Digital Markets Act Volltreffer gegen die Big-Tech-Übermacht?
Künftig werden US-Internetkonzerne wie Alphabet, Amazon oder Apple in der Europäischen Union strenger reguliert. Das Ziel lautet fairer Wettbewerb - besonders der deutsche Mittelstand könnte profitieren.
Das Europäische Parlament hat strengere Regeln und Vorgaben für die US-Internetkonzerne erlassen. Auf die heute verabschiedeten beiden Gesetze setzen Kritiker der Geschäftspraktiken der US-Tech-Riesen und vor allem Unternehmen, die auf den digitalen Märkten erfolgreich sein wollen, große Hoffnungen.
Der Digital Service Act (DSA) nimmt insbesondere die Verbraucherseite und die inhaltliche Ebene in den Blick. Es regelt unter anderem die Pflichten digitaler Dienste, die als Vermittler fungieren und Verbrauchern den Zugang zu Waren, Dienstleistungen und Inhalten ermöglichen. Auch Themen wie Desinformation, Hassrede und illegale Inhalte werden im DSA behandelt. Bedeutsam ist auch, dass Plattformen künftig die wichtigsten Parameter ihrer Empfehlungsalgorithmen offenlegen müssen.
Fairen Wettbewerb ermöglichen
Im Zentrum des Digital Markets Act (DMA) stehen dagegen Wettbewerb und die Unternehmen. Da nur wenige Konzerne wie Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft oder Apple die digitalen Märkte als sogenannte Gatekeeper (Türsteher) bestimmen und mit ihrer riesigen Marktmacht dominieren, ist das Ziel des Gesetzes, fairen Wettbewerb zu ermöglichen und die Eintrittshürden in die Märkte zu verringern. Digitale Geschäftsmodelle würden wegen ihrer besonderen Eigenschaften und disruptiven Kräfte nicht nur den Alltag verändern, sondern auch Märkte und wirtschaftliche Machtverhältnisse, heißt es dazu aus dem Bundeswirtschaftsministerium.
Als Gatekeeper werden dabei digitale Plattformen mit einer starken Marktstellung bezeichnet, die mehr als 6,5 Milliarden Euro im Jahr umsetzen oder einen Kapitalmarktwert von 65 Milliarden Euro erzielen. Außerdem müssen sie in der EU mehr als 45 Millionen monatliche Nutzer und mehr als 10.000 gewerbliche Anbieter aufweisen.
Beschlossen wurde beispielsweise, dass sich Messengerdienste wie WhatsApp und iMessage dafür öffnen müssen, auch Nachrichten von anderen Anwendungen zu empfangen, die sogenannte Interoperabilität. Ferner müssen geschäftliche Nutzer Zugriff auf ihre Daten auf der Plattform des Gatekeepers haben. Künftig wird es den großen Konzernen auch nicht mehr möglich sein, ihre eigenen Dienste oder Produkte besser zu bewerten als die der Konkurrenten.
Außerdem können Nutzer nicht mehr daran gehindert werden, vorinstallierte Software oder Apps problemlos zu deinstallieren oder Anwendungen und App-Stores Dritter zu nutzen. Schließlich dürfen Gatekeeper personenbezogene Daten von Nutzern nicht mehr für gezielte Werbung zu nutzen, es sei denn, sie stimmen zu. Bei Verstößen gegen den DMA drohen als Sanktion Bußgelder von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes. Beim DSA können bis zu sechs Prozent fällig werden, wenn die Vorschriften nicht eingehalten werden.
Schluss mit "Wild-West-Methoden"
In den vergangenen Jahren hatten die Tech-Konzerne mit disruptiven Praktiken und technologischen Innovationen Märkte geschaffen und dominiert. Gesetzliche Regulierungen und Vorschriften konnten angesichts des ungeheuren Innovationstempos der Technologien kaum gestaltend mitwirken. In der digitalen Welt haben sich Wild-West-Methoden breitgemacht, wobei die Größten und Stärksten die Regeln bestimmen, erklärt Christel Schaldemose, Berichterstatterin für das Gesetz über digitale Märkte (S&D, Dänemark). Selbst EU-Kartellverfahren mit Strafen in Milliardenhöhe wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht, etwa gegen Google, hatten daran im Ergebnis nicht viel geändert.
