Zwangsarbeit in China Was bringt das Lieferkettengesetz?
Im chinesischen Xinjiang soll es Zehntausende Zwangsarbeiter in Lagern geben. Das Lieferkettengesetz soll verhindern, dass Produkte aus diesen Lagern in Deutschland landen. Doch das zu überprüfen ist schwierig.
Es dauert nicht lange, da fängt uns die Polizei ab. Wir landen in Xinyuan, einer kleineren Stadt in Xinjiang, auf der Polizeistation. Fotos und Videos sollen wir löschen. Nach etwa einer Stunde lassen sie uns gehen.
Die chinesische Regierung behauptet, die sogenannten Umerziehungslager gebe es nicht mehr. Tatsächlich wurden ab 2019 nach Recherchen von Journalisten einige Lager geschlossen, andere bestehen weiter fort.
Auf unserer Reise wird sichtbar, wie sensibel das Thema nach wie vor ist. Überall, ob am Flughafen, am Bahnhof oder an Checkpoints an der Straße, werden wir von Polizisten befragt. Unsere Reisepässe werden abfotografiert. Wir werden oft von mehreren Autos verfolgt.
Im Norden Xinjiangs fahren wir in die Stadt Tacheng an der Grenze zu Kasachstan. Hier wurde Erbakit Ortabay vor sechs Jahren in ein Umerziehungslager gesperrt. Er sei dort zur Arbeit gezwungen worden, erzählt er. Elf Stunden am Tag habe er nähen müssen.
"Zur Strafe an einen eisernen Folterstuhl gekettet"
Zu einem Interview treffen wir ihn in London. "Sie haben uns Produktionsvorgaben gemacht", berichtet Ortabay. "Neben mir saß jemand, der alt war und deshalb nicht schnell genug gearbeitet hat. Zur Strafe haben sie ihn an einen eisernen Folterstuhl gekettet. Er hat nur ein kleines gedämpftes Brot am Tag bekommen. So saß er da 15 Tage."
Die Angaben lassen sich nicht überprüfen, aber sie decken sich mit den Berichten vieler anderer Betroffener. In Tacheng fahren wir zu genau diesem Lager. Vor Ort stehen entlang der Straße vor dem Gelände mehrere in schwarz gekleidete Männer. Einer von ihnen läuft unserem Auto hinterher, sagt uns, dass dies ein Trainingsort sei - auf chinesisch Xunlian de difang. Filmen sei verboten.
Wir zeigen Ortabay unsere Aufnahmen. Er sagt, es sei das selbe Lager. "Sie haben das Äußere verändert, aber innen ist es noch dasselbe. Wenn du fragen würdest, 'Können wir mal reingucken?', würden sie dich niemals lassen. Das sind Lügner."
So wie Ortabay werden in Xinjiang Zehntausende Menschen zur Arbeit gezwungen - auch für Waren, die dann in Deutschland verkauft werden. Mit dem Lieferkettengesetz, das seit Januar gilt, will der Gesetzgeber das verhindern. Unternehmen müssen ihre gesamte Lieferkette überprüfen. Fair und nachhaltig soll die Produktion sein. Doch wie soll das in China gewährleistet werden?
Handelskammer: Gesetzesverstöße nicht auszuschließen
Maximilian Butek vertritt die deutsche Auslandshandelskammer in Shanghai. Er sagt, vor allem viele große Unternehmen managten teilweise mehrere zehntausend Lieferanten, die wiederum einen Lieferanten haben und die ebenfalls weitere Lieferanten nutzen. "Hier zu 100 Prozent auszuschließen, dass es bei keinem einzigen dieser Lieferanten zu Gesetzesverstößen kommt, halte ich in der Praxis für kaum realisierbar."
Wir können mit einem Unternehmensprüfer sprechen, der schon mehr als 100 Mal in China war, auch in Xinjiang. Das sei allerdings inzwischen zu gefährlich, sagt er. Er spricht nur anonym mit uns, um seine chinesischen Kollegen zu schützen.
"Ich kenne Firmen, die dort Unternehmen geprüft haben", sagt der Unternehmensprüfer. Doch danach habe die chinesische Polizei oder der Geheimdienst die Mitarbeiter zu Hause aufgesucht. Überprüfungen seien zwar theoretisch möglich, aber mit jedem Monat schwieriger geworden. Lieferketten in China unabhängig zu prüfen scheint vor Ort in der Praxis schwierig umsetzbar zu sein.