Verspätete oder verlorene Briefe Wenn der Postmann keinmal klingelt
Die Deutsche Post soll mehr Zeit für die Zustellung von Briefen bekommen. Bislang gilt: Zugestellt wird am nächsten Werktag. Theoretisch jedenfalls.
"Vier Tage kommt keine Post und dann ein ganzer Haufen auf einmal", sagt Winfried Flügge aus dem rheinland-pfälzischen Speyer. Regelmäßig muss er lange auf Briefe warten, obwohl manchmal wichtige Dokumente dabei sind. Einmal zum Beispiel ein dringend erwartetes Arztrezept für seine Frau. "Als es nach sechs Tagen immer noch nicht da war, haben wir wieder beim Arzt angerufen." Der hatte den Brief längst verschickt, am Ende war das Rezept eine ganze Woche unterwegs.
Klare zeitliche Vorgaben
Und das, obwohl die Post laut aktuellem Postgesetz 80 Prozent der Briefe nach einem Werktag zustellen muss. Nach zwei Werktagen müssen eigentlich 95 Prozent beim Empfänger sein. Das klappt längst nicht überall. Deutschlandweit haben sich im vergangenen Jahr rund 40.000 Kunden bei der zuständigen Bundesnetzagentur beschwert.
Die SWR-Sendung Zur Sache Rheinland-Pfalz hat den Test gemacht und 20 Briefe von verschiedenen Orten in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen an die gleiche Adresse geschickt. Das Ergebnis: Alle Briefe kamen mit der gleichen Lieferung - nach drei Werktagen.
Künftig zuverlässiger, aber langsamer?
Mit dem neuen Postgesetz soll die Post zuverlässiger werden. Dafür bekommt sie mehr Zeit, um Briefe zuzustellen. Ziel ist, dass nach drei Tagen 95 Prozent der Briefe ankommen. Am vierten Werktag sollen es 99 Prozent sein. Für die Bundesnetzagentur ist die Reform notwendig. Die Situation habe sich durch Digitalisierung, weniger verschickte Briefe und mehr verschickte Pakete geändert. Darauf müsse ein neues Gesetz reagieren.
Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium begründet die Reform damit, dass geringere Briefmengen die Post vor logistische und finanzielle Herausforderungen stellten. "Die Kosten des Briefnetzes müssen auf immer weniger Briefe verteilt werden", schreibt das Ministerium auf Anfrage.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät, wenn es eilig ist, Einwurf-Einschreiben oder Einschreiben mit Rückschein anstelle von Standardbriefen zu verschicken. Der gewöhnliche Brief verliere immer mehr an Bedeutung. Post-Kunden bevorzugten "nicht unbedingt die schnellste Zustellung, sondern die zuverlässigste", beruft sich die Verbraucherzentrale auf eigene Umfragen.
"Reine Profitmaximierung"
Die längeren Zustellungszeiten seien ein klarer Qualitätsverlust, sagt dagegen Jürgen Knoll von der Gewerkschaft ver.di Ludwigshafen. Für das gleiche Porto wartet man länger auf den Brief.
Knoll befürchtet außerdem, dass die Post nach der Reform Arbeitsplätze streichen könnte. "Wenn ich nur alle drei Tage zustelle, brauche ich weniger Leute. Das ist reine Profitmaximierung." Und das, obwohl schon jetzt Personal fehle.
Strengere Regeln für Subunternehmen
Dabei ist ein Ziel des Bundeswirtschaftsministeriums, die Arbeitsbedingungen für Zustellerinnen und Zusteller zu verbessern - vor allem für diejenigen, die nicht nur Briefe, sondern auch Pakete austragen. Viele Betriebe in der Branche arbeiten mit Subunternehmen; kleine Firmen, die die Zustellung in bestimmten Regionen übernehmen. "Die haben keinen Betriebsrat und keinen Tarifvertrag", sagt Knoll. "Wir brauchen dringend ein Verbot von Subunternehmen."
So weit geht das Wirtschaftsministerium nicht. Nach der Reform sollen Auftraggeber aber regelmäßig prüfen müssen, ob ihre Subunternehmer bestimmte Kriterien erfüllen. Außerdem sollen die Angestellten körperlich entlastet werden. Schwere Pakete ab 20 Kilogramm dürfen die Botinnen und Boten dann nur noch zu zweit oder mit technischer Unterstützung wie einer elektrischen Sackkarre zustellen.
Mehr Postautomaten im Filialnetz geplant
Damit man in ganz Deutschland die Post nutzen kann, ist sie gesetzlich verpflichtet, ein flächendeckendes Filialnetz zu betreiben. In Teilen Deutschlands hat dieses Netz Lücken. Oft haben Supermärkte zugemacht, in denen früher Postfilialen waren, und die Post findet keine neuen Partner.
Nach der Reform sollen auch Postautomaten die Lücken füllen. Darüber soll im Einzelfall die Bundesnetzagentur entscheiden. Die Behörde soll die Post aber auch dazu verpflichten können, in schlecht angebundenen Regionen Filialen zu eröffnen.
Höheres Porto nicht ausgeschlossen
Ob das Briefporto weiter steigt, solle mit dem Gesetz nicht geregelt werden, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium. Bei Preiserhöhungen soll weiter die Bundesnetzagentur das letzte Wort haben. Bis Ende 2024 kostet ein Standardbrief 85 Cent. Die Post hat ihrerseits bereits angekündigt, das Porto wegen gestiegener Kosten erhöhen zu wollen.
Das Bundeswirtschaftsministerium hält die Reform für nötig, weil das Postgesetz seit 1998 nicht verändert wurde. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Noch im Februar soll der Gesetzentwurf erstmals im Bundestag debattiert werden.