Steigende Preise im Luftverkehr Die Zeit der Flugtickets für 9,99 Euro ist vorbei
Fehlendes Personal, hohe Gebühren und eine starke Nachfrage haben das Fliegen deutlich verteuert. Das dürfte sich vorerst kaum ändern - auch, weil sich Airlines aus Deutschland zurückziehen.
Fast 25 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr: Flugtickets sind seit dem Ende der Pandemie so teuer wie lange nicht. Eine hohe Nachfrage und ein vergleichsweise noch immer geringes Angebot, das nach dem Corona-Einbruch erst wieder ausgebaut wird, lassen die Preise für Flugreisen immer weiter steigen.
Besonders bei beliebten Zielen für den Sommerurlaub in Europa macht sich das bemerkbar: Flüge innerhalb Europas haben sich im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 32 Prozent verteuert. Das geht aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes hervor.
"Aktuell sind die Fluggäste tatsächlich bereit, die deutlich höheren Ticketpreise zu zahlen", urteilt Luftfahrtexperte Cord Schellenberg gegenüber tagesschau.de. Die Nachfrage ist seit dem Ende der Pandemie ungebrochen hoch, 30 Prozent mehr Buchungen als zur gleichen Zeit im Vorjahr meldet etwa die Lufthansa-Tochter Eurowings.
"Einige Ticketpreise gehen durch die Decke"
Und dennoch liegen die Passagierzahlen bei den meisten Airlines noch immer unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Im gesamten Lufthansa-Konzern etwa liegt die Zahl der Geschäftsreisenden noch fast 40 Prozent unter dem Niveau von 2019. Auch die Zahl der Urlauber hat noch nicht wieder ganz das Niveau erreicht, auf dem sie vor Corona lag.
Auch, weil der Konzern zunächst seine Kapazitäten wieder ausbauen muss: Während der Pandemie fuhr die Lufthansa einen strikten Sparkurse, entließ Personal und schickte Flugzeuge in eine Zwangspause. Die Kapazitäten der größten deutschen Airline liegen rund 21 Prozent unter dem Niveau von 2019. "So gehen die Ticketpreise auf einigen Strecken durch die Decke", erklärt der ARD-Luftfahrtexperte Michael Immel gegenüber tagesschau.de.
Wunsch nach mehr Komfort
Die eingeschränkten Kapazitäten und die gleichzeitig hohe Nachfrage ermöglichen es dem Konzern, die hohen Ticketpreise durchzusetzen: Um 13 Prozent stiegen die Erlöse pro Fluggast, schreibt Lufthansa im Quartalsbericht von Anfang August. Zwischen April und Juni verdiente der Konzern, bereinigt vor Steuern und Zinsen (EBIT), knapp 1,1 Milliarden Euro - das Dreifache des Vorjahresquartals. Für das Gesamtjahr rechnet Vorstandschef Carsten Spohr mit einem Ergebnis, das "voraussichtlich eines der drei besten in der Geschichte der Lufthansa Group" sein wird.
Laut Schellenberg profitieren Airlines wie die Lufthansa und ihre Töchter dabei vor allem von der hohen Nachfrage nach Komfort: "Premium Economy und Business Class werden deutlich stärker als vor Covid-19 von Privatreisenden gebucht." Das seien die Kategorien, in denen Reisende auch durchaus bereit sind, höhere Preise zu zahlen.
Hohe Schulden müssen abgezahlt werden
Und doch: Die Airlines haben die höheren Preise nicht nur angesetzt, um Gewinne einzustreichen, wie ARD-Luftfahrtexperte Immel erklärt. Denn die Fluggesellschaften hätten während der Pandemie teils enorme Schulden angehäuft: "Daher müssen jetzt auch wieder Gewinne eingeflogen werden, um weiterhin im sicherlich härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können", so Immel.
Fluggesellschaft wie die Lufthansa oder Air France KLM mussten in der Pandemie sogar staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen, um in der Zeit überhaupt weiter bestehen zu können. Die Lufthansa hatte im von der Pandemie geprägten Jahr 2020 eine Nettokreditverschuldung von fast zehn Milliarden Euro angehäuft, mittlerweile ist der Schuldenberg auf 5,9 Milliarden Euro geschrumpft.
Steigende Personalkosten
Zugleich gibt es einen großen Kostentreiber bei Airlines und Flughäfen: Sie haben derzeit vor allem mit den steigenden Personalkosten zu kämpfen. So hatte der Betreiber des Frankfurter Flughafens, Fraport, während der Pandemie rund 4000 Stellen abgebaut; ähnliches geschah bei vielen Airlines. Bereits im vergangenen Sommer wurden die Stellenstreichungen zu einem Problem - Airlines wie die Lufthansa mussten massenhaft Flüge streichen.
Noch immer sind nicht alle vakanten Stellen neu besetzt. Wieder mehr Personal einzustellen, könnte Airlines und Flughafenbetreiber teuer zu stehen kommen. "Lufthansa wird es nicht in Gänze gelingen, das nötige Personal in der erforderlichen Qualität zu günstigen Kosten zu bekommen, sagte Gerald Wissel vom Luftfahrtberatungsunternehmen Airborne Consulting dem "Handelsblatt". "Und auch die Deutsche Flugsicherung muss kostendeckend arbeiten, was sich nach den Corona-Jahren jetzt in gestiegenen Gebühren niederschlägt. Alle diese Kosten treiben die Ticketpreise", so ARD-Experte Immel.
Für die Lufthansa etwa bedeutete das im ersten Halbjahr des laufenden Jahres rund eine halbe Milliarde Euro höhere Kosten. Pro verfügbarem Sitzkilometer stiegen die Kosten der Lufthansa im ersten Halbjahr auf 9,5 Cent, während es im Jahr zuvor 7,9 Cent waren. Diese Kostensteigerungen legen die Airlines nun auch auf die Fluggäste um.
Billigflieger weichen in andere Länder aus
Auf billigere Flugtickets jedenfalls können Fluggäste erstmal nicht hoffen. Davon sind Immel und Schellenberg überzeugt: "Aufgrund der traditionell hohen Nachfrage in den zeitlich knapp bemessenen Herbstferien erwarte ich für die kommenden Herbstferien erneut hohe Nachfrage bei knappem Angebot", so Schellenberg. Auch Immel ist sich sicher, dass sich das Problem des Personalmangels so schnell nicht wird lösen lassen: "Und damit bleibt auch das Angebot an Flugreisen weiterhin geringer." Entsprechend dürften Flugtickets teuer bleiben.
Denn neben den hohen Kosten, die Airlines an ihre Passagiere weitergeben, ist der Wettbewerb gerade bei den günstigen Anbietern aktuell gering: "Die Billig-Airlines machen derzeit einen Bogen um Deutschland", so Immel. Verglichen mit 2019 sei das Angebot von Airlines wie Ryanair, Easyjet und Wizz Air an deutschen Flughäfen im ersten Halbjahr um rund ein Drittel zurückgegangen - vor allem wegen der hohen Flughafen- und Sicherheitsgebühren sowie der Luftverkehrssteuer. Das Fazit des ARD-Luftfahrtexperten: "Die Zeit der 9,99-Euro-Lockangebote ist vorbei."