Schweinezucht und -mastanlage in Südchina
weltspiegel

Massentierhaltung in China Schweine auf 13 Stockwerken

Stand: 12.11.2023 10:53 Uhr

In keinem anderen Land der Welt wird mehr Schweinfleisch gegessen als in China. Um die Kosten zu senken, wird auf industrielle Tierhaltung gesetzt. Schweinehochhäuser sind ein neuer Trend.

Der Anblick ist überraschend: Riesige Hochhäuser stehen inmitten der Berge im Süden Chinas. Die Anlage ist nicht für Menschen gedacht, sondern für Schweine. Für Zucht und Mast leben hier 30.000 Tiere in den bis zu 13-stöckigen Kolossen. Bauland ist in China teuer, daher hat die Firma Yangxiang in die Höhe gebaut. Über lange Rohre wird gefilterte Luft und Futter zu den Tieren gepumpt.

Die Schweine sollen möglichst wenig Kontakt zu Menschen und Natur haben - eine Hygienemaßnahme. Zwei Jahre nach Antragstellung darf ein ARD-Team die Arbeiter im Hochhaus begleiten - einen Tag lang, auf einem der Stockwerke für die Zuchtsauen. Fünf Arbeiter kümmern sich hier um 1000 Sauen und ihre Nachkommen. Möglichst viel ist automatisiert: Die Schläuche mit Wasser und Nahrung führen direkt zu jeder Sau, per Knopfdruck im Kontrollraum können die Arbeiter die Fütterung auslösen.

Tierwohl auf chinesisch - Schweine werden in Hochhäusern gehalten

Tamara Anthony, ARD Peking, tagesthemen, 24.09.2023 22:45 Uhr

Massentierhaltung nicht in Frage gestellt

Die Arbeiter nennen nur Positives, wenn sie über die Bedingungen hier sprechen. Massentierhaltung wird generell nicht hinterfragt. Im Gegenteil, für die Arbeiterin Lu Changtong sind die Hochhäuser sehr modern. "Wenn die Schweine draußen wären, gäbe es Sonne, Regen und sie könnten bei schwierigen Wetterbedingungen nicht genug Essen finden. Sie wären wie Obdachlose", sagt sie. "Hier haben sie alles, was sie brauchen. Sie werden immer satt sein und nicht in der Kälte stehen. Natürlich sind sie glücklicher."

Alle vier Monate dürfen sich die Sauen für etwa eine Stunde im fensterlosen Raum frei bewegen. Ansonsten sind sie im Kastenstand, haben gerade eben genug Platz zum Liegen.

Sendungsbild

Schweine im Kastenstand des Zuchthochhauses in Südchina. Nur alle vier Monate dürfen sie sich frei bewegen - für eine Stunde.

Wachsender Wohlstand, mehr Fleischkonsum

Die Hälfte aller Zuchtschweine weltweit lebt inzwischen in China. Mit wachsendem Wohlstand ist der Fleischkonsum rasant gestiegen. In keinem Land der Welt wird mehr Schweinefleisch gegessen als in China. In den vergangenen fünf Jahren sind in ganz China Dutzende riesige industrialisierte Schweinefarmen entstanden, um die Nachfrage Stand zu stillen. Im Jahr 2019 erlaubte Pekings Regierung die mehrstöckige Schweinehaltung und forderte alle Regierungsstellen auf, die Schweineindustrie zu unterstützen.

"Ein Land muss seine Landwirtschaft stärken, bevor es zu einer Großmacht werden kann, und nur eine robuste Landwirtschaft kann das Land stark machen", sagte Staatsführer Xi Jinping damals. In der Vergangenheit hatte er bereits davor gewarnt, dass China "unter die Kontrolle anderer geraten würde, wenn wir unsere Reisschüssel nicht stabil halten".

Seitdem wird Landwirtschaft und Viehzucht als Frage der nationalen Sicherheit gewertet. Das Ziel ist, unabhängig von Importen zu werden. Doch bisher ist China der größte Importeur von Agrarerzeugnissen, darunter mehr als die Hälfte der weltweiten Sojabohnen - die hauptsächlich als Tierfutter verwendet werden. Das Land verfügt über etwa zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Erde für etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung.

Schweinefleisch als Indikator für Wohlstand

Der Preis von Schweinefleisch ist ein Politikum. Er gilt als Maß für die Inflation und wird genau beobachtet. Die Regierung kann über eine Schweinefleischreserve in den Markt eingreifen. Im vergangenen Jahr beispielsweise, als der Kilopreis im Großhandel bei über acht Euro lag und stark schwankte, gab die Regierung über fünf Monate 107.100 Tonnen Schweinefleisch aus der staatlichen Reserve frei, um durch mehr Angebot den Preis zu drücken.

Schweinefleisch sei in China wie ein Wohlstandsindikator, sagt die Soziologin Mindi Schneider. Und stetig wachsender Wohlstand ist das wichtigste Legitimationskriterium für die Regierung. Schneider hat drei Jahre lang in China zu Schweinen geforscht, jetzt arbeitet sie in den USA an der Brown-Universität. "Früher haben die Menschen in China einmal im Jahr Schweinefleisch gegessen. Dann kamen die Reformen und es gab mehr Fleisch", sagt die Wissenschaftlerin. "Der Erfolg der Regierung hängt also auch davon ab, ob die Menschen genug günstiges Schweinfleisch kaufen können. So kann die Regierung zeigen: Schau, es geht uns immer besser."

Eine Schweinepest sorgt deshalb auch für innenpolitische Gefahren: Mehr als 100 Millionen Schweine mussten zwischen 2018 und 2020 gekeult werden. Der Preis für Fleisch verdreifachte sich zwischenzeitlich. "Diese Krise war ein Katalysator für die industrielle Schweinzezucht, die dann als die moderne Antwort zu quasi vormodernen Problemen dargestellt wurde", so Mindi Schneider. "Der Markt wurde umgekrempelt, statt kleiner Schweinebauern gehen nun die ganz großen auf den Markt."

Unternehmen aus völlig anderen Branchen investieren

Inzwischen produzieren 20 Firmen ein Drittel aller chinesischen Schweine. Und immer mehr fachfremde Konzerne investieren in das lukrative Geschäft, vor allem mehrere IT-Unternehmen. Die größten Schweinehochhäuser - mit 26 Stockwerken für 1,2 Mio Schweine pro Jahr - betreibt der Zement-Hersteller Hubei Zhongxin Kaiwei. Die Wärme der Zementfabrik wird für heiße Bäder und warmes Trinkwasser für die Schweine genutzt. Nach Angaben der Firma können die Tiere so schneller wachsen bei weniger Futter.

Die Arbeiter in den Schweinhochhäusern im Süden von China wohnen in einem Hochhaus nebenan. Nur einmal im Monat dürfen sie für sechs Tage die Anlage verlassen. Damit sie dann wieder in direktem Kontakt zu den Schweinen arbeiten dürfen, sind Hygienemaßnahmen Pflicht, die einen ganzen Tag dauern: dreimal duschen, einmal sogar in die Sauna, dreimal neue Anziehsachen, alles muss aufwändig desinfiziert werden.

Die Arbeiterin Lu Changtong präsentiert die Ehepartner-Wohnung, die ihr die Firma stellt - denn ihr Mann arbeitet auch hier. Das gemeinsame Kind lebt bei den Großeltern. Nur sechs Tage im Monat kann sie es sehen. "Das macht mir nichts aus", sagt Lu Changtong. "Vor kurzem sind wir auch sehr lange hiergeblieben. Einmal sogar ein halbes Jahr. Das kam auch mal vor. Während der Pandemie war es nämlich ganz streng. Aber wir haben Viehzucht gelernt, und was die Firma von uns verlangt, müssen wir befolgen." Essen, Trinken, ein bisschen Bewegung und ein Dach über dem Kopf. Dafür sorgt die Firma - bei den Schweinen und den Menschen.