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Keine Ansprüche gegen EY Dämpfer für Zehntausende Wirecard-Kläger

Stand: 28.02.2025 14:19 Uhr

Im Prozess um milliardenschwere Schadenersatzforderungen Zehntausender Wirecard-Aktionäre versetzt ein Gericht den Klägern einen Dämpfer. Denn ihre Hoffnung hatten sie vor allem auf EY gesetzt.

Eine erste Entscheidung des bayerischen Obersten Landesgerichts dämpft im Wirecard-Skandal die Hoffnungen Zehntausender Aktionäre auf Schadenersatz. Im Kapitalanleger-Musterverfahren können demzufolge keine Schadenersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY vorgebracht werden, die die Bilanzen des Skandalkonzerns bis zu dessen Kollaps im Sommer 2020 bestätigt hatten. Das verkündete heute Gerichtspräsidentin Andrea Schmidt.

Wirtschaftsprüfungsfirma weist Schadenersatzforderungen zurück

Musterklägeranwalt Peter Mattil nannte die Entscheidung "hundertprozentig falsch" und kündigte Beschwerde beim Bundesgerichtshof an. "Wir werden jetzt Rechtsbeschwerde einlegen." Die Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Daniela Bergdolt, betonte, notfalls würden Aktionärsansprüche gegen EY in anderen Prozessen geltend gemacht. Ein EY-Sprecher sagte, das Unternehmen bewerte die Schadensersatzklagen nach wie vor als unbegründet. Die Entscheidung des Obersten Landesgerichts nehme man zur Kenntnis.

Das zivilrechtliche Musterverfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht läuft parallel zum Strafprozess, in dem sich Ex-Vorstandschef Markus Braun und zwei Mitangeklagte seit Dezember 2022 verantworten müssen. Auf Schadenersatz geklagt haben nach Worten der Richterin mittlerweile knapp 8.700 Anleger. Weitere 19.000 haben Ansprüche angemeldet, ohne selbst zu klagen. Als Musterkläger hat der 1. Zivilsenat quasi stellvertretend einen hessischen Bankkaufmann ausgewählt, der eine halbe Million Euro mit Wirecard-Papieren verloren hatte.

Eigentliche Zielscheibe der Kläger ist jedoch EY: Das Unternehmen ist solvent, während bei Ex-Vorstandschef Braun und den von Insolvenzverwaltern vertretenen Firmenresten nach allgemeiner Einschätzung nichts mehr zu holen ist. EY hatte die mutmaßlich falschen Bilanzen des 2020 zusammengebrochenen DAX-Konzerns geprüft und abgesegnet. Im Hintergrund stehen Aktionärsforderungen von bis zu 8,5 Milliarden Euro.

Klagen gegen EY auf anderer Grundlage weiter möglich

Gerichtspräsidentin Schmidt begründete den "Teilmusterentscheid" so: In Musterverfahren gebündelt werden können nur Klagen wegen falscher Information des Kapitalmarkts. Gemeint sind damit unter anderem falsche Bilanzen und falsche Pflichtmitteilungen an die Börse. EY hat jedoch nach Argumentation des Senats die falschen Wirecard-Bilanzen inklusive des Bestätigungsvermerks nicht selbst veröffentlicht, sondern die Wirecard-Chefetage. Insofern sind Schadenersatzansprüche gegen EY im Musterverfahren laut Gericht "nicht statthaft".

Die Entscheidung bedeutet allerdings nicht, dass Wirecard-Aktionäre grundsätzlich nicht gegen EY klagen können. Doch Grundlage müsste nach Worten der Richterin die "Verletzung von Prüfpflichten" sein, nicht die falsche Information des Kapitalmarkts. Die Schadenersatzansprüche gegen Braun und andere ehemalige Wirecard-Größen werden in dem Musterverfahren ohne Umweg über den BGH weiter verhandelt. "Es geht weiter", sagte Schmidt.

Das Verfahren ist eines der umfangreichsten der deutschen Historie. Wirecard brach im Juni 2020 zusammen, als aufflog, dass dem Zahlungsabwickler auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Es handelt sich um einen der größten Finanzskandale der Nachkriegsgeschichte. Zur Aufarbeitung der Pleite laufen immer noch etliche Gerichtsverfahren. Ex-Wirecard-Chef Braun sitzt wegen eines Betrugsprozesses in Untersuchungshaft und kam heute nicht zum Gerichtstermin.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 28. Februar 2025 um 14:35 Uhr.