Fleisch aus dem Labor Steak ohne Schlachten
Start-ups tüfteln an Fleisch, das aus Stammzellen im Labor hergestellt wird - und erste Restaurants tischen es bereits auf. Ist das eine Lösung für das globale Klima- und Ernährungs-Problem?
Bill Gates, Richard Branson und Leonardo di Caprio verbindet eines: die Liebe zum Kunstfleisch. Die drei haben sich an Start-ups beteiligt, die an Technologien zur Herstellung von Burgern und Chicken Nuggets aus In-Vitro-Fleisch arbeiten. In der vergangenen Woche ist Hollywood-Star di Caprio bei Mosa Meat aus den Niederlanden und Aleph Farms aus Israel eingestiegen.
Di Caprio investiert in zwei Start-ups
Die prominenten Investoren sehen das "Good Meat" als maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz und als Weg aus der Massentierhaltung. "Einer der wirkungsvollsten Wege im Kampf gegen die Klimakrise ist, unser Lebensmittelsystem zu verändern", erklärte di Caprio. Die beiden Firmen böten neue Möglichkeiten, "die weltweite Nachfrage nach Rindfleisch zu stillen und gleichzeitig eines der drängendsten Probleme der aktuellen Industriellen Rindfleisch-Produktion zu beheben".
Tatsächlich spart das In-Vitro-Fleisch gegenüber Fleisch aus konventioneller Tierhaltung 78 bis 96 Prozent der Treibhausgasemissionen, benötigt bis zu 99 Prozent weniger landwirtschaftliche Fläche und verbraucht bis zu 96 Prozent weniger Wasser, schätzen Forscher der Universitäten Amsterdam und Oxford in einer Studie. Zudem müssen die Tiere nicht mehr geschlachtet werden.
"Einer der wirkungsvollsten Wege im Kampf gegen die Klimakrise ist, unser Lebensmittelsystem zu verändern" - Schauspieler Leonardo di Caprio über seine Investitionen in die Firmen Mosa Meat und Aleph Farms.
Weg aus der Massentierhaltung
Start-ups und Wissenschaftler gewinnen aus gezüchteten Zellen Fleisch in vitro. Sie entnehmen den Rindern, Schweine oder Hühnern Zellen, die dann im Labor isoliert und kultiviert werden. Schließlich werden sie in großem Stil in Bioreaktoren gezüchtet und zu Zellmasse verarbeitet, aus der dann beispielsweise Burgerfleisch geformt werden kann.
Mit dem Labor-Burger und den synthetischen Hühnchen-Nuggets könnte der wachsende Hunger der Menschheit gestillt werden, so das Kalkül. Laut der Welternährungsorganisation FAO wird die Fleischnachfrage bis 2050 um 70 Prozent steigen.
Synthetische Hühnchen-Nuggets in Restaurants
In ersten Ländern kommt das Kunstfleisch bereits auf den Teller von Restaurants. So serviert der noble "Club 1880" in Singapur den Gästen Chicken Nuggets im knusprigen Sesammantel mit Teigtaschen für knapp 15 Euro. Wer nicht Mitglied im Edel-Club ist, kann Laborhähnchenfleisch alternativ im JW Marriott Hotel Singapore South Beach probieren. Auch in Israel bieten einige Restaurants Laborfleisch an.
Das kalifornische Start-up Eat Just hat 2020 die weltweit erste Zulassung für synthetisches Fleisch aus echten Muskelzellen bekommen. Eat Just gehört zu den rund 80 Start-ups, die sich inzwischen weltweit auf dem Markt für Laborfleisch tummeln. Sie sammeln Millionen bei Investoren wie Gates oder di Caprio ein. Auch klassische Lebensmittelkonzerne beteiligen sich an den jungen Firmen. Der Wiesenhof-Konzern PHW ist bei der israelischen SuperMeat eingestiegen.
Eat Just will große Fabrik in Katar bauen
Bald könnte das Laborfleisch in noch größerem Maßstab produziert werden. Eat Just plant in Katar eine große Fabrik. Der Golfstaat könnte in naher Zukunft grünes Licht für den Verkauf des in-vitro-Fleischs geben. Dann könnte die ganze Welt damit beliefert werden.
Unter den deutschen Unternehmen mischt besonders der Chemie- und Pharmakonzern Merck im Zukunftsmarkt mit. Die Darmstädter bieten Reagenzien und Geräte für die Zellkultivierung und Zellkulturmedien an. Merck sieht sich als Technologieanbieter für Start-ups.
Bioreaktoren verbrauchen viel Energie
Doch nicht alle finden die Idee mit dem Fleisch aus der Petrischale gut. Starköchin Sarah Wiener hält sie für einen gefährlichen Irrweg. "So etwas herzustellen, kostet viel Energie und Ressourcen."
Tatsächlich bräuchte man für die massenhafte Herstellung riesige energieintensive Bioreaktoren, in denen das Fleisch heranwachsen kann, gibt Silvia Wolf vom Karlsruher Institut für Technologie zu bedenken. Zudem werden Nährlösungen für das Wachstum der Stammzellen oft aus Kälberföten genommen. Millionen Kälber müssen also sterben. Als Alternative versuchen Wissenschaftler und Start-ups, das Kälberserum durch pflanzliche Stoffe beispielsweise aus Algen zu ersetzen.
Noch wird im Labor hergestelltes Fleisch nur in wenigen Restaurants angeboten - auch wegen der immer noch hohen Produktionskosten.
Noch zu teuer
Die größte Hürde für die neue Technologie ist der hohe Preis. Ein Burger aus dem Labor kostete 2013 rund 250.000 Euro. Inzwischen ist er auf 45 Euro gefallen. Ein wettbewerbsfähiger Preis dürfte erst bis 2030 erreicht sein, heißt es in einer Studie der Organisation The Good Food Institute. Langfristig aber, meinen Experten, werde Laborfleisch billiger sein als konventionelles Fleisch.
Die Unternehmensberater von Kearney glauben, dass sich das Laborfleisch zunehmend durchsetzt. 2040 werden nur noch 40 Prozent aller Fleischprodukte von lebenden Tieren stammen, prophezeien sie.
Sind deutsche Verbraucher bereit?
Bis deutsche Verbraucher das synthetische Fleisch an der Ladentheke im Supermarkt finden, dürfte es noch Jahre dauern. Anders als in Singapur haben die Lebensmittelbehörden noch keine Freigabe erteilt. Das Interesse der deutschen Verbraucher scheint bislang auch nicht all zu groß zu sein. "Ich bin nicht sicher, ob die deutschen Konsumenten für so etwas schon bereit sind", sagte unlängst Michael Hähnel, Chef der Rugenwälder Mühle, in einem Interview.