DIW-Studie zum Niedriglohnsektor Gesetzlicher Mindestlohn zeigt positive Wirkung
Der Niedriglohnsektor in Deutschland ist einer DIW-Studie zufolge so klein wie zuletzt vor 25 Jahren. Trotzdem nimmt den Studienautoren zufolge die Einkommensungleichheit zu.
Der Niedriglohnsektor in Deutschland ist einer Studie zufolge deutlich geschrumpft. Ein Grund ist die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
2022 sei jeder sechste Beschäftigte (15,2 Prozent) in diesem Bereich tätig gewesen. 2007 habe der Anteil noch bei 23,5 Prozent gelegen. Mitte der 2000er Jahre habe etwa ein Viertel der Beschäftigten zum Niedriglohn gearbeitet. Das sei auch im internationalen Vergleich viel gewesen, heißt es in der Studie. 1996 lag der Anteil danach bei rund 16 Prozent.
Tiefster Stand seit 25 Jahren
"Der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist auf einen Tiefstand der letzten 25 Jahre gefallen", sagte Studienautor Markus Grabka. Niedriglohn bezieht, wer weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttostundenlohns bekommt. 2021 lag dieser Wert bei 13 Euro pro Stunde.
Eine der Ursachen für den Rückgang im Niedriglohnsektor sieht das DIW in der Einführung des Mindestlohns 2015 und dessen schrittweiser Erhöhung. Im Oktober 2022 wurde er auf zwölf Euro angehoben. "Aber auch die veränderte Lohnpolitik der Gewerkschaften, die zunehmend auf Mindestzahlungen für untere Lohngruppen setzt, wirkt sich auf den Niedriglohnsektor positiv aus", sagte Grabka.
Niedrige Löhne steigen am wenigsten
Die Bruttostundenlöhne legten den Angaben zufolge zwischen 1995 und 2021 inflationsbereinigt insgesamt um 16,5 Prozent zu. Im untersten Lohndezil, den zehn Prozent der Beschäftigten mit den niedrigsten Löhnen, stiegen sie laut Studie zwar seit 2013 besonders stark. Dadurch sei der Niedriglohnsektor deutlich geschrumpft. Trotz der insgesamt positiven Entwicklung falle der Zuwachs im untersten Lohndezil seit 1995 mit rund sechs Prozent aber am geringsten aus.
Zum Vergleich: In den obersten vier Dezilen legten die Löhne um etwa 20 Prozent zu. In den letzten Jahren ist die Ungleichheit den Daten zufolge aber gesunken und so niedrig wie zuletzt zu Beginn der 2000er Jahre.
Politik sollte "nachsteuern"
Grabka empfiehlt der Politik, weiter nachzusteuern. So müssten Zugewanderte besser und schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Ihr Anteil im untersten Einkommensdezil hat sich laut DIW in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdoppelt.
Die finanzielle Lage der Privathaushalte insgesamt werde maßgeblich durch die weiterhin überdurchschnittliche Inflation beeinflusst, heißt es weiter. Eine Verbesserung sei auch davon abhängig, inwiefern die Gewerkschaften in der Lage seien, Lohnabschlüsse über der aktuellen Preissteigerung zu verhandeln.
Ungleichheit im internationalen Vergleich eher gering
Gleichzeitig nahm die Spreizung der Einkommen zu. So lautet ein weiteres Ergebnis der Studie. Während die zehn Prozent der niedrigsten Einkommen nur um vier Prozent zulegten, haben die obersten zehn Prozent eine Steigerung von 50 Prozent erzielt. "Die Löhne sind zwar weiterhin die wichtigste Einkommensquelle der privaten Haushalte in Deutschland", erklärte DIW-Experte Grabka.
"Aber es zählen hier natürlich auch andere Einkommensquellen wie zum Beispiel Alterseinkommen, staatliche Transfers und weitere Einkommenskomponenten." Viele Reiche etwa erzielen Einkommen nicht nur aus Erwerbsarbeit, sondern etwa aus Kapital und Vermögen.
Dennoch sei die Ungleichheit der Haushaltsnettoeinkommen im internationalen Vergleich eher gering. Der dafür herangezogene Gini-Koeffizient liege in Deutschland bei 0,3. Der Schnitt der OECD-Industriestaaten liegt mit 0,31 etwas höher. Um die Ungleichheit zu bekämpfen, "bedarf es unter anderem einer verbesserten Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt und einer gezielteren Qualifizierung junger Erwachsener ohne beruflichen Bildungsabschluss", raten die DIW-Forscher.