Nach BGH-Urteil Können Bankkunden nun Gebühren zurückfordern?
Mehrere Institute wollen geplante Erhöhungen der Kontoführungsgebühren vorerst auf Eis legen. Grund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Manche Verbraucherschützer halten zurückliegende Anhebungen für unwirksam.
Schweigen ist keine Zustimmung. Das ist die Kernaussage des jüngsten Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Praxis der Banken, dass Kunden Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht ausdrücklich zustimmen müssen. Zwar ging es in dem Urteil um Gebührenänderungen der Postbank, doch auch andere Banken haben rasch reagiert.
So hat die Online-Tochter der Commerzbank, Comdirect, ihr Vorhaben, ab Mai eine Kontoführungsgebühr zu erheben, auf Eis gelegt. Man wolle die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und im Anschluss eine Bewertung vornehmen, erklärte das Institut. Eigentlich wollte die Comdirect das Girokonto nur noch dann kostenlos anbieten, wenn Kunden es aktiv nutzen. Heißt: Monatlicher Geldeingang von 700 Euro, drei Zahlungen via Apple Pay beziehungsweise Google Pay oder mindestens eine Wertpapiertransaktion. Ansonsten sollte es pro Monat 4,90 Euro kosten.
Auch Commerzbank wartet auf Urteilsbegründung
Betroffen sind auch viele der elf Millionen Kunden der Commerzbank. Das Frankfurter Geldhaus will ab 1. Juli das bislang kostenfreie "Vorteilskonto" einstellen und stattdessen für das in "Pluskonto" umgetaufte Girokonto eine monatliche Gebühr in Höhe von 4,90 Euro erheben. Die Entscheidung gelte, so die Bank, wenn die Kunden ihr nicht explizit widersprächen. Offiziell hält das Geldhaus an seinem Vorhaben fest, doch einem Sprecher zufolge wird es die schriftliche Urteilsbegründung des BGH abwarten und dann entscheiden, wie es weiter geht.
Überraschend ist das Ende der kostenlosen Girokonten nicht. Die ebenfalls unter der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank leidenden Sparkassen haben bereits vor Monaten damit begonnen, ihre Gebühren drastisch anzuheben.
Immer weniger kostenfreie Konten
Auch die Sparkasse Köln-Bonn, mit 500.000 Kunden eine der größten des Landes, will die monatlichen Kontoführungsgebühren auf mindestens 5 Euro erhöhen. Die für Bestandskunden geplante Einführung zum 1. Juli will das Institut ebenfalls von der Urteilsbegründung abhängig machen. Bereits jetzt kassieren viele Sparkassen Gebühren für das Bezahlen mit EC-Karte (im Durchschnitt 0,33 Cent) und erheben Negativzinsen auf das Guthaben von Kunden. So hat sie Stadtsparkasse Düsseldorf den Freibetrag für Neukunden auf 50.000 Euro abgesenkt.
Gleichzeitig geht die Zahl der Institute, die ihren Kunden noch kostenlose Konten anbieten, stetig zurück. Lediglich Onlinebanken wie N26 oder die DKB, eine Tochter der BayernLB, verlangen noch kein Entgelt für ihre Girokonten. Die hierzulande sehr beliebte Onlinebank ING, ehemals Diba, bietet ein kostenloses Konto, wenn dort monatlich 700 Euro eingehen oder die Kunden unter 28 Jahre alt sind. Ähnliche Angebote gibt es auch von der PSD-Bankengruppe. Die Deutsche Bank bietet Studenten, Schülern und Azubis ein kostenloses Girokonto an. Alle anderen Kunden müssen im Monat zwischen 6,90 Euro und 13,90 Euro berappen. Änderungen sind einem Sprecher zufolge zunächst nicht geplant.
Nullzinspolitik bringt Geldhäuser unter Druck
Dennoch ist kaum zu erwarten, dass nun Millionen Bankkunden zu günstigeren Angeboten wechseln, denn ein solcher Schritt ist mühsam und könnte sich auch als vergebens erweisen, denn angesichts einer anhaltenden Nullzinspolitik der Notenbanken stehen inzwischen alle Geldinstitute unter zunehmendem Druck. Für Commerzbank-Chef Manfred Knof ist die Neubepreisung von Konten sogar einer der Kernpunkte seiner Strategie, der Bank neue Einnahmequellen zu erschließen.
Branchenbeobachter erwarten, dass früher oder später alle Banken, Sparkassen und Volksbanken Kontoführungs-Gebühren verlangen werden. Zudem steht es den Geldhäusern natürlich frei, für ihre Dienstleistungen ein gewisses Entgelt zu verlangen. Einzig die bisherige Praxis gilt seit dem BGH-Urteil nicht mehr. Sie bestand darin, die Kunden mindestens zwei Monate vorher zu informieren und Änderungen dann als vereinbart zu betrachten.
Stiftung Warentest: Erhöhungen nach 2018 unwirksam
Was das Urteil nun bedeutet, ist umstritten. Die Experten der Stiftung Warentest sind überzeugt, dass "so ziemlich alle Gebührenerhöhungen" von Banken und Sparkassen nach dem 1. Januar 2018 unwirksam seien. Das Recht auf Erstattung früherer Beträge sei verjährt. Erhöhungen der Kontoführungsgebühren und anderer Preise seien nur dann wirksam, wenn Kunden damit einverstanden waren. Das habe es jedoch so gut wie nie gegeben, so die Stiftung.
"Wir kennen keine Bank oder Sparkasse, die Preiserhöhungen nach Kontoeröffnung von der Zustimmung der Kunden abhängig gemacht hat. Solche Preiserhöhungen sind daher unwirksam", schlussfolgern die Juristen der Stiftung. Nur die bei Kontoeröffnung gültigen Gebühren dürften Sparkassen und Banken behalten. Allerdings lehre die Erfahrung, dass die Kunden das Recht auf Erstattung der Gebühren explizit einfordern müssen. Oft sei es deshalb notwendig, Rechtsanwälte oder sogar Gerichte einzuschalten.
Etwas vorsichtiger äußert sich die Verbraucherzentrale Hessen. Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf Verträge anderer Institute als der Postbank haben. Aber die Reaktionen der anderen Banken und Sparkassen ließen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nur schwer abschätzen. Erst müsse die Urteilsbegründung abgewartet werden. Das kann mehrere Wochen dauern.