Bauen und Klimawandel Platzt der Traum vom Eigenheim?
Der Neubau von Gebäuden verursacht hohe CO2-Emissionen. Manche Städte wollen den Bau von Einfamilienhäuser nur noch in Ausnahmefällen genehmigen. Lassen sich KIimaschutz und bezahlbares Wohnen miteinander vereinbaren?
Klimaschutz und bezahlbares Wohnen lassen sich oft nur schwer miteinander vereinbaren - besonders beim Bau von Einfamilienhäusern. 45,1 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland sind bereits versiegelt. Und die Versiegelung nehme rasant zu, warnt Anett-Maud Joppien von der TU Darmstadt: "Täglich werden in Deutschland 80 Fußballfelder für neue Verkehrsflächen und Bebauungsflächen belegt. Dieser Flächenfraß muss zugunsten der Erhaltung von Freiflächen aufhören." Das Problem bebauter Flächen: Regenwasser kann nicht versickern, versiegelte Flächen heizen sich stärker auf als Grünflächen.
Traum vom Eigenheim noch zeitgemäß?
Viele Städte wie Frankfurt, Münster und Hamburg wollen den Bau von Einfamilienhäuser nur noch in Ausnahmefällen genehmigen. Sie setzen stattdessen auf Mehrfamilienhäuser, um weniger Fläche für mehr Menschen zu bebauen. Aber nicht nur in den großen Städten, auch in kleinen Gemeinden mit vielen Freiflächen ist dieses Problem angekommen.
Zum Beispiel Büchenbach im Raum Nürnberg. Rund 5200 Menschen leben hier, überwiegend in Einfamilienhäusern. Hier wurden in der Vergangenheit viele Neubaugebiete für Einzelhäuser erschlossen. Bürgermeister Helmut Bauz (UWG), seit 20 Jahren im Amt, will das beenden. Freiflächen seien nicht nur fürs Klima wichtig, sondern auch für die Landwirtschaft, "damit wir uns selber in diesem Land versorgen können und nicht nur auf Importe angewiesen sind".
Dem entgegen steht der Traum vom Eigenheim, den die große Mehrheit der Menschen in Deutschland hat. "Das ist ein Traum, der zerplatzt", sagt Joppien. Das Einfamilienhaus sei der Traum vieler Menschen, "aber wir müssen umdenken und andere Wohnformen akzeptieren."
Strenge Klima-Vorgaben treiben die Preise
Der Druck ist groß. Immerhin fehlen in Deutschland aktuell eine Million bezahlbare Wohnungen, sagt Axel Tausendpfund vom Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft. Ob und wann die gebaut werden, steht in den Sternen. Die hohen energetischen Anforderungen treiben die Baukosten nach oben: in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 300 Prozent für einen Quadratmeter Wohnfläche.
Um dann noch kostendeckend vermieten zu können, müssten Mieten von 16 bis 20 Euro pro Quadratmeter genommen werden. Man dürfe das eine nicht gegen das andere ausspielen, warnt Tausendpfund. Es müsse am Ende gelingen, die Bezahlbarkeit des Wohnens und den Klimaschutz in Einklang zu bringen.
Hohe CO2-Emissionen durch Bauen
Der Grund für die immer schärferen Klima-Vorgaben: die hohen CO2-Emissionen. Für 38 Prozent sind das Bauen und Wohnen verantwortlich. Vor allem der Abriss und Neubau sowie der Betrieb älterer Gebäude treiben die Werte nach oben.
An diese Erkenntnisse hat die Regierung Anfang des Jahres ihre Förderpolitik angepasst: 2020 wurden Sanierungen noch mit fünf Milliarden gefördert, der Neubau mit zehn Milliarden Euro. Jetzt ist es genau anders herum: Die Sanierungen steigen auf 13 Milliarden Euro, die Förderung für Neubauten werden auf 1,9 Milliarden Euro gekürzt.
Auch der Umbau von Bestandsimmobilien wie zum Beispiel die Umwandlung von Bürogebäuden in Wohnungen soll damit vorangetrieben werden. Das ist aber mit durchschnittlich 5000 Euro pro Quadratmeter noch so teuer, dass diese Maßnahmen kaum eine Rolle spielen.
Hohe Zahl an Abrissen belastet Klima
Das Fatale: Es sei günstiger, abzureißen und neu zu bauen, sagt Tausendpfund. Die Zahl der Abrisse liegt auf hohem Niveau. Etwa 14.000 Gebäude werden jährlich beseitigt und ersetzt, belegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Doch Abriss belastet Klima und Ressourcen, und er zerstört oft dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum.
Und nicht nur der Bau, auch das Wohnen ist in der Klimafrage ein immenser Faktor: 60 Prozent aller Häuser sind älter als 40 Jahre und haben eine entsprechend geringe Energieeffizienz. Umso entscheidender wird sein, ob es gelingt, mehr zu sanieren und weniger zu neu bauen.
Über dieses Thema berichtete das ARD-Magazin Plusminus am 19. Juli 2023 um 21:45 Uhr.