Abwasserprobe

Forschungsbooster Wie Corona-Forschung Wissen schafft

Stand: 11.03.2025 16:25 Uhr

In der Forschung kam es in nach Ausrufung der Corona-Pandemie 2020 zu einem Boom. Neben der medizinischen Forschung profitierten davon auch andere Bereiche der Wissenschaft.

Von Frank Wittig, SWR

Nicht nur die Forschung an Impfstoffen und Medikamenten erlebte in der Zeit der Pandemie besondere Aufmerksamkeit. Auch andere Forschungsbereiche wie etwa die Sozialforschung oder Ingenieurswissenschaften standen plötzlich vor neuen Fragestellungen.

So beschäftigte sich das Instituts für Therapie und Gesundheitsforschung in Kiel mit der Frage, wie sich der Alkohol-, Zigaretten- und Cannabis-Konsum während der Pandemie bei Jugendlichen verändert hat und wieviel Zeit haben sie eigentlich in sozialen Netzwerken oder bei Serien und Videospielen verbracht?

Für die Studie kontaktierten die Forschenden des Instituts mehr als 18.000 Teilnehmende im Alter zwischen 14 und 21 Jahren in sozialen Medien.

Dabei gaben 85 Prozent der Befragten an, "eher mehr" oder "viel mehr Zeit" mit digitalen Medien verbracht zu haben als vor Corona. Wenig überraschend, wie auch der mehr oder minder gestiegene Konsum von Alkohol, Cannabis oder Nikotin.

Beratung online anbieten

Ein Ergebnis der Studie war, dass psychisch Vorbelastete besonders stark auf Einschränkungen und Lockdowns reagierten, etwa mit Depressionen und höherem Drogenkonsum. Für sie, sagt Julia Hansen, Co-Autorin der Studie, müsste in einer solchen Situation passende Hilfe angeboten werden. "Da wäre beispielsweise die Einrichtung eines Webportals sinnvoll, das Informationen bereithält, Anlaufstellen benennt und auch spezifische Angebote wie beispielsweise Online-Angebote, Webinare und Expertinnen-Videos mit Hinweisen zur Beratung und Begleitung von Betroffenen anbietet."

Überwachung des Infektionsgeschehens

Auch bei der Art und Weise, wie das Infektionsgeschehen beobachtet werden kann, hat es Veränderungen gegeben. Zu Beginn der Pandemie waren es Gentests, die eine Corona-Infektion anzeigten.

Am Robert Koch-Institut (RKI) wurde durch Corona ein Instrument zur Überwachung der Infektionsdynamik weiterentwickelt, das bis dahin nur vereinzelt zum Einsatz gekommen war: Das genetische Abwassermonitoring. Statt aufwendiger und teurer Tests an Menschen wird das Abwasser hierbei vor der Kläranlage abgefangen und auf die DNA der Krankheitserreger untersucht.

Mit verschiedenen Gen-Sonden wird das genetische Material von unterschiedlichen Krankheitserregern erkannt und so aufbereitet, dass Aussagen auch über die quantitative - also mengenmäßige - Verbreitung der Viren möglich werden. Neben Corona kommt dieses Verfahren mittlerweile auch bei der Atemwegserkrankung RSV und bei Grippe zum Einsatz.

Timo Greiner, der am RKI mit für dieses Verfahren verantwortlich ist, sieht im Abwassermonitoring eine elegante Technik, der in Zukunft große Bedeutung zukommen wird. "Für uns ist ein Ziel, dass das Abwassermonitoring ein dauerhafter Bestandteil der Epidemiologie wird. Wir wollen das zum Beispiel auf andere Erreger wie das West-Nil-Virus erweitern, die bei uns langsam häufiger werden. Aber auch, dass wir uns nicht nur Erreger anschauen, sondern auch Spurenstoffe. Das können Drogen oder auch Medikamentenrückstände sein."

Medizinische Forschung

Auch die Arbeit von Carmen Scheibenbogen an der Berliner Charité konnte vom Forschungsboom rund um Corona profitieren. Die Professorin für Immunologie gilt als eine der wenigen Expertinnen für Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue Syndrom, kurz ME/CFS, eine neuroimmunologische Erkrankung, die nach einer schweren Infektion auftreten kann.

Die vielfältigen Erscheinungsformen von ME/CFS - wie Entzündungen, Autoimmungeschehen, Durchblutungsstörungen, kognitive Störungen - decken sich in vielen Bereichen mit Symptomen der Long- oder Post-Covid-Erkrankung. Da gab es etwa 150 Millionen Euro für die Versorgungsforschung für Patienten mit diesem komplexen Krankheitsbild. Wesentliche Puzzlestücke für ein besseres Verständnis der Krankheitsmechanismen konnten so gefunden werden, sagt Scheibenbogen. So hat durch die zahlreichen Post-Covid-Fälle die Erforschung von ME/CFS, die lange Zeit ein Schattendasein in der Medizin fristete, Aufwind bekommen.