Vor dem OPEC+-Treffen Warum der Ölpreis langfristig steigen dürfte
Vom Treffen der erdölproduzierenden Länder wird keine Entscheidung erwartet, die Fördermenge weiter zu kürzen. Dennoch dürfte der Ölpreis langfristig steigen. Russland und Saudi-Arabien haben verschiedene Interessen.
Erst im April hatte die OPEC+ überraschend eine Kürzung der Fördermenge angekündigt. Nachdem das Ölkartell und seine Partner bereits im Herbst 2022 wegen der trüben Wirtschaftsaussichten eine Kappung der Produktion von zwei Millionen Barrel pro Tag beschlossen hatten, drosselten die Förderländer ab Mai erneut die Menge um rund eine halbe Millionen Barrel pro Tag.
Doch trotz des reduzierten Angebots auf dem Weltmarkt schwächelt der Ölpreis. Das liegt nach Einschätzung von Analysten vor allem daran, dass Chinas Wirtschaft schwächer wächst als erwartet und sich auch die anderen großen Volkswirtschaften langsamer erholen.
Höherer Ölpreis im Interesse Saudi-Arabiens
Nach der OPEC+-Ankündigung im April gingen die Preise kurz in die Höhe, seither ist der Preis für Erdöl am Terminmarkt aber wieder deutlich gefallen. Damals kostete ein Fass der Nordseesorte Brent in der Spitze mehr als 86 Dollar, die US-Leichtölsorte WTI über 80 Dollar je Fass. Aktuell pendelt der Preis je nach Sorte auf etwas über 71 (WTI) beziehungsweise 75 Dollar (Brent) je Fass.
Demnach hat die Kürzung der Öl-Fördermenge nicht den von der OPEC+ gewünschten Effekt gebracht. Denn das saudische Energieministerium erklärte damals, man wolle durch die "freiwillige Kürzung" den Ölpreis stabilisieren.
Die Frage ist, ob die 23 Öl-Förderstaaten, die sich an diesem Wochenende in Wien zu Beratungen treffen, erneut eine Kürzung der Fördermenge bekanntgeben werden. Das wäre aus Sicht von Beobachtern eine Überraschung. Die Fundamentaldaten gäben es nicht her, erneut die Fördermenge zu kürzen, sagt der Ölmarkt-Experte Andreas Goldthau von der Universität Erfurt. "Es gibt die allgemeine Erwartung, dass die Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte nach oben gehen wird, wenn die Volkswirtschaften wieder anziehen. Bei einem gleichzeitig gedeckelten Öl-Angebot wird das die Preise hochtreiben."
Ein höherer Ölpreis dürfte gerade im Interesse des größten Öl-Förderlandes der OPEC+ liegen: Saudi-Arabien. Schätzungen zufolge braucht der Golfstaat einen Ölpreis von 81 Dollar, um seinen Staatshaushalt zu finanzieren. Andersherum liegt eine weitere Kürzung der Öl-Fördermenge jedoch nicht im Interesse eines zweiten Schwergewichts unter den OPEC+-Staaten: Russland.
"Russland will große Mengen auf den Markt pumpen"
Nach Einschätzung von Goldthau, der am Helmholtz-Zentrum Potsdam die Gruppe Geopolitik der Transformation in Energie und Industrie leitet, hat Russland derzeit ein Interesse daran, große Volumina an Öl auf den Markt zu pumpen, da das Land aufgrund der US- und EU-Sanktionen unter Marktpreis verkaufen muss. "Russland hatte zu Beginn der Sanktionen einen starken Einbruch, aber jetzt hat sich schlicht die Route der Lieferungen verändert. Das russische Öl geht jetzt nicht mehr in Richtung EU und USA, sondern nach Indien und China", so Goldthau gegenüber tagesschau.de.
Laut dem Öl-Marktreport der Internationalen Energieagentur (IEA) von Mai sind die russischen Exporte im April auf mehr als acht Millionen Barrel pro Tag geklettert und damit auf einen Höchststand seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Russland exportiert damit mehr Öl als im Rahmen der OPEC+-Treffen vereinbart, um seinen Krieg zu finanzieren.
An die Ankündigung, ab März die Fördermenge um 500.000 Barrel am Tag zu kürzen, scheint sich Moskau nicht zu halten. Das wiederum dürfte nicht im Interesse Saudi-Arabiens liegen. Einem "Handelsblatt"-Bericht zufolge nimmt Russland dem Golfstaat gerade wichtige Marktanteile in Indien ab. Damit hätte Russland einen großen Anreiz, die Vereinbarung der Ölexporteure zu unterlaufen.
Offenbar schwieriges OPEC+-Treffen
Auch wenn es innerhalb des Verbunds der Öl-Förderstaaten sehr unterschiedliche Interessen gibt, so ist nach Ansicht von Ölmarkt-Kenner Goldthau entscheidend, dass sich Saudi-Arabien und Russland einigen. Zuletzt hätten die Länder signalisiert, dass sie in konstruktiven Gesprächen seien.
Dass das OPEC+-Treffen allerdings schwierig werden könnte, zeigt sich auch daran, dass Journalisten von Nachrichtenagenturen wie Reuters und Bloomberg keine Einladung erhielten, nach Abschluss der Beratungen vor Ort zu berichten.