Bezahlbarer Wohnraum Singapurs Weg zum Eigenheim für alle
Singapur ist eine der teuersten Städte der Welt. Aber 80 Prozent der Bevölkerung besitzen Wohneigentum. Denn größter Immobilienunternehmer ist der Staat. Wie sorgt er für bezahlbare Wohnungen für alle?
Der Schlüssel zu bezahlbarem Wohnraum in einer der teuersten Städte der Welt hat drei Buchstaben: HDB. Das ist sehr viel mehr als die Abkürzung für die Wohnungsbaubehörde "Housing and Development Board". Es ist eine der Lebensfragen in Singapur - ob im privaten Gespräch oder auf amtlichen Fragebögen: Wohnst du in einem HDB, also einer staatlich finanzierten Wohnung, oder in privatem Eigentum? HDB sind Eigentumswohnungen, die der Staat durch subventionierte Preise und günstige Finanzierung auch sozial schwächeren Familien zugänglich macht, sodass heute 80 Prozent aller Singapurer Wohneigentum besitzen - eine der höchsten Quoten der Welt.
Wohnraum für Hunderttausende
Gegründet wurde das "Housing and Development Board" Anfang der 1960er-Jahre kurz vor der Unabhängigkeit Singapurs von Großbritannien. Die rasant wachsende Handelsstadt am Indischen Ozean stand vor dem Problem, sehr schnell günstigen Wohnraum für Hunderttausende Einwanderer zu schaffen. Wobei Staatsgründer Lee Kuan Jew überzeugt war, dass die Menschen sorgfältiger mit ihren Wohnungen umgehen, wenn sie ihnen gehören, als wenn sie nur Mieter sind.
"Wir werden ein Beispiel geben, denn dieses Land gehört uns allen", sagte er. "Wir haben dieses Land aus dem Nichts gebaut. Das war ein Schlammloch hier, ein Sumpf. Heute ist es eine moderne Stadt. In zehn Jahren wird es ein Metropolis sein", sagte Lee Kuan Jew.
Hohe Wertsteigerungen
Die ersten 2000 Wohnungen wurden 1964 für jeweils 4900 Dollar veräußert. Heute sind sie mindestens eine Viertelmillion wert. Vier-Zimmer-Apartments, die im Jahre 2009 jeweils 337.000 Dollar kosteten, gingen zehn Jahre später für 880.000 Dollar weg. Die Preise für HDB seien rasant gestiegen, konstatiert Wohnungsbauminister Lawrenz Wong, aber die Einkommen ebenfalls.
Seine Eltern beispielsweise hätten in den 1970er-Jahren noch die Hälfte ihres Familieneinkommens für die Hypothek ihrer HDB-Wohnung aufbringen müssen. "Heute geben Familien gerade mal 25 Prozent ihres Einkommens für die Finanzierung aus, das ist sehr viel weniger als meine Eltern damals bezahlen mussten", so Lawrenz Wong.
Alle 30 Jahre staatliche Sanierung
Viele Käufer von HDB-Wohnungen wurden reich, sagt der Wohnungsbauminister. "Leute können ihre Wohnung zu jedem Zeitpunkt verkaufen, und sie können den Gewinn behalten", sagt er. "Im Gegensatz zu privaten Immobilien werden HDB alle 30 Jahre vom Staat grundlegend saniert, modernisiert und aufgewertet. Junge Familien, die in ihren Zwanzigern die erste kleine HDB kaufen, erwerben später mit dem Gewinn eine größere Wohnung, und als Rentner finanzieren Sie mit dem Verkauf Ihr Alter."
Der Kontrast zum privaten Wohnungsmarkt könnte kaum größer sein. Einige der teuersten Wohnungen weltweit werden in Singapur angeboten - Megalofts in architektonisch kühnen Bauten für teilweise mehr als 50 Millionen Dollar.
Klare HDB-Regeln
Der Käufer einer HDB erwirbt diese auf einer 99-Jahre-Erbpacht-Basis. Er darf keinen anderweitigen Wohnungsbesitz haben und ein bestimmtes Einkommen nicht überschreiten.
Aber mancher bleibt auch im HDB wohnen, wenn er längst vermögend geworden ist, so wie der Millionär Cheng Chuan Loo, der deshalb kürzlich in Singapur Schlagzeilen machte. "Die Hypothekenbelastung bei einer HDB beträgt einen Bruchteil derjenigen für eine private Immobilie. Der innere Friede, den sie dadurch bekommen, ist unbezahlbar."
Moderne HDB-Wohnanlagen sind luftige Hochhausbauen mit grünen Innenhöfen, beinahe schon Mini-Städte mit Spielplätzen, Arztpraxen, Garküchen, Einkaufszentren, Kindergarten und Begegnungsstätten. Jede HDB-Anlage hat einen Bunker für den Kriegsfall.
Die Regierung sorgt ebenfalls für die ethnische Durchmischung. Es gibt einen Schlüssel für die Vergabe der Wohnungen an die drei Singapurer Haupt-Ethnien - Chinesen, Malayen und Inder -, damit keine Ghettos entstehen. Und natürlich fügen sich die HDB auch in das städteplanerische Gesamtkonzept von Öffentlichem Nahverkehr und Grünanlagen ein: Kein Singapurer - so bestimmen es die Regeln - soll mehr als zehn Minuten Fußweg bis zum nächsten Park zurücklegen müssen. Turbokapitalismus und Planwirtschaft sind in Singapur kein Widerspruch.