Mehrweg "to go" System für die Tonne?
770 Tonnen Müll entstehen laut Greenpeace täglich durch Speisen und Getränke "to go". Daran konnte bislang auch die seit 2023 geltende Mehrwegpflicht für Produkte zum Mitnehmen nichts ändern.
Iris Prencipe steht am Tresen ihres italienischen Restaurants "Da Vinci" in Bad Kreuznach. Vor ihr stapeln sich Mehrwegbehälter aus Plastik in verschiedenen Größen, Farben und Formen. Viele von ihnen sind noch originalverpackt - wegen mangelnder Nachfrage. Die Gastronomin hatte die Behälter für Suppen, Salate, Spaghetti und Co. Ende 2022 angeschafft, kurz bevor die Mehrwegangebotspflicht in der Gastronomie in Kraft trat.
Prencipe sagt, sie und ihr Team hätten auf alles vorbereitet sein wollen. Letztlich gebraucht haben sie die Mehrwegbehältnisse aber extrem selten: "Es hat von Anfang an kaum jemand gewollt." Im ersten Jahr seien im "Da Vinci" insgesamt gerade mal 15 Speisen in Mehrwegverpackungen über den Tresen gegangen - bei durchschnittlich 100 Gerichten, die das Restaurant täglich außer Haus verkauft. Prencipe glaubt, sechs Euro Pfand und die Aufforderung, das Mehrweggeschirr zurückzubringen, schreckten viele ihrer Gäste ab. Wirklich überrascht ist sie darüber nicht.
Iris Prencipe in ihrem Restaurant "Da Vinci" in Bad Kreuznach.
Interesse hat nachgelassen
Anders die Erfahrungen im Mainzer Sushi-Lokal "Buddhas": Koch Markus Schäfer sagt, direkt nach Einführung der Mehrwegpflicht für Take-Away-Produkte Anfang 2023 sei das Interesse der Kundschaft groß gewesen. Er schätzt, dass im Februar und März vergangenen Jahres jede und jeder Vierte das Angebot genutzt habe.
Danach sei die Nachfrage nach Mehrwegverpackungen allerdings erstaunlich schnell zurück gegangen. Schäfer erzählt, mittlerweile verkauften er und seine Kollegen gerade mal noch zehn bis 15 Prozent der Speisen in Mehrwegverpackungen. Damit liegt das Sushi-Lokal trotzdem weit über dem bundesweiten Durchschnitt.
Nach Angaben der Naturschutzorganisation WWF lag der Mehrweganteil in der Gastronomie bundesweit im vergangenen Jahr bei 1,6 Prozent. Damit habe sich die Quote im Vergleich zu 2022 zwar immerhin verdoppelt; für WWF-Sprecherin Laura Griestop hat die gesetzliche Mehrwegangebotspflicht ihr Ziel trotzdem bislang klar verfehlt. Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) spricht in dem Zusammenhang gar von einem "Rohrkrepierer".
Wenig Kontrollen, kaum Strafen
Wie Griestop und Fischer sagen, nehmen viele Gastronomen die Mehrwegangebotspflicht schlichtweg nicht ernst, auch weil die Kommunen wegen personeller und finanzieller Engpässe zu wenig kontrollierten und sanktionierten.
Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz berichtet von Stichproben. Deren Ergebnis: Viele Betriebe bieten überhaupt keine Mehrwegverpackungen an - oder lediglich zum Kauf. Das ist verboten, die Behälter müssen gegen Pfand abgegeben werden. Sprecherin Sophie Röckert vermutet, zahlreiche Gastronomen wollten sich Mehrweg gezielt vom Hals halten, indem sie die Kundschaft nicht ausreichend auf diese Verpackungsmöglichkeit hinwiesen.
Zahlen aus Ludwigshafen bestätigen die Annahmen der Verbraucher- und Umweltschützer: Nach Angaben eines Sprechers hat die Stadt im vergangenen Jahr routinemäßig 125 Verkaufsstellen überprüft, die Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbieten. Fast überall seien dabei Verstöße in Sachen Mehrweg festgestellt worden.
Legale Schlupflöcher
Ein weiteres Problem sind für Verbraucherschützerin Röckert Schlupflöcher im Gesetz. Mehrwegbehälter müssten derzeit lediglich Betriebe anbieten, die Speisen in Verpackungen aus Plastik außer Haus verkauften. Röckert sagt, viele Gastronomen böten deshalb ihre Gerichte nicht mehr in Plastikeinweggeschirr an, sondern in Papier, Pappe, Karton und Alufolie. Das sei zwar legal, konterkariere jedoch den Sinn des Gesetzes, Müll zu vermeiden. Die Regierung hat angekündigt, das Verpackungsgesetz in diesem Punkt nochmal zu ändern.
Der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA plädiert dafür, die Kundschaft mehr in den Blick zu nehmen. Diese sei es schließlich, die das Mehrwegangebot annehmen müsse. Nach Ansicht des rheinland-pfälzische DEHOGA-Chef Gereon Haumann werde das nur passieren, wenn das Handling deutlich einfacher werde.
Derzeit gebe es noch zu viele verschiedenen Systeme mit zu vielen unterschiedlichen Gefäßen und zu wenigen Anbietern in der Fläche. Ziel müsse es sein, eine Mehrwegessensverpackung so schnell und unkompliziert zurückgeben zu können wie eine leere Sprudelflasche. Idealerweise würden sich die Anbieter auf einheitliche Behältnisse einigen - die an vielen Orten zurückgegeben werden können.
Rückgabesäulen als Lösung?
Wie das konkret funktionieren könnte, wird derzeit in Mainz und Wiesbaden erarbeitet. Hier läuft seit vergangenem Sommer das Pilotprojekt "Mehrweg Modell Stadt" der Initiative "Reusable To-Go". Sie wird unter anderem vom hessischen und rheinland-pfälzischen Umweltministerium unterstützt. Ziel ist es, eine möglichst flächendeckende Rücknahmestruktur für Mehrwegverpackungen aufzubauen - durch Rückgabesäulen im öffentlichen Raum, aber auch durch eine Vielzahl teilnehmender Betriebe.
So soll es in Zukunft denkbar sein, ein Essen im Imbiss A zu kaufen und die dazugehörige Mehrwegverpackung entweder in der Bäckerei B abzugeben - oder sie in einen Automaten einzuwerfen. Der erste große Praxistest steht Ende Februar an. Rund einen Monat lang können dann Kunden und Betriebe das System testen. Klappt alles, könnte es in absehbarer Zeit auch in anderen Städten Deutschlands zum Einsatz kommen.