Es müsse beim DMA darum gehen, Wettbewerb zu ermöglichen, indem auch kleinen Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, teilzunehmen, hatte Monika Schnitzer von der Ludwig-Maximilians-Universität München als Sachverständige vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages zum DMA gesagt.
Wirklich mehr Wettbewerb?
Wird das DMA die Spielregeln zugunsten kleinerer Unternehmen verändern? Andreas Schwab (EVP, Deutschland), ebenfalls Berichterstatter für das Gesetz über digitale Märkte, ist sich sicher: "Das Gesetz über digitale Märkte (DMA) schiebt den Geschäftspraktiken der großen Digitalunternehmen einen Riegel vor." Mit dem DMA beende die EU das Katz-und-Maus-Spiel, in welchem die Wettbewerbsbehörden den Digitalriesen in langwierigen Verfahren hinterhergehinkt seien.
"Die klare Regulierung der digitalen Wirtschaft ist ein notwendiger Schritt", kommentiert Hildegard Reppelmund, Rechtsexpertin beim DIHK, gegenüber tagesschau.de. Das habe nicht nur Auswirkungen auf die Gatekeeper selbst, sondern auch für die Nutzer dieser Plattformen. "Neben den Verbrauchern sind das auch Unternehmen, die zum Beispiel auf den Plattformen Waren oder Dienstleistungen anbieten." Ob die Regulierung wirklich zu mehr Wettbewerb im Zusammenhang gerade mit der Datennutzung führt, sei aber völlig offen, schränkt Reppelmund ein. "Der DMA ist nur ein erster, tastender Versuch, im rechtlichen und digitalen Dickicht den Herausforderungen der digitalen Ökonomie gerechter zu werden."
Digitalwirtschaft mittelständisch geprägt
Häufig werde vergessen, dass die Digitalwirtschaft in Deutschland und Europa mittelständisch geprägt sei, unterstreicht Patrick Häuser vom Bundesverband IT-Mittelstand (BITMI) im Gespräch mit tagesschau.de. Von den 10.000 digitalen Plattformen in Europa würden 9000 von kleinen und mittelständischen Unternehmen betrieben. Durch die dominante Position der großen Digitalkonzerne würden mittelfristig digitale Innovationen hierzulande gehemmt.
"Der DMA ist aus Sicht des IT-Mittelstands deshalb ein Meilenstein, weil er durch ein ganzes Set an neuen Regeln endlich einen faireren Wettbewerb um die besten digitalen Lösungen und Produkte möglich macht", meint Häuser. "Er bedeutet deshalb auch eine Stärkung für unsere heimische Digitalwirtschaft insgesamt."
Häuser stellt fest, dass es für eine selbstbestimmte, digitale Transformation entscheidend sei, dass die eigenen technologischen Fähigkeiten gestärkt und die Abhängigkeiten von Tech-Giganten reduzieren würden: "Das geht aber nur, wenn wir die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle in Europa begünstigen. Ein modernes Wettbewerbsrecht, wie es durch den DMA nun geschaffen wird, ist hierfür eine wichtige Grundvoraussetzung."
Neue Geschäftsmodelle
Der digitale Mittelstand könne aus Sicht des BITMI dadurch besonders profitieren: "Im Bereich der Messaging-Dienste müssen sich die großen Anbieter kleineren Wettbewerber fortan öffnen, um Interoperabilität zu gewährleisten. Daraus können neue Geschäftsmodelle für Dienstleister entstehen, die bisher auf dem Markt keine Chance mehr hatten."
Auch davon, dass mächtige Gatekeeper-Plattformen ihre eigenen Dienste nicht mehr uneingeschränkt bevorzugt anbieten, um Nutzer noch stärker an sich zu binden sei positiv. "Davon profitieren mittelständische Digitalunternehmen, die auf diese Weise mehr Sichtbarkeit erhalten und besser konkurrieren können“, lautet Häusers Fazit.