Fragen und Antworten zur Geldpolitik Wie Währungen zu Waffen werden
Die Warnungen vor einem internationalen Währungskrieg werden immer lauter. Aber wer zieht gegen wen zu Felde? Mit welchen Waffen wird auf dem Schlachtfeld der Wechselkurse gekämpft - mit welchen Folgen für die Weltwirtschaft?
Die Warnungen vor einem internationalen Währungskrieg werden immer lauter. Aber mit welchen Waffen wird auf dem Schlachtfeld der Wechselkurse gekämpft? Wer zieht gegen wen zu Felde - mit welchen Folgen für die Weltwirtschaft? Der ARD-Börsenexperte Michael Best beantwortet die wichtigsten Fragen.
Die Geldpolitik der US-Notenbank Fed schickt den Dollar auf Talfahrt. Denken die USA nur an sich selbst?
"Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem."
"Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem." Diese kaltschnäuzige Aussage stammt von John Connally, der unter Präsident Richard Nixon Finanzminister der Vereinigten Staaten war. Mit diesem legendären Satz kommentierte Connally 1971 die Kritik an seiner Entscheidung, den Goldstand des Dollars aufzugeben. Der Satz beschreibt die amerikanische Haltung bis heute. Die USA machen mit dem Dollar, was sie wollen und nehmen wenig Rücksicht auf andere. Derzeit haben die USA intern das Problem, dass viele Verbraucher überschuldet sind und die amerikanische Wirtschaft nicht so recht in Gang kommt. Sie fürchten eine Deflation viel mehr als eine Inflation.
Daher öffnet die Notenbank, die Federal Reserve (Fed), die Geldschleusen in einem nie gekannten Ausmaß. Für 800 Milliarden Dollar hat die Fed amerikanische Staatsanleihen aufgekauft, für mehr als eine Billion Dollar amerikanische Hypothekenanleihen. Damit untergräbt die Fed das Vertrauen von Kapitalanlegern in die Stabilität des Dollars, der Wechselkurs fällt.
Der Wechselkurs ist der Preis einer Währung ausgedrückt in einer anderen Währung. Dieser Preis bildet sich auf dem globalen Devisenmarkt. Volkswirtschaftlich ist der Wechselkurs bedeutsam für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt.
Der Dollar wertet ab, andere Währungen wie der Euro, der brasilianische Real oder der japanische Yen werten auf. Aus amerikanischer Sicht ist dies ein höchst wünschenswerter Nebeneffekt, verbessert doch eine Abwertung des Dollars die Exportchancen amerikanischer Unternehmen, weil sie ihre Waren anderswo auf der Welt günstiger anbieten können.
Warum bewegen sich die Chinesen nicht?
China sieht sich selbst nicht als entwickeltes Industrieland, sondern noch immer als Entwicklungsland. Peking will Exportüberschüsse erzielen, um seine Industrie zu entwickeln und um Währungsreserven anzusammeln. Aus Sicht der chinesischen Führung ist es daher legitim, den Wechselkurs der eigenen Währung zu kontrollieren. Die chinesische Währung mit Namen Renminbi ("Volkswährung"), deren Recheneinheit der Yuan ist, ist nicht frei konvertierbar. Der Devisenhandel wird kontrolliert, der Wechselkurs von der chinesischen Volksbank festgesetzt.
Amerikanische und europäische Währungsexperten halten den Yuan für unterbewertet - um zwischen 20 und 40 Prozent. Um den Wechselkurs niedrig zu halten, kauft die chinesische Notenbank Dollar auf und bringt Yuan in Umlauf, die sie selbst schöpft. Auf diese Weise wird der Yuan an den Dollar gekoppelt. Zwar hat die Notenbank die Bindung in jüngster Zeit ein wenig gelockert, aber die Aufwertung des Yuan zum Dollar beträgt seit Juni gerade mal zwei Prozent.
Zum Euro hingegen hat der Yuan im gleichen Zeitraum um rund 13 Prozent abgewertet, weil er weitgehend an den sich abwertenden Dollar gekoppelt bleibt. Dadurch haben sich die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Euro-Ländern und China weiter zu Gunsten Chinas verschoben. Für China hat die Bindung an den Dollar zwei Schönheitsfehler: Durch die künstliche Schwäche der eigenen Währung holt sich China Inflation ins Land und die Chinesen müssen ihre exorbitanten Devisenreserven in US-Staatsanleihen anlegen - mit der Gefahr, auf einem Schatz von zweifelhaftem Wert zu sitzen.
Wer sind die Leidtragenden? Und wie wehren sie sich?
Auf den ersten Blick mag es verwundern, Japan, Brasilien und die Schweiz in einem Atemzug zu erwähnen, aber alle drei haben ein gemeinsames Problem: Ihre Währungen werten gegenüber dem Dollar auf, werden härter und härter, das schadet ihrer Exportwirtschaft. Japans Notenbank versucht gegenzusteuern, indem sie ihre Geldpolitik ähnlich expansiv gestaltet wie die USA. Auch in Japan liegt der Leitzins nah an null Prozent. Die Notenbank kauft japanische Anleihen auf, vorzugsweise Staatsanleihen. Dennoch gelingt es ihr nicht, die Wirtschaft stärker in Schwung zu bringen. Es herrscht unverändert Deflationsgefahr.
Japans Notenbank hat in jüngster Zeit auch direkt am Devisenmarkt interveniert: Sie hat Yen verkauft, um den Kurs der Landeswährung zu drücken - mit mäßigem Erfolg. Ähnlich geht es der Schweiz. Wohlhabende Privatanleger schaffen seit Ausbruch der Finanzkrise, verstärkt durch die Euro-Krise, Vermögenswerte in die Schweiz. Dadurch entsteht Nachfrage nach dem Schweizer Franken - er wertet auf. Auch die Schweizerische Nationalbank hat versucht, die Aufwertung durch Intervention am Devisenmarkt zu stoppen. Sie konnte die Aufwertung aber nur vorübergehend verlangsamen.
Brasilien wiederum wird zum Opfer seines eigenen Erfolgs. Das rohstoffreiche Land ist wirtschaftlich sehr erfolgreich. Dadurch strömt fremdes Kapital auf der Suche nach lukrativen Anlagen ins Land. Der brasilianische Real wertet gegenüber dem Dollar auf. Das Land interveniert zwar nicht am Devisenmarkt, hat aber eine Art Importsteuer auf ausländisches Kapital eingeführt. Sie wurde jüngst von zwei auf vier Prozent erhöht. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega sprach Anfang Oktober als erster von einem "Währungskrieg" - seither ist das Wort in aller Munde.
Was heißt das für Europa und den Euro?
So paradox es klingt: Für exportstarke Euro-Länder wie Deutschland war die Euro-Währungskrise eine Art Geschenk. Endlich fiel der Euro im Verhältnis zum Dollar auf seinen fairen Wert. Mit 1,20 Dollar je Euro entsprach der Wechselkurs Anfang Juni 2010 in etwa der Kaufkraftparität. Doch seither hat sich der Trend schlagartig umgekehrt. Der Euro, eben noch totgesagt, wertet auf - mit erstaunlichem Tempo. Er nähert sich schon wieder der Schwelle von 1,40 Dollar. Zwar bereitet Europas Währung Investoren noch immer Kopfzerbrechen auf Grund der vielen ungelösten Probleme. Aber die Sorgen um den amerikanischen Dollar rücken in den Vordergrund.
Ausgeprägt ist die Aufwertung des Euros gegenüber dem Dollar und gegenüber dem chinesischen Yuan, aber selbst gegenüber dem Schweizer Franken, dem brasilianischen Real, dem japanischen Yen, der indischen Rupie oder der norwegischen Krone hat der Euro in jüngster Zeit wieder etwas zugelegt. Nach Einschätzung von Währungsexperten können deutsche Exporteure einen Wechselkurs von 1,40 Dollar durchaus verkraften, allerdings schrumpfen ihre Gewinnspannen. Bei 1,50 Dollar wird die für den deutschen Export kritische Schwelle gesehen.
Andere Euro-Länder, die weniger exportstark sind als Deutschland, leiden bereits unter dem Wechselkurs. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat keine andere Wahl, sie muss sich in ihrer Geldpolitik an der amerikanischen Notenbank Fed orientieren. Solange die Fed den Leitzins nicht anhebt, hat sie kaum Bewegungsspielraum. Einstweilen belässt sie es bei verklausulierten Mahnungen. EZB-Chef Jean-Claude Trichet bekundet, ein starker Dollar sei im Interesse der USA. Und an die Adresse Chinas ergänzt er, mehr Flexibilität sei wünschenswert.
Gibt es einen Ausweg?
Es steht viel auf dem Spiel. Sollten sich die wichtigsten Volkswirtschaften der Welt in einen anhaltenden Abwertungswettlauf ihrer Währungen verstricken, drohen unkontrollierbare Schwankungen der Wechselkurse und Wohlstandsverluste für alle. Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warnte davor, dass destabilisierte Devisenmärkte die Weltwirtschaft ins Chaos stürzen könnten.
Verschärft würde die Situation, falls einzelne Länder in ihrer Not Handelsschranken errichten, Schutzzölle erheben oder Kapitalverkehrskontrollen einführen würden. Diese Gefahren sollten allerdings auch den Notenbanken und den Regierungen bewusst sein. Ein Währungskrieg hätte nur Verlierer. Es läge daher im Interesse aller Länder, die Spannungen abzubauen und auf die Interessen der jeweils anderen in stärkerem Maße Rücksicht zu nehmen.
Der Weg zu Kompromissen allerdings ist steinig. Zudem muss die Psychologie der Märkte bedacht werden. Wenn Anleger das Vertrauen in eine Währung verlieren, gibt es am Devisenmarkt kein Halten mehr.