Klimaschutzmaßnahme Der CO2-Preis und seine Wirkung
Die CO2-Bepreisung gilt als effektiver Weg, um den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Bundeskanzlerin Merkel fordert deshalb eine weltweite Anwendung. Neben Chancen hat das Modell aber auch unerwünschte Nebeneffekte.
"Ich will hier ein klares Plädoyer einlegen für die Bepreisung von Kohlenstoff-Emissionen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Weltklimakonferenz in Glasgow. Mit einem solchen Preis könne man die Industrie dazu bringen, die technologisch besten Wege zur Klimaneutralität zu finden. Auch die Verbraucher sollen dazu angeregt werden, klimafreundliche Alternativen zu nutzen, etwa ein Elektro-Auto anzuschaffen statt eines Verbrenners.
Der Weltbank zufolge wird dieses Instrument bereits von 64 Staaten weltweit eingesetzt; darunter sind neben allen EU-Staaten auch Drittwelt-Länder wie Kasachstan oder Kolumbien. Allerdings decken sie nur 21,5 Prozent aller globalen CO2-Emissionen ab. Die USA, einer der größten Kohlendioxid-Emittenten weltweit, wollen keine CO2-Bepreisung. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden setzt in ihrem Klimapaket vor allem auf Subventionen, um die Unternehmen zu klimafreundlichen Umbauten zu bewegen.
Auch China, mit einem Anteil von 27 Prozent der weltgrößte CO2-Verursacher, verhält sich beim Thema Bepreisung zögerlich. Zwar wurde Anfang Februar ein solches Instrument eingeführt, doch gilt es zunächst nur für die Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken. Auch müssen die Kraftwerksbetreiber erst dann Zertifikate kaufen, wenn ihr CO2-Ausstoß im Verhältnis zur Bereitstellung von Strom einen gewissen Grenzwert übersteigt.
Vorreiter Schweden
"Die aktuellen Grenzwerte entsprechen dem Durchschnitt vergangener Jahre und werden demnach kurzfristig nicht dazu führen, dass die CO2-Emissionen sinken und Kohlekraftwerke geschlossen werden", heißt es in einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Im Gegenteil, neuere, effizientere und bereits geplante Kohlekraftwerke werden noch dazu kommen. Die CO2-Emissionen werden deshalb in China zunächst weiter steigen", prophezeit Christian Hübner, Leiter des Programms Energiesicherheit und Klimawandel bei der Stiftung. Tatsächlich will China den Anstieg des Kohleverbrauchs zunächst bis 2025 begrenzen und dann ab 2030 stufenweise verringern.
Dessen ungeachtet schreiten die Europäer voran. Spitzenreiter Schweden bepreist eine Tonne Kohlendioxid bereits mit 137 Dollar (Stand April). Auch die Schweiz, Liechtenstein, Finnland, Norwegen und Frankreich liegen mit Preisen zwischen 52 und 101 Dollar weit vorn, wie die Weltbank ausgerechnet hat. Mit umgerechnet 29 Dollar pro Tonne CO2 liegt Deutschland im Mittelfeld, etwa gleichauf mit Portugal und Dänemark.
Härten für einkommensschwache Haushalte
In den folgenden Jahren sollen die Abgaben hierzulande schrittweise ansteigen, bis sie 2025 einen Wert von 55 Euro pro Tonne erreichen. Das entspricht 15,5 Cent pro Liter Benzin und 17,3 Cent pro Liter Heizöl. Während Experten und Klimaaktivisten diesen Preis für zu niedrig halten, warnen die Autoren einer Studie der Bertelsmann Stiftung vor "unerwünschten Nebeneffekten", etwa soziale Spannungen, die eine zu kräftige und rasche Erhöhung der Preise für Treibhausgasemissionen mit sich bringen könnte.
"Dies resultiert daraus, dass ein Anstieg der Preise für Energie und emissionshaltige Konsumgüter vor allem für einkommensschwache Haushalte einen spürbaren Kaufkraftverlust bedeuten kann, während einkommensstarke Haushalte derartige Kaufkraftverluste leichter verkraften", heißt es in der Studie. Tatsächlich bezahlen eine CO2-Bepreisung am Ende die Verbraucher. Durch die in Deutschland zu Jahresbeginn eingeführte Abgabe ist Benzin um etwa sieben Cent und Diesel um rund acht Cent pro Liter teurer geworden. Auch die Heizkosten steigen. Um die Belastung durch höhere Kraftstoffpreise auszugleichen, hat die Bundesregierung eine Erhöhung der Pendlerpauschale für die Jahre 2021 bis 2026 beschlossen.
Angst vor Produktionsverlagerung
Doch auch Unternehmen drohen "Härten", wie Thieß Petersen und Thomas Rausch in ihrer Studie schreiben. Betroffen seien vor allem Wirtschaftsbereiche mit einem hohen Energieverbrauch und entsprechend hohen CO2-Emissionen. Dies trifft etwa auf Produzenten von Stahl, Aluminium oder Kupfer zu. Deshalb könnten Einkommenseinbußen oder der Verlust von Arbeitsplätzen nicht ausgeschlossen werden. "Länder mit einem hohen CO2-Preis spüren entsprechend einen Rückgang von Produktion, Beschäftigung und Arbeitseinkommen", konstatieren die Bertelsmann-Experten.
Im schlimmsten Fall drohe ein sogenanntes "Carbon Leakage". Dieser Begriff bezeichnet eine Situation, in der wirtschaftliche Aktivitäten von einem Land in ein anderes Land verlagert werden und die Ursache dafür die einseitige Einführung oder Erhöhung des Preises für Treibhausgasemissionen im Inland ist. Ein kräftigen Anstieg des CO2-Preises sollte also immer auch mit sozialen Ausgleichszahlungen einher gehen.
Experten empfehlen zudem eine verstärkte Digitalisierung. Der Einsatz von Big Data, unterstützt durch künstliche Intelligenz, könne dazu beitragen, dass wirtschaftliche Entscheidungs- und Produktionsprozesse schneller, präziser und zuverlässiger werden. Das reduziere den Ressourcenverbrauch und damit auch den Ausstoß von Treibhausgas.
Eine Studie des deutschen Digitalverbandes Bitkom aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass sich durch technologische Innovationen, ressourcensparendes Verhalten und effizientere Organisationen in den Unternehmen erhebliche CO2-Einsparungen erzielen lassen. Voraussetzung dafür seien aber gezielte Hilfen des Staates.