Arbeiten mit Down-Syndrom Gegen das Tempo der Welt
Auf dem Arbeitsmarkt eine Festanstellung zu finden, ist für Menschen mit Down-Syndrom oft sehr schwierig. Ein "Bed & Breakfast" in Genua zeigt, wie es klappen kann.
Schildkröten sind bekannt dafür, dass sie nicht besonders schnell sind. Aber die Tiere übertragen auch eine Art Entschleunigung, wenn man sie beobachtet. Vielleicht haben deshalb Enrico Pedemonte und Silvia Stagno den Namen ihres "Bed & Breakfast" im Stadtzentrum Genuas so gewählt: "La sosta della tartaruga" - die Schildkröteneinkehr. Und vielleicht kommt man nur auf so einen Namen, wenn man im Leben gezwungen ist, sich auf Geschwindigkeiten von Menschen einzulassen, die nichts mit dem Tempo der Welt zu tun haben.
Ein Leben mit eigenem Tempo
Daran hat sich das Paar gewöhnt, seit 23 Jahren. Damals kam Giulia auf die Welt, ihre Tochter - mit einem Down-Syndrom. Das ist keine Krankheit, sondern eine Abweichung der Chromosomenzahl. Das 21. Chromosom kommt im Körper statt zweimal dreifach vor - deshalb heißt dieses genetische Phänomen medizinisch auch Trisomie 21. Es gibt ungefähr fünf Millionen Menschen, die mit so einer Abweichung auf die Welt kommen.
Menschen mit Down-Syndrom leben in einer anderen Geschwindigkeit - vielleicht, weil ihnen oft ihr Körper keine schnellere zugesteht. Einen Arbeitgeber für diese Menschen zu finden, der ihnen eine Festanstellung anbietet, ist in unserer leistungsorientierten, gefühlt in Überschall rennenden Gesellschaft oft fast unmöglich.
Genossenschaft namens "Gesellschaft der Schildkröten"
Das weiß auch Pedemonte. "Es ist heutzutage nicht einfach, eine Arbeit zu finden, schon gar nicht für diese jungen Leute", sagt er. Zusammen mit meiner Frau habe er einen Ort schaffen wollen, "an dem Giulia und junge Leute wie sie ihre Eigenschaften voll zur Geltung bringen können und nicht durch ihre Einschränkungen benachteiligt werden".
Außerdem sollte es ein Arbeitsplatz werden, der über einen längeren Zeitraum hinweg Sicherheit bietet. "Denn sehr oft sind Praktika für junge Menschen mit Behinderungen problematisch und ohne jegliche Kontinuität", so Pedmonte.
Das Team der "Sosta della tartaruga" will es schon bald schaffen, seine Betriebskosten zu decken.
Bevor es mit dem eigenen "Bed & Breakfast" losgehen konnte, gründete das Ehepaar erstmal eine Sozialgenossenschaft, die "Gesellschaft der Schildkröten". Deren Ziel ist es laut Homepage, "selbsttragende Arbeitstätigkeiten" für jungen Menschen zu schaffen, die "eine produktive Rolle spielen" sollen. Dies sei nur möglich, "wenn man die Arbeit auf die Eigenheiten der Menschen abstimmt und nicht versucht, sie in einen Kontext zu zwingen, der nicht zu ihrem Rhythmus passt".
Erstmal hat die Familie investiert
Die Anfangsinvestitionen habe im Wesentlichen seine Familie getragen, so Pedemon. Für das "Bed & Breakfast" in Genua, dessen Belegschaft zu sechzig Prozent aus Menschen mit Behinderung besteht, gab es zudem Unterstützung vom Staat. Das Projekt erhielt etwa 100.000 Euro Zuschuss für soziale Unternehmen, zudem Unterstützung der Region Ligurien, um mehrere Ausbildungsplätze einzurichten.
Jetzt konnte es losgehen. Die Familie erwarb zwei große Immobilien in einem historischen Gebäude mitten in Genua. Es entstanden vier Wohnungen, eine Küche für Selbstversorger und eine Suite, mit insgesamt 16 Betten, außerdem ein gemeinsamer Frühstücksraum. Obwohl Pedemonte nie zuvor in seinem Leben etwas mit Tourismus zu tun hatte, stand nach einem Jahr das fertige "B&B".
"Unser Ziel ist es, die Betriebskosten zu decken, und wir glauben, dass dies in 24 bis 36 Monaten erreicht werden kann", sagt Pedemonte. Ihre Tochter Giulia hat damit nichts zu tun - sie konzentriert sich auf ihre Arbeit. Ihr gefällt es, dass sie ernst genommen wird und sich Selbstständigkeit erarbeitet. Die recht stille junge Frau hat darum gebeten, eher nicht direkt in Kontakt mit den Gästen zu sein - daher macht sie die Zimmer.
Es soll keinen Unterschied machen
2008 erklärte die UN Inklusion zum Menschenrecht für Menschen mit Behinderungen. "Inklusion" bedeutet, dass alle Menschen die Möglichkeit haben sollen, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Im Alltagsleben bedeutet das, dass Menschen mit Behinderungen sich nicht anpassen müssen - sondern dass die Umwelt so ausgestattet ist, dass alle darin gleichberechtigt leben können.
Das wünscht sich auch Giulias Vater. In seinem Haus solle es keinen Unterschied machen, ob jemand eine Behinderung habe oder nicht. "Ich möchte, dass der Gast hier ankommt, über ein Reiseportal bucht und bei seiner Abreise einen Kommentar hinterlässt, in dem er sagt: 'schöne Anlage, nur einen Steinwurf vom Zentrum entfernt, tolles Frühstück'."