolidierung in der Branche. Gegenüber dem US-Sender CNBC äußerten zwei namentlich nicht genannte Chefs aus der Medienbranche die Vermutung, Netflix könne 2023 mit einem Rivalen fusionieren; Paramount Global und Disney wurden als mögliche Partner genannt.
Netflix will Account-Sharing kostenpflichtig machen
Andere Branchenkenner trauen Netflix derweil auch im Alleingang eine Renaissance zu. So rechnet etwa Beth Kinding, Vorstandsvorsitzende und führende Tech-Analystin des I/O Fonds, damit, dass Netflix noch in diesem Jahr zu seinen herausragenden Nutzerzahlen-Wachstumsraten des Pandemie-Jahres 2021 zurückkehren könnte. In einem "Forbes"-Beitrag verweist sie auf eine Ankündigung des Konzerns vom Herbst vergangenen Jahres.
Danach will der Streaming-Gigant ab Frühjahr 2023 das bislang gängige Teilen der Zugangsdaten für ein Konto verbieten. Künftig sollen Nutzer für das Account-Sharing zahlen - das dürfte sowohl Nutzerzahlen als auch Erlöse kräftig anziehen lassen, vermuten Branchenkenner. Wie genau das neue kostenpflichtige Account-Sharing ausgestaltet sein wird, und wann es an den Start gehen soll, ist allerdings noch unklar.
Einsteiger-Abo mit Werbung als Umsatztreiber?
Doch das ist nicht die einzige Neuerung, mit der Netflix den Marktspekulationen über eine Sättigung des Streaming-Markts entgegentreten möchte: Der Disney-Rivale könnte durch die Einführung eines günstigeren werbebasierten Einsteiger-Abo-Modells seine Nutzerschar nochmals erweitern und seinen Marktanteil ausbauen, erklärt Tech-Expertin Kinding.
Sie erwartet vor diesem Hintergrund für 2023 eine Beschleunigung des Umsatzwachstums, nicht zuletzt dank steigender Werbeeinnahmen. In Deutschland ist das "Basis-Abo mit Werbung" seit November verfügbar und kostet statt 7,99 Euro nur 4,99 Euro.
Netflix ist profitabel - im Gegensatz zu Disney+
Auch Analyst Kenneth Leon von CFRA Research traut Netflix im neuen Jahr noch viel zu. Soeben hat der Branchenexperte sein Preisziel für die Aktie von 225 auf 310 US-Dollar angehoben und den Titel um gleich zwei Stufen von "Sell" auf "Buy" hochgestuft. Seiner Meinung nach dürfte es die Konkurrenz schwer haben, mit Netflix aufzuschließen.
Mit Blick auf die Profitabilität macht dem Streaming-Platzhirsch tatsächlich niemand so schnell etwas vor: So haben es Rivalen wie Disney+ und Amazon Prime Video zwar geschafft, ihre Zuschauerzahlen rasch auszubauen. Doch sie alle verlieren bislang Geld - dem steht ein positives operatives Ergebnis von jährlich fünf bis sechs Milliarden US-Dollar bei Netflix gegenüber.
Die Netflix-Streaming-Saga ist somit womöglich noch lange nicht an ihrem Ende: Vor allem das profitable Geschäftsmodell sowie die Aussicht auf wieder deutlich steigende Nutzerzahlen und Erlöse könnten der Aktie im noch jungen Börsenjahr einen Schub geben. Werden die Anleger 2023 am Ende feststellen müssen, dass der Kurssturz der Netflix-Aktie im vergangenen Jahr eine Kaufgelegenheit war?