Notenbanken und Inflation Warum Schweizer Preise langsamer steigen
Hohe Inflationsraten setzen die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank unter Druck. Warum sieht es in der Schweiz ganz anders aus? Und welchen Weg geht die dortige Notenbank SNB?
Auch in der Schweiz steigt die Inflationsrate. Im vergangenen Monat betrug die Teuerung 2,4 Prozent gegenüber März 2021 - und war damit so hoch wie nie in den vergangenen 13 Jahren. Doch auch wenn die Inflation anzieht: Verglichen mit Teuerungsraten von mehr als acht Prozent in den USA oder mehr als sieben Prozent in Deutschland ist der Anstieg in der Schweiz noch moderat.
Das habe vor allem mit dem starken Schweizer Franken zu tun, sagt Aymo Brunetti, Professor für Volkswirtschaft an der Uni Bern. Der starke Franken wirke sich eher deflationär aus: "Das dämpft die Inflation über die Importpreise." Hinzu komme, "dass die Energieintensität in der Schweiz möglicherweise etwas tiefer ist, insbesondere die Abhängigkeit von Öl und Gas." Dies zusammen genommen sind laut Brunetti die Faktoren, die eine etwas niedrigere Inflation bewirken.
Inflationsprognose ruft IWF auf den Plan
Auch die Schweizerische Nationalbank SNB musste aber nun ihre Inflationsprognose erhöhen. Noch im Dezember rechnete die SNB mit einer Teuerung von einem Prozent im Jahr 2022. Bei der letzten vierteljährlichen Lagebeurteilung Ende März wurde ein Anstieg um 2,1 Prozent in Aussicht gestellt, also knapp über dem offiziellen Ziel der SNB. Deshalb hat die Schweizerische Nationalbank den seit 2015 geltenden extrem niedrigen Negativ-Leitzins von minus 0,75 Prozent nicht angetastet und hält an ihrer expansiven Geldpolitik fest - bislang jedenfalls.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) gab der SNB gerade die Empfehlung, "die Inflationsentwicklung und -aussichten, auch auf internationaler Ebene, weiterhin genau zu beobachten". So steht es im aktuellen Schweiz-Bericht des IWF, der in der vergangenen Woche vorgestellt wurde - und: "Die Zeit für eine Normalisierung der Geldpolitik könnte gekommen sein", sagen die IWF-Experten.
Schnelle Reaktion, wenn die EZB tätig wird
Ähnlich sieht es auch der Schweizer Ökonom Brunetti. "Ich glaube schon, dass der Moment gekommen ist, jetzt wirklich einen Ausstieg aus dieser expansiven Geldpolitik zu tun", sagt er. Es sei sehr wichtig, dass man nicht "hinter die Kurve" komme. Nach Auffassung Brunettis sind sowohl die EZB als auch die US-Notenbank Fed Negativbeispiele genau für dieses Phänomen: "Sie haben zu spät reagiert, und die Inflation ist jetzt auf einer Höhe, die mir echt Sorgen macht, dass es Lohn-Preis-Spiralen gibt, dass die Inflation nicht mehr aus dem System rausgeht", warnt der Experte.
Dies gelte es in der Schweiz unbedingt zu vermeiden: "Deshalb würde ich jetzt reagieren, wenn die Inflationsraten noch in einem vernünftigen Rahmen sind." Die Fed und die Bank of England haben den Leitzins bereits erhöht, um auf die Inflation zu reagieren. Würde die EZB nachziehen, dann - so sagt Brunetti - würde die SNB "sehr, sehr schnell reagieren". Doch in der jüngsten Sitzung ließ der EZB-Rat einen konkreten Termin für eine erste Zinserhöhung weiter offen.