Verbraucherpreise im Februar Türkische Inflation steigt auf über 67 Prozent
Die Teuerung in der Türkei hat sich im Februar wieder verstärkt. Die Verbraucherpreise stiegen im Jahresvergleich um über 67 Prozent. Die Notenbank hatte den Leitzins zuletzt nicht weiter angehoben.
Auch nach dem Wechsel an der Spitze der Notenbank steigen die Verbraucherpreise in der Türkei weiter massiv - sogar noch stärker als zuletzt. Die Inflationsrate stieg im Jahresvergleich auf 67,07 Prozent, wie das nationale Statistikamt heute in Ankara mitteilte. Nachdem sich die Geldentwertung zum Jahreswechsel noch knapp unter 65 Prozent gehalten hatte, nahm sie zuletzt wieder Fahrt auf.
Vor allem bei Nahrungsmitteln und Hotelübernachtungen machte sich die starke Teuerung bemerkbar. Analysten waren für Februar im Schnitt von einer Inflationsrate von 66,0 Prozent ausgegangen.
Leitzins bleibt bei 45 Prozent
Besonders stark legten die Preise in der Gastronomie zu. Hier meldete das Statistikamt nahezu eine Verdoppelung der Preise im Jahresvergleich. Überdurchschnittlich stark fiel auch der Anstieg der Lebensmittelpreise aus: Sie zogen im Jahresvergleich um 71 Prozent an. Einen starken Anstieg gab es auch bei den Gesundheitskosten mit 81 Prozent.
Als wesentlicher Treiber der Inflation gilt die schwache Landeswährung Lira, die eingeführte Güter und Dienstleistungen wechselkursbedingt zusätzlich verteuert. Am Devisenmarkt hatte sich der Abwertungstrend jüngst beschleunigt. Am Morgen wurde für einen US-Dollar 31,41 Lira und für einen Euro 34,08 Lira gezahlt. Dazu kommt die unerwartet kräftigen Anhebung des monatlichen Mindestlohns, der zu Jahresbeginn auf 17.002 Lira - das sind umgerechnet 516 Euro - stieg: ein Plus von 49 Prozent.
Die Notenbank des Landes hatte den Leitzins im Februar derweil nicht verändert. Zuvor hatte sie ihn seit dem vergangenen Frühjahr kontinuierlich angehoben, um den starken Anstieg der Inflation in den Griff zu bekommen. Unter der Ex-Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan, die Anfang Februar aufgrund von Vorwürfen der Vetternwirtschaft überraschend zurücktrat, stieg der Leitzins kräftig von 8,5 auf 45,0 Prozent.
Erdogan verspricht Besserung zum Jahresende
Dort beließ die Zentralbank den Leitzins nun. Es war die erste geldpolitische Entscheidung des neuen Leiters Fatih Karahan, der wie Erkan ebenfalls als Vertreter einer konventionellen Geldpolitik gilt. Die Währungshüter wollen das Zinsniveau jetzt so lange beibehalten, "bis es zu einem signifikanten und nachhaltigen Rückgang des zugrundeliegenden Trends der monatlichen Inflation kommt".
Der geldpolitische Kurs werde verschärft, wenn mit einer erheblichen und anhaltenden Verschlechterung der Inflationsaussichten zu rechnen sei, warnten sie zugleich. Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich lange gegen höhere Zinsen gewehrt hatte, sagte gestern, die Maßnahmen gegen die Inflation "werden ab Ende des Jahres zu wirken beginnen". Nach seiner Wiederwahl im Mai 2023 hatte er die wirtschaftspolitische Führung ausgetauscht und so die Zinswende eingeleitet.
Finanzminister Mehmet Simsek erwartet wegen statistischer Basiseffekte in den kommenden Monaten noch keine Entspannung an der Inflationsfront. Doch dürfte der starke Preisauftrieb aus Ökonomensicht im laufenden Jahr zumindest etwas nachlassen. Zum Jahresende wird eine Teuerungsrate von 42,7 Prozent erwartet.
Experten gehen von erheblich höherer Rate aus
Zuletzt hatten Fachleute allerdings Zweifel an der Zuverlässigkeit der Inflationsdaten. Hintergrund sind die zahlreichen Personalwechsel, die Erdogan im Statistikamt Turkstat veranlasst hatte.
Außerdem korrelierten die von Turkstat gemessene Inflationsrate und der Lebenshaltungskostenindex der Handelskammer Istanbul früher sehr stark - das hat sich jedoch im Frühjahr 2022 geändert. Seitdem liegt der Istanbuler Indikator deutlich höher als die offizielle Teuerungsrate.
Unabhängige Experten von der Forschergruppe ENAG gehen daher weiterhin von noch drastisch höheren Teuerungsraten aus. Sie beziffern die Inflation im Februar auf 122 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.