Sperrminorität Niedersachsens umstritten EU-Kommission klagt wieder gegen VW-Gesetz
Der Europäische Gerichtshof muss sich erneut mit dem VW-Gesetz befassen. Die EU-Kommission verklagt Deutschland, weil sie die Vorgaben des ersten Urteils nicht umgesetzt sieht. Streitpunkt ist die Sperrminorität Niedersachsens bei VW, die dem Land Einfluss bei wichtigen Konzernentscheidungen sichert.
Die EU-Kommission klagt erneut gegen das VW-Gesetz. Damit muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden, ob die Neufassung des deutschen Gesetzes infolge eines früheren EuGH-Urteils gegen europäisches Recht verstößt oder nicht. Die Klage der EU-Kommission bezieht sich auf die Sperrminorität des Landes Niedersachsen bei wichtigen Entscheidungen des VW-Konzerns. Diese Sperrminorität bedeute unzulässige Sonderrechte und eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, argumentierte die Behörde. Als Sanktion verlangt die Behörde, dass Deutschland zu einem Bußgeld von mindestens 46,5 Millionen Euro verurteilt wird.
Die EU-Kommission hatte schon einmal gegen das VW-Gesetz geklagt, weil es den freien Kapitalverkehr einschränke und eine feindliche Übernahme unmöglich mache. Der EuGH gab der Kommission 2007 in großen Teilen Recht. Deutschland überarbeitete das Gesetz daraufhin im Jahr 2008. Allerdings interpretierte die deutsche Seite die Entscheidung der Richter anders als die Kommission und strich nur zwei der drei beanstandeten Regelungen.
Niedersachsen verfügt weiter über Sperrminorität
Bei der Novelle fiel die Regelung weg, nach der jeder Aktionär unabhängig von seinen tatsächlichen Unternehmensanteilen höchstens 20 Prozent der Stimmrechte ausüben durfte. Auch das Recht des Landes Niedersachsen, zwei Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden, ist in der Neufassung des VW-Gesetzes nicht mehr erhalten. Dagegen blieb die Sperrminorität Niedersachsens erhalten.
Das neue VW-Gesetz räumt dem Land Niedersachsen mit einem Anteil von gut 20 Prozent bei Volkswagen weiter eine starke Stellung ein. Größter Anteilseigner ist allerdings die Porsche Holding SE mit knapp 51 Prozent. Das Emirat Katar hält 17 Prozent. Wichtige Entscheidungen der Hauptversammlung, für die das Aktienrecht eine Zustimmung von zwei Dritteln der Aktionäre vorsieht, benötigen bei Volkswagen eine Zustimmung von mindestens 80 Prozent. Damit können keine wichtigen Entscheidungen ohne Zustimmung der niedersächsischen Landesregierung durchgesetzt werden.
"Gerichtsurteil wurde nicht vollständig umgesetzt"
Nach Ansicht der EU-Kommission bevorzugt das VW-Gesetz einseitig den Aktionär Niedersachsen und schreckt andere Investoren ab. "Deutschland hat das Gerichtsurteil nicht vollständig umgesetzt", erklärte die Behörde mit Blick auf die EuGH-Vorgaben aus dem Jahr 2007. Das faktische Vetorecht habe dazu beigetragen, Volkswagen vor der Übernahme durch Porsche zu bewahren. Es behindere daher Investitionen und mache feindliche Übernahmen unmöglich.
Die Bundesregierung ist dagegen "der Auffassung, dass das EuGH-Urteil aus dem Jahr 2007 mit der Neufassung des VW-Gesetzes 2008 umgesetzt wurde", teilte das Bundesjustizministerium mit. So sieht es auch die niedersächsische Landesregierung. "Diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar", erklärte Ministerpräsident David McAllister mit Blick auf die Klage der EU-Kommission. "Die Bundesregierung hat das frühere Urteil des EuGH eins zu eins umgesetzt." IG-Metall-Chef Berthold Huber warf der EU-Kommission vor, mit ihrer Kritik am VW-Gesetz stelle sie die Interessen der Menschen an demokratischer Mitbestimmung und Beteiligung infrage. Gegen die Stimmen der Beschäftigten im Aufsichtsrat können bei VW keine Werke geschlossen werden. Das Gesetz stelle keine Behinderung des Binnenmarktes dar, hob Huber hervor.