Altersvorsorge Reichen die Renten-Pläne der Ampel?
Die mögliche Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will einen Teil der gesetzlichen Rente künftig am Kapitalmarkt finanzieren. Für die private Vorsorge prüft sie einen neuen Fonds. Doch gehen die Pläne weit genug?
Aktien für die Rentenkasse, das ist neu - zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln sehen SPD, Grüne und FDP im Sondierungspapier dafür vor. Das Geld soll die Deutsche Rentenversicherung im kommenden Jahr aus dem Bundeshaushalt erhalten, um es am Kapitalmarkt anzulegen. Das bedeutet den Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der ansonsten umlagefinanzierten gesetzlichen Rente - falls die drei Parteien am Ende ihrer Verhandlungen tatsächlich eine Koalition bilden sollten. Die Hoffnung dahinter: Die Erträge an der Börse sollen helfen, die Rente zu stabilisieren, trotz des demografischen Wandels.
Zehn Milliarden Euro sind im Verhältnis zu den Ausgaben der Rentenversicherung allerdings nicht viel Geld. Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) hält die Summe daher für viel zu gering. "Nötig wäre ein Betrag im dreistelligen Milliardenbereich. Mit dessen Erträgen könnte man tatsächlich die Rente stützen, also den Beitragssatzanstieg dämpfen und das Niveau stabilisieren", sagt der Rentenexperte.
Forderung nach deutlich höheren Geldflüssen
Dafür müssten die potenziellen Koalitionspartner aber deutlich mehr Geld des Bundes in die Hand nehmen als zehn Milliarden Euro. "Sinnvoller wäre es, dauerhaft einen kleinen Teil der gesetzlichen Rentenbeiträge am Kapitalmarkt zu investieren", sagt Ute Klammer, Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation der Uni Duisburg-Essen.
So wird es in Schweden gemacht. Dort fließen 2,5 Prozent vom gesetzlichen Rentenbeitrag verpflichtend in Aktien und Anleihen. So ähnlich hatte es auch die FDP in ihrem Konzept für eine gesetzliche Aktienrente vorgeschlagen, konnte das aber in den Sondierungsgesprächen nicht durchsetzen. Übrig geblieben vom schwedischen Modell ist nach den Sondierungsgesprächen eine Idee für die private Rentenvorsorge, also ein freiwilliges Zusatzangebot - und dieses "Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds" wollen die möglichen Koalitionspartner auch zunächst lediglich prüfen.
Wie könnte ein solcher Fonds funktionieren?
Es geht quasi um einen Rentenfonds für alle, ein kostengünstiges Standardprodukt, das öffentlich verwaltet wird und als eine Ergänzung zur gesetzlichen Rente gedacht ist. Das Ziel: keine unnötigen Kosten und Vermittlungsprovisionen, dafür höhere Rendite und damit mehr Geld, das bei den Rentnern ankommt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert bereits seit längerem ein solches öffentlich-rechtlich organisiertes Produkt für die private Vorsorge. Denkbar wäre: Ein öffentlicher Träger geht im Auftrag der Bürger mit deren Geldern gebündelt an den Kapitalmarkt. Der jeweilige Betrag könnte beispielsweise automatisch über die Arbeitgeber vom Lohn abgezogen werden, sofern Mitarbeiter nicht widersprechen. "Als Träger käme beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung oder die Bundesbank in Frage", sagt Finanzexpertin Dorothea Mohn vom VZBV. Aber auch eine neue Behörde, die noch aufgebaut werden müsste, hält die Verbraucherschützerin für möglich.
Viele Fragen offen
Das eigentliche Anlegen des Geldes am Kapitalmarkt könnte die staatliche Behörde dann per Ausschreibung an einen privaten Anbieter vergeben. Viele Details im Zusammenhang mit einem öffentlich verwalteten Vorsorgefonds müssten die künftigen Regierungsparteien noch klären.
Für DIW-Wissenschaftler Geyer stellen sich zum Beispiel folgende Fragen: "Welche Personengruppen zahlen konkret in den Fonds ein? Was ist mit Menschen, die schon kurz vor der Rente stehen? Was ist mit Selbstständigen? Was mit Arbeitslosen?" Forscherin Klammer hält für entscheidend, wie das Investment konkret aussehen würde und wer darüber bestimmt. Eine zu rigide Regelung fände die Professorin nicht sinnvoll. "Andererseits sieht man in Ländern wie England oder teilweise den USA, dass dann Leute plötzlich ihrer ganzen Altersvorsorge beraubt sind, weil sie zu risikoreich angelegt worden ist."
Für die Finanzexpertin vom Verbraucherzentrale Bundesverband steht fest: "Es muss bei einem solchen Fonds um eine Kombination aus Aktien und Anleihen gehen." Zunächst sollte das Geld möglichst lange in gute, Rendite bringende Aktien angelegt werden, so Mohn. Rücke der Renteneintritt näher, müsse das Investment zunehmend in sichere Anleihen umgeschichtet werden.
Schutz vor Zweckentfremdung wichtig
Aus Sicht des Finanzwissenschaftlers Bernd Raffelhüschen müsste von der Politik auch die Frage beantwortet werden, wie ein öffentlich verwalteter Fonds vor Zugriffen und Zweckentfremdung durch den Staat gesichert würde. Der Freiburger Universitätsprofessor hält in diesem Zusammenhang individuelle Beitragskonten zur Absicherung und Kontrolle für zwingend. Für die Verbraucherschützerin Mohn wäre es eine Grundbedingung, dass die jeweiligen Anteile an dem öffentlichen Fonds auf individuellen Beitragskonten verbucht würden und damit klar privater Besitz der Verbraucher wären.
Experten sehen Vorstoß nicht als Lösung der Probleme
Ein Standardprodukt mit geringen Kosten zur privaten Vorsorge hält DIW-Rentenexperte Geyer zwar grundsätzlich für sinnvoll. Die unmittelbaren Probleme, vor denen die Rente steht, löst das in seinen Augen aber nicht. "In den kommenden zehn Jahren werden wir in Deutschland vermutlich mit steigenden Beitragssätzen und einem sinkendem Rentenniveau konfrontiert sein und da braucht der Aufbau einer solchen kapitalgedeckten Säule zu viel Zeit, das geht nicht von heute auf morgen."
Wirtschaftswissenschaftlerin Klammer will einen öffentlich verwalteten Rentenfonds mit geringen Kosten zwar nicht pauschal verurteilen. Sie hält es aber für falsch, dass die Einzahlung nicht verpflichtend sein soll. Denn dann würden zu wenige einzahlen, glaubt sie. Die Professorin ist überzeugt: SPD, Grüne und FDP hätten mit ihren bisherigen Rentenplänen die Hausaufgaben noch nicht erledigt. Angesichts eines längeren Lebens nach der Erwerbstätigkeit müsse darüber geredet werden, dass jeder einzelne für die eigene Alterssicherung mehr Geld aufwendet. "Die Höhe des Beitragssatzes darf keine heilige Kuh sein", mahnt sie.
Da es sich bei den aktuellen Plänen der potenziellen Koalitionspartner nur um ein freiwilliges Zusatzangebot handle und ein großer Teil der Bevölkerung dafür kaum Geld übrig habe, ist auch die Finanzexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands überzeugt: "Mehr rentable private Vorsorge ist wichtig, ein öffentlich verwalteter Fonds wird das Hauptproblem der Rente jedoch nicht lösen." Der größere Handlungsbedarf besteht nach Mohns Ansicht in einer Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung.