Massensterben befürchtet Erste Fälle von Vogelgrippe in der Antarktis
Ein seit 2021 nahezu weltweit grassierender Subtyp der Vogelgrippe hat die Antarktis erreicht. Angesichts eines befürchteten Massensterbens drängen Umweltschützer, Schutzmaßnahmen für die Region zügig auszuweiten.
Bislang galt die Antarktis neben Australien und Ozeanien als eine Region, in welche die Erreger der Vogelgrippe noch nicht vorgedrungen waren. Doch nun wurden auch hier erste Fälle registriert. Umwelt- und Klimaschützer sorgen sich um den Bestand der in der Antarktis lebenden Tierarten.
Wie die Polarforschungsorganisation British Antarctic Survey (BAS) berichtet, traten auf der kleinen Insel Bird Island im Südpolarmeer erste Infektionen mit dem Subtyp H5N1 des Vogelgrippe-Erregers auf. Betroffen seien die Braunen Skuas, auch Subantarktik-Skua genannt, die zu den Raubmöwen zählen. Nach Einschätzung der Organisation schleppten einige der Vögel das Virus ein, als sie von Südamerika in die Antarktis zurückkehrten.
Einige der Braunen Skuas schleppten offenbar das Virus ein, als sie von Südamerika in die Antarktis zurückkehrten.
Die Vogelgrippe drohe in der Antarktis nun eine "Umweltkatastrophe ersten Grades" auszulösen, warnte der Meeresbiologe Ralf Sonntag von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife. Denn auf Bird Island leben laut BAS ganze Kolonien verschiedener Seevogelarten - darunter Wander-, Schwarzbrauen- und Graukopfalbatrosse, Riesensturmvögel sowie Goldschopf- und Eselspinguine.
Bis zu 100 Millionen Seevögel haben demnach dort ihre Brutgebiete, fünf Pinguin-Arten wie Kaiser- und Adelie-Pinguine kämen nur dort vor. Zudem lebten in der Region Robbenarten wie Weddellrobbe und Seeleopard.
Tausende tote Meeresbewohner in Südamerika
Wie verheerend sich die Vogelgrippe auf den Artenbestand auswirken kann, wurde bereits in anderen Regionen weltweit ersichtlich. Der durch die H5N1-Variante ausgelöste Ausbruch der Krankheit begann bereits im Herbst 2021. Der Erreger breitete sich nach und nach in der nördlichen Hemisphäre, im Süden Afrikas, im Atlantik, im Pazifik und in Südamerika aus.
Ende 2022 erreichte der Subtyp zunächst Peru und später auch Chile und führte in den Ländern zum Tod Tausender Meeresbewohner, darunter Pelikane, Pinguine, Meeresotter, Robben und Meeressäuger. An der Atlantikküste wurden im Sommer in Uruguay und Argentinien tote Seelöwen entdeckt, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Insgesamt wurden in Südamerika bislang etwa 15.000 tote Robben registriert.
Auch in Europa verursachte die Krankheit in diesem Sommer bereits gehäuft Todesfälle in Brutvogelkolonien von Küstenvögeln. Wie das für die Forschung zur Tiergesundheit zuständige Friedrich-Loeffler-Institut mitteilte, hätten diese registrierten Fälle "teilweise den Umfang lokaler Massensterben angenommen". Betroffen waren demnach etwa Möwen, Seeschwalben und Basstölpel. Zudem starben unter anderem Katzen, Füchse, Marder, Nerze und Seehunde.
Noch ist nicht nachgewiesen, ob das Virus auch zwischen Säugetieren übertragen wurde. Für Menschen gilt der Erreger bisher als relativ ungefährlich.
Lebensraum Antarktis bereits stark gefährdet
Angesichts des befürchteten Massensterbens in der Antarktis mahnen Umweltschützer umso dringlicher einen umfassenderen Schutz der Region an. Der Lebensraum Antarktis sei bereits durch die Auswirkungen des Klimawandels, einer zu intensiv betriebenen Fischerei und zunehmenden Tourismuszahlen massiv gefährdet, warnte etwa die Deutsche Umwelthilfe.
Im Gespräch mit der dpa warnte auch Claire Christian, Geschäftsführerin der Antarctic and Southern Ocean Coalition: "Das abgelegene Gebiet des antarktischen Kontinents und des Südpolarmeeres besteht aus sehr empfindlichen Ökosystemen." Daher sei es umso wichtiger, für die antarktischen Arten geschützte Refugien zu schaffen. "Wir erwarten auch, dass alle, die in der Antarktis arbeiten - Wissenschaftler, Hilfspersonal, Touristen und Fischereibetreiber - alles in ihrer Macht stehende tun, um die Ausbreitung dieses schrecklichen Virus zu stoppen", forderte Christian.
Im australischen Hobart findet derzeit die Jahrestagung der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) statt. Auf der Konferenz ringen die für den Schutz der antarktischen Meeresfauna und -flora zuständigen Regierungen um eine Ausweitung der Meeresschutzgebiete in der Ostantarktis, im Weddellmeer und in den Gewässern der Antarktischen Halbinsel. Zuletzt war das Vorhaben bei einer Sondersitzung der CCAMLR im Juni am Widerstand von Russland und China gescheitert.