DIW-Studie Höhere Zinsen können Energiepreise drücken
Die Europäische Zentralbank könnte Ökonomen zufolge mithilfe von Zinserhöhungen die Energiepreise in Deutschland um vier Prozent drücken. Grund dafür sei die für diesen Fall erwartete Euro-Aufwertung.
Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) können laut einer Studie die Energiepreise in Deutschland senken. Diese dürften um bis zu vier Prozent fallen, wie aus einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervorgeht.
Grund dafür sei die erwartete Aufwertung des Euros. Steigende Zinsen erhöhen die Attraktivität der Währung, was zu einer höheren Nachfrage führt. Die Aufwertung - also die Wertsteigerung des Euro gegenüber einer fremden Währung - reduziere automatisch die Preise für in Dollar gehandelte Ölprodukte.
Heizkosten und Kraftstoffe reagieren laut DIW stark
"Die vorliegenden Berechnungen haben gezeigt, dass eine straffere Geldpolitik durchaus auch eine signifikante Wirkung auf die Energiepreise hat", lautet das Fazit der DIW-Forscher Alexander Kriwoluzky, Gökhan Ider und Frederik Kurcz. Zwar beeinflusse die EZB mit ihrer Zinsentscheidung nicht wesentlich die Energiepreise auf dem Weltmarkt, dafür aber den Wert des Euro.
"Wertet der Euro auf, sinken die Verbraucherpreise für Kraftstoffe und Heizkosten in Deutschland signifikant", so die Experten. Eine Zinserhöhung, die die Rendite der einjährigen Bundesanleihen um 25 Basispunkte steigen lässt, würde dem DIW-Modell zufolge die deutschen Verbraucherpreise noch im selben Monat um 0,2 Prozent dämpfen. Das entspreche immerhin einem Zehntel des jährlichen Inflationsziels der EZB, das bei zwei Prozent liegt.
"Sowohl Heizkosten als auch Kraftstoffe reagieren stark auf eine Zinserhöhung", heißt es in der Untersuchung. Kraftstoffpreise würden noch im Monat des Zinsschocks um mehr als vier Prozent nachgeben. "Auch die Preise für Strom und Heizenergie fallen um immerhin bis zu zwei Prozent und sinken signifikant für rund zehn Monate."
Wechselkurs könnte um zwei Prozent steigen
Der Effekt geht auf eine Euro-Aufwertung zurück. "Da für Investoren die Anlage in Euro durch die Zinserhöhung attraktiver wird, wertet der Euro zu anderen Währungen auf", so die Ökonomen. "Nach der Zinserhöhung steigt der effektive Wechselkurs des Euro kräftig um zwei Prozent und bleibt für rund zehn Monate erhöht. Das heißt, dass Käufer aus dem Euroraum für die gleiche Euro-Summe zwei Prozent mehr des in Dollar gehandelten Öls erhalten."
Für Haushalte, die Benzin an der Tankstelle in Euro bezahlen, schlage sich das direkt in niedrigeren Preisen nieder. Der Ölpreis selbst gebe ebenfalls im Zuge des Zinsschocks nach, werde jedoch nur sehr kurz davon beeinträchtigt. Das meist in Euro gehandelte Gas verbillige sich ebenfalls, aber kürzer und vor allem weitaus geringer als Heizöl. "Die Gaspreise im Wohn-Index sinken um nur ein Prozent, während die Preise für Heizöl um neun Prozent nachgeben."
Anders als etwa die US-Notenbank Fed oder die Bank of England haben die europäischen Währungshüter die Zinswende bislang noch nicht eingeleitet - obwohl die Inflationsrate in Deutschland aktuell mit 7,3 Prozent so hoch ist wie seit 1981 nicht mehr. Frühestens gegen Jahresende hat die EZB eine Abkehr von ihrer jahrelangen Nullzinspolitik signalisiert.
Unangenehme Nebenwirkungen
Mit einer Zinserhöhung habe die EZB theoretisch ein wirkungsvolles Instrument in der Hand, die Preise im Euroraum insgesamt zu stabilisieren, schreiben die DIW-Forscher. Allerdings gehe damit auch eine unerwünschte Nebenwirkung einher: Die Industrieproduktion würde aufgrund der relativ teuren Güter für das Ausland ausgebremst, die Arbeitslosigkeit steigen.
"Schlechtere Finanzierungsbedingungen und eine sinkende Nachfrage lassen die Arbeitslosenquote nach dem Schock um etwas mehr als 0,1 Prozentpunkte steigen", heißt es. Während die Industrie sich schnell erhole und nach rund drei Monaten zum Ausgangsniveau zurückkehre, sei der Anstieg der Arbeitslosenquote nachhaltiger.
"Die EZB ist durch den Krieg in der Ukraine mit stark steigenden Energiepreisen und einer gefährdeten wirtschaftlichen Erholung somit in einer schwierigen Lage", schlussfolgern die Ökonomen. "Durch restriktive Geldpolitik kann sie sich gegen steigende Verbraucher- und auch Energiepreise stemmen, riskiert dadurch jedoch, die Erholung der Wirtschaftsaktivität zu verlangsamen